Freitag, April 18

Zwar hat der Handschlag zwischen Vucic und Trump junior stattgefunden. Aber das Projekt hängt in der Luft.

Im Frühling 1999 überstand es schwer beschädigt zwei Angriffe amerikanischer Bomber. Jetzt drohen ihm New Yorker Investoren den Rest zu geben: das Generalstabsgebäude im Zentrum von Belgrad. Es sind nicht irgendwelche Baulöwen, die an der prominenten Lage im Herzen der Hauptstadt einen Hotel- und Wohnungskomplex errichten wollen.

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Es ist die Trump Organization, die Holdinggesellschaft der Familie des amerikanischen Präsidenten. Sein Schwiegersohn, Jared Kushner, hat 2024 das Grundstück für die Investitionsfirma Affinity Global Development für 99 Jahre gepachtet. Neben einem Trump International Hotel sollen Geschäftsräume und Luxusappartements entstehen. Kushner will 500 Millionen Dollar investieren.

In dem Gebäude, darauf legen die regierungsnahen Medien jeweils Wert, soll auch eine Gedenkstätte für die Opfer der Nato-Bombardierungen entstehen. Im Generalstab selber war 1999 niemand ums Leben gekommen. Das Militär hatte das Hauptquartier vor den Angriffen evakuiert.

Dass im Trump-Turm ein Gedenkraum eingerichtet werden soll, hat dennoch eine gewisse Logik. Denn bis jetzt war die Ruine genau dies, ein Denkmal. Besucher der serbischen Hauptstadt zücken das Handy und machen Bilder.

Vucic bedrängt, die Investoren nervös

Der «Generalstab», wie alle den Ort nennen, besteht aus zwei Gebäuden. Ein Gebäudeteil liegt links der Nemanjina-Strasse, die vom alten Hauptbahnhof zum Slavija-Platz aufsteigt, einer steht rechts. Zehn Stockwerke sind die Gebäude hoch. Durch die zerrissenen orange-braunen Fassaden sieht man aufgeplatzte Decken, aus denen Armierungseisen ragen. Unter den herabhängenden Balkonen wachsen kleine Bäume aus der Ruine.

Das Interesse der Investoren an dieser «prime location» ist nicht neu. 2013 warf Mohammed Alabbar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Auge darauf. Daraus wurde nichts. Aber zwei Jahre später baute seine Firma Eagle Hills nicht weit davon entfernt unten am Ufer der Sava einen neuen Stadtteil: Belgrade Waterfront. Das Geschäft wurde direkt zwischen dem Präsidenten Aleksandar Vucic und den Arabern ausgehandelt.

Im selben Jahr schickte auch Donald Trump, damals Immobilieninvestor ohne politisches Amt, seine Scouts nach Belgrad. Doch nach ihrer Rückkehr verfolgte auch er das Projekt «Generalstab» nicht weiter. Der Komplex war 2005 unter Denkmalschutz gestellt worden.

Doch es gibt natürlich Möglichkeiten, diesen Schutz wieder abzuerkennen. Das tat die Regierung im November 2024. Laut Denkmalschützern wurde dabei das Gesetz zur Erhaltung des kulturellen Erbes des Landes verletzt. Noch in dem Jahr bot Vucic, laut «New York Times», das Grundstück dem amerikanischen Präsidenten an.

Es kommt jetzt also Bewegung in die Sache – doch gleichzeitig steigt die Nervosität der Investoren. Im März besuchte Donald Trump junior, der älteste Sohn des Präsidenten und Vizechef der Trump Organization, Belgrad. Es ging dabei angeblich um ein Interview von Trump junior mit Vucic für seinen Podcast. Aber die beiden sprachen zweifellos auch über die Erfolgsaussichten des Belgrader Trump-Towers.

Gesprächsbedarf besteht, weil Vucic mit der grössten Krise seiner über zehnjährigen Herrschaft konfrontiert ist. Seit vielen Monaten protestiert im ganzen Land eine grosse Studenten- und Bürgerbewegung gegen die Kaperung des Staates durch Vucics Fortschritts-Partei. Seine politische Zukunft ist infrage gestellt.

Was die Bürger empört, sind genau Geschäfte wie «Waterfront» oder «Generalstab»: intransparente Grossprojekte, die Vucic eigenhändig in Direktverhandlungen mit Investoren durchzieht, vorbei an den zuständigen Institutionen und rechtlichen Auflagen. Gesetz und Gewaltenteilung werden übersteuert er. Die serbische Protestbewegung jedenfalls hat einen neuen Stein des Anstosses: den «Generalstab».

Ein Symbol für knappes Entkommen

Warum wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt? Was hier bröckelt, war einmal bedeutende Architektur. Nach Titos Bruch mit Stalin 1948 war Jugoslawien auf der Suche nach einem neuen Selbstverständnis – auch in baulicher Hinsicht. Für ihr neues Hauptquartier schrieb die Volksarmee 1954 einen Wettbewerb aus. Den Zuschlag erhielt der radikale Modernist Nikola Dobrovic.

Damit war klar, dass man keine Zuckerbäckerarchitektur wollte, «keinen Klassizismus mit Säulen und einem Panzer auf dem Dach», wie Dobrovic ironisch sagte. Der Belgrader Stadtarchitekt stellte 1964 zwei lange, asymmetrische und komplex gegliederte Volumen links und rechts der Strasse fertig. Die dynamisch wirkenden diagonalen Elemente und die offenen Zwischenräume sollten die «Bewegung des Raumes» erfahrbar machen, wie der Architekt erklärte. Viele Belgrader waren etwas perplex.

Nationale Symbolik schien dem Gebäude vollständig abzugehen. Wahrscheinlich deshalb schickte Dobrovic seiner schwer verständlichen Deutung des Gebäudes ein populäres Bild nach: Vom Berg, an dem eine heldenhafte Schlacht im Zweiten Weltkrieg stattgefunden habe, habe der Baumeister ein Stück herausgebrochen und in die Hauptstadt gebracht.

Gemeint war die Sutjeska-Schlacht. Im Frühjahr 1943 waren dort, in Südostbosnien, Titos Partisanen in schweren Rückzugsgefechten einer deutschen Übermacht nur knapp entkommen. Die Erinnerung daran gehörte fest zum historischen Narrativ Jugoslawiens. Fortan hatte das modernistische Gebäude ein zweites Gesicht: Die Nemanjina-Strasse wurde zum brausenden Sutjeska-Fluss und die beidseits hoch aufsteigenden Fassaden zu steil zurückweichenden Felswänden.

Ob wegen städtebaulicher Bedenken, aus Opposition gegen Vucic, Antiamerikanismus oder Jugo-Nostalgie: Der Widerstand gegen den Trump-Turm ist gross und vielfältig. Ihn tragen bürgerliche Belgraderinnen, pensionierte Offiziere, die protestierenden Studenten, aber auch die Akademien für Architektur und jene für das Ingenieurwesen.

Sie alle haben jetzt prominente Verstärkung erhalten: Trump dürfe nicht bauen, der modernistische Komplex solle erhalten bleiben, fordert die Organisation. Die zweite Sutjeska-Schlacht hat begonnen.

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