Donnerstag, Januar 23

Ein zentrales Element von Trumps Inszenierung sind seine Dekrete und Ankündigungen zur Migrationspolitik. Doch für nachhaltige Lösungen braucht es Gesetzesreformen, nicht Gesetzesverstösse.

Donald Trump ist mit einem Feuerwerk nach Washington zurückgekehrt. Eine Flut von präsidialen Dekreten, wüste Drohungen nach allen Seiten, die brutale Abrechnung mit dem Wahlverlierer und Notstandsmassnahmen versetzen Politik und Wirtschaft in Aufruhr. Damit hat Trump sein Ziel erreicht: Er betritt das Weisse Haus mit der Gewalt eines Erdbebens. Es ist eine persönliche Machtdemonstration, wie sie in der jüngeren Vergangenheit kein Präsident für nötig befunden hatte.

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Ein zentrales Element dieser Inszenierung sind Trumps Dekrete und Ankündigungen zur Migrationspolitik. Keine Massnahme und keine Rhetorik scheinen ihm gewaltig genug, um seine Machtübernahme donnernd ins Bewusstsein der Amerikaner zu rücken: der nationale Notstand an der Südgrenze, der Einsatz des Militärs im Inland, eine Einschränkung des Erwerbs des Bürgerrechts durch Geburt in den USA, die Verlagerung von Asylanträgen nach Mexiko und die faktische Sistierung des Asylrechts auf unbestimmte Zeit.

Machtwille bis zum Verfassungsbruch

Dass die meisten dieser Massnahmen gegen Gesetz oder Verfassung verstossen, ist kein Hinderungsgrund für Trump – im Gegenteil. Er demonstriert damit eine Dramatik der Lage sowie sein Machtbewusstsein und seine Entschlossenheit: Er traut sich etwas, um seine Wahlversprechen gegen alle Widerstände umzusetzen. Entsprechend sind seine Anhänger entzückt – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa, wo sich nicht wenige einen Trump herbeisehnen, der endlich mit den löchrigen Grenzen und den laschen Asylbeamten aufräumt.

Trumps Vorgehen ist politisch geschickt. Die abgewählte demokratische Regierung hatte drei Jahre lang tatenlos zugesehen, wie Millionen illegaler Einwanderer die Grenze überschritten, um in den USA ein besseres Leben zu finden. Die Sorgen und Klagen der republikanisch regierten Gliedstaaten an der Südgrenze über den Ansturm armer illegaler Einwanderer wurden arrogant ignoriert. Ein Problembewusstsein formierte sich erst, als republikanische Gouverneure damit begannen, Tausende Einwanderer in Busse zu setzen und in demokratische Hochburgen wie New York zu fahren – die dann auch rasch mit der Unterbringung der Asylbewerber überfordert waren. Die Ignoranz der Administration Biden und des linken Parteiflügels der Demokraten gegenüber dem Einwanderungsproblem hat Trump ins Weisse Haus verholfen. Nun schlägt er ihnen das Thema um die Ohren, um seinen Triumph auszukosten.

Die Demokraten tappen in Trumps Falle

Aber nicht nur das. Die aufsehenerregenden Massnahmen werden die Demokraten zum Widerstand einladen; bereits wurden diverse Klagen eingereicht. Das ist eine clever aufgestellte Falle: Mit diesen Klagen setzen sich die Demokraten nicht nur für Recht und Ordnung ein, sondern sie stellen sich in den Augen von Trumps Wählern auch gegen eine schärfere Migrationspolitik. Gewinnen können bei diesem Spiel nur Trump und die Republikaner.

Die Politik der offenen Grenzen der ersten drei Biden-Jahre ist nicht nachhaltig. Die USA können bei aller wirtschaftlichen Dynamik nicht das unendlich grosse Auffangbecken für arme oder bedrängte Bürger aus Lateinamerika und anderen Weltgegenden sein, die den harschen Bedingungen ihrer Heimat entfliehen. Die Wähler haben dieser Politik eine klare Abfuhr erteilt. Wer an der notwendigen Verschärfung des Grenzregimes und einer überfälligen Reform des zu Missbräuchen einladenden Asylwesens interessiert ist, darf aber mit Trumps Dekreten nicht zufrieden sein. Sie werden sehr rasch von Rechtsproblemen und Gerichten aufgehalten. Sie erzeugen damit politisch gewollten Aufruhr, lösen das Problem aber nicht.

Migrationspolitik gehört nicht vor Gericht

Migrationspolitik gehört nicht vor Gericht, sondern ins Parlament. Dort gelang seit drei Jahrzehnten keine nennenswerte Reform des Asylsystems, obschon dessen Mängel bestens bekannt sind. Die Demokraten hatten kurz vor der Wahl mit den Republikanern im Kongress ein Reformpaket vereinbart, das dann im letzten Moment von Trump abgeschossen wurde – er wollte das Thema weiter für den Wahlkampf nutzen. Das schlagen die Demokraten den Republikanern seither um die Ohren, aber das ist scheinheilig – warum hat man fast vier Jahre mit diesen Reformen gewartet?

Jetzt sitzt Trump im Weissen Haus und hat eine Regierungsmehrheit im Kongress. Alle Tore sind weit offen für eine Reform des Migrations- und Asylrechts und eine ausreichende Ausstattung der dafür zuständigen Behörden mit Finanzmitteln. Damit ist das Ziel in Reichweite, den Missbrauch des Asylrechts einzugrenzen und die Einwanderung in politisch gewünschte, legale Bahnen zu lenken. Dieser Weg ist zwar weniger spektakulär, aber viel erfolgreicher.

Das wissen auch die Republikaner. Sie werden diese Reformen gewiss in den nächsten Monaten anpacken. Wer in Europa heute Trumps Migrationsgepolter neidisch verfolgt, sollte sich bewusst sein: Nicht im Weissen Haus ist nach Lösungen für – auch in Europa notwendige – Reformen Ausschau zu halten, sondern künftig im Kongress.

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