Donnerstag, September 19

World Liberty Financial will Banken und andere Vermittler im Finanzwesen überflüssig machen. Donald Trump profitiert vom Umstand, dass die Krypto-Branche in ihm einen Befreier sieht.

Welche Dienstleistungen die von der Familie Trump promotete Blockchain genau bietet, ist zwar noch unklar. Aber eine Art Slogan hat World Liberty Financial bereits: «Das Finanzwesen wieder gross machen». So drücken es Eric und Donald Trump junior aus, die Söhne des ehemaligen US-Präsidenten.

Die Familie Trump stellte am Montag – nur einen Tag, nachdem ein zweiter Mordanschlag auf Donald Trump vereitelt worden war – ihre Pläne für eine Krypto-Plattform vor. In einem zweieinhalbstündigen Livestream auf X alias Twitter.

Die Veranstaltung war im Vorfeld als «Rede zur Lage der Kryptowährungen» angepriesen worden. Doch es dauerte eine Viertelstunde, bevor der republikanische Präsidentschaftskandidat das K-Wort überhaupt in den Mund nahm. Erst als sich Donald Trump nach 45 Minuten Livestream verabschiedete, hatten seine Söhne und andere Mitstreiter die Möglichkeit, das Projekt etwas genauer zu umreissen.

Das Angebot

Klar ist, dass World Liberty Financial dezentrale Finanzdienstleistungen anbieten will. Darunter versteht man eigentlich alles, was heute Banken, Versicherungen oder Börsen tun: Geld verleihen, Anlagen tätigen, Kredite aufnehmen oder Versicherungen kaufen.

Der grosse Unterschied ist, dass das über eine öffentliche Blockchain geschieht und die Nutzer direkt miteinander geschäften. Herkömmliche Banken, Versicherungen oder Börsen benötigen sie dabei nicht, geschweige denn die schwerfällige Bürokratie, die diese im Verbund mit den Behörden aufgebaut haben.

Schöne neue Welt

Nutzer von dezentralen Finanzdienstleistungen können ihr Konto selbst eröffnen, ohne einen Ausweis vorzulegen oder ein einziges Formular auszufüllen. Sie brauchen die Gegenpartei, an die sie zum Beispiel Geld verleihen, weder zu kennen, geschweige denn, ihr zu vertrauen. Vertrauen müssen sie lediglich einem Algorithmus, der für eine vollautomatische 7/24-Abwicklung der Verträge besorgt ist.

Was wie Zukunftsmusik tönt, hat sich längst etabliert: Protokolle wie Aave – mit dem World Liberty Financial zusammenarbeiten wird –, Maker, Uniswap und andere machen das bereits seit Jahren. Allerdings werden diese Blockchains nur von einer kleinen Gemeinschaft von Nerds benutzt. Sie sind zwar bemerkenswert sicher und effizient, aber gleichzeitig so obskur, dass es sich bloss um Nischenmärkte handelt.

In diesem Umstand scheint die Familie Trump ihre Chance zu wittern. Einerseits kann sie mit ihrer grossen Bekanntheit punkten, die für eine Breitenwirkung sorgt. Anderseits stellt sie ein kundenfreundlicheres Erlebnis in Aussicht. Eric Trump sagte, das dezentralisierte Finanzwesen müsse auch «für normale Menschen einfacher zu bedienen sein».

Dem würden zwar auch Vertreter der Krypto-Branche zustimmen, aber bisher ist aus ihrer Mitte noch kein Steve Jobs hervorgegangen, der es verstanden hätte, massentaugliche Dienstleistungen anzubieten.

Wie Donald Trump eine Lichtgestalt wurde

Donald Trump war nicht von Anfang an ein Krypto-Befürworter, im Gegenteil. Er hat seine Liebe zur Blockchain erst dieses Jahr entdeckt. Wahrscheinlich, weil die Firmen der Branche, die sich von den Demokraten schlecht behandelt fühlen, seine Wahlkampagne grosszügig zu unterstützen bereit sind.

Donald Trump eroberte spätestens im Juli als Keynote-Redner der grössten Bitcoin-Konferenz in Nashville die Herzen der libertären Krypto-Branche. Viele sehen in ihm einen Befreier. Und in den Demokraten Unterdrücker.

Es ist bemerkenswert, wie vorsichtig die Trumps mit dem promoteten Projekt nun vorgehen, damit das neue Unternehmen nicht in Konflikt mit der strengen amerikanischen Börsenaufsicht gerät. Zwar will man eigene Coins herausgeben, die WLFI-Token. Deren Käufer haben dann ein Mitspracherecht bei der Entwicklung der Plattform.

Doch diese WLFI-Token können nur zugelassene Anleger im Rahmen einer sogenannten Regulation-D-Ausnahme der US-Börsenaufsicht kaufen – und sie haben dann auch keine Möglichkeit, die Coins frei an andere Investoren zu übertragen. Einen Aave- oder Uniswap-Token dagegen kann jeder handeln.

Auch der Umstand, dass das Projekt von erfahrenen Krypto-Experten begleitet wird, zeigt, dass es sich nicht um einen Hüftschuss handelt.

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