Freitag, Januar 17

Tech-Milliardäre, Firmen, Lobbyisten – alle suchen die Nähe Trumps. Aber Günstlingswirtschaft schadet einem Land und seiner Leistungsfähigkeit.

Die Lage ist hervorragend: In zehn Minuten erreicht man zu Fuss das Weisse Haus. Das heutige «Waldorf Astoria» im Herzen von Washington war schon immer beliebt bei ausländischen Staatsgästen, die für Verhandlungen in Amerikas Hauptstadt waren.

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Doch Donald Trump wusste auch aus dieser Immobilie noch mehr herauszuholen. In den Jahren 2017/18 war die noble Unterkunft, die damals noch als Trump International Hotel vermarktet und von der Familie Trump geführt wurde, manchen Gästen besonders viel wert.

Die Familie profitiert

Der malaysische Premierminister Najib Razak etwa gab während seines Besuchs 1500 Dollar für einen persönlichen Fitnesscoach aus; drei Mittagessen, welche seine Entourage beim Room-Service bestellte, beliefen sich auf 8000 Dollar. Das amerikanische Justizministerium ermittelte damals zwar gegen Najib, weil er sich am malaysischen Staatsfonds 1MDB bereichert hatte. «Malaysia ist ein wichtiger Investor in den USA», lobte Trump aber sein Gegenüber bei einem Fototermin im Weissen Haus. Inzwischen verbüsst Najib wegen der Korruptionsaffäre in Malaysia eine zwölfjährige Haftstrafe.

Die Trumps teilten damals mit, dass alle Einnahmen von Staatsgästen ans Finanzministerium weitergeleitet worden seien – freiwillig, wie Eric Trump, der Sohn des Präsidenten, betonte. Das Hotel beherbergte während Trumps erster Amtszeit aber auch zahlreiche einheimische Lobbyisten – und Agenten des Secret Service, die Trump und seine Entourage beschützten. Die Trump-Organisation verkaufte ihr langjähriges Pachtrecht am Hotel 2022. Das «Wall Street Journal» berichtete aber unlängst, dass sich die Trumps überlegten, das Hotel zurückzukaufen. Womöglich wittert die Familie ein gutes Geschäft in der zweiten Amtszeit.

Die Tech-Milliardäre kaufen sich ein

Amerikanische Firmenchefs lassen sich die Nähe zu Trump ebenfalls einiges kosten. Zahlreiche Unternehmen spenden 1 Million Dollar oder mehr für die Inaugurationsfeier von Donald Trump am kommenden Montag. Darunter sind auch die Tech-Giganten Amazon und Meta, deren Chefs – Jeff Bezos und Mark Zuckerberg – bei Trump zeitweise in Ungnade gefallen waren. Wer genau wie viel gespendet hat für die Feierlichkeiten, wird das Weisse Haus erst später offenlegen müssen. Laut Medienberichten sollen aber über 200 Millionen Dollar zusammengekommen sein. So viel jedenfalls, dass offenbar selbst manche Gönner, die Hunderttausende Dollar gespendet haben, keine VIP-Tickets zu den Feierlichkeiten in Trumps unmittelbarer Nähe mehr erhalten haben.

In den USA geht nun die Furcht um, es könnte ein neues Zeitalter des «crony capitalism» anbrechen. Damit ist ein System gemeint, in dem Akteure mit guten Verbindungen zur Politik wirtschaftliche Vorteile für sich herausschlagen können. Der abtretende Präsident Joe Biden warnte in seiner Abschiedsrede am Donnerstag vor einer Ballung von «extremem Reichtum, Macht und Einfluss».

Einen einzigartigen Zugang zu Trump hat sich Elon Musk verschafft. Der Multimilliardär, der mehr als 250 Millionen Dollar für Trumps Wahlkampf ausgegeben hat, ist mittlerweile einer der wichtigsten Berater des designierten Präsidenten. Er wird ein Komitee leiten, das die Staatsausgaben der USA unter die Lupe nimmt. Musk wird dabei Sparprogramme für Behörden vorschlagen können, die gegenwärtig Aufträge an seine Firmen erteilen – oder die gegen ihn und seine Unternehmen ermitteln. Beispielsweise die Börsenaufsicht SEC, die Musk soeben vorgeworfen hat, Anleger 2022 beim Kauf von Twitter hinters Licht geführt zu haben.

Finanziell hat sich der Einsatz für Musk schon jetzt gelohnt: Seit dem Wahltag hat sich der Wert seiner Tesla-Aktien fast verdoppelt, so dass er wieder mit deutlichem Abstand als reichster Mann der Welt gelten darf. Nicht etwa, weil Tesla seit November mit besonders guten Zahlen geglänzt hätte – der Elektroautobauer hat in China, Europa und Amerika mit dem immer stärkeren Konkurrenzdruck zu kämpfen. Doch die Märkte gehen davon aus, dass sich Musks Nähe zu Trump in irgendeiner Form für den Konzern bezahlt machen wird.

Lobbyisten bekommen eine Spielwiese

In den kommenden Jahren werden zudem die Lobbyisten die Türen im Weissen Haus einrennen. Trumps Drohungen, Länder oder gar einzelne Firmen mit Einfuhrzöllen zu bestrafen, wenn sie sich seinen Wünschen nicht fügen, machen es umso wichtiger, in Trumps Gunst zu stehen. Der Traktorbauer John Deere zog im September den Zorn des Republikaners auf sich, als er ankündigte, einen Teil seiner Produktion nach Mexiko zu verlagern. Trump drohte mit einem Einfuhrzoll von 200 Prozent, sollte John Deere von seinen Plänen nicht abrücken.

Massgeschneiderte Einfuhrzölle sind heikel. Je mehr die Trump-Regierung Massnahmen verfolgt, die ihr diskretionäre Entscheide abverlangen, desto mehr schafft sie eine Spielwiese für Lobbyisten, die Sonderbehandlungen herausschlagen wollen. Und desto grösser ist die Gefahr, dass in Amerika die Günstlingswirtschaft zunimmt.

Ein Hauen und Stechen um Ausnahmen könnte es auch wegen der massenhaften Ausschaffungen geben, die Trump seinen Wählern versprochen hat. Selbst wenn er das wollte, wird er nicht alle illegal Eingewanderten im Land – deutlich mehr als 10 Millionen – gleichzeitig ausweisen können.

Die Einwanderungsbeamten werden sich auf gewisse Gruppen oder Regionen konzentrieren müssen: Suchen sie vor allem auf den Gemüsefeldern in Kalifornien? Statten sie den Orangenhainen in Florida einen Besuch ab oder den Milchfarmen in Vermont? Sollten sie doch besser die Baustellen rund um die Grossstädte etwas genauer kontrollieren und die Temporärfirmen, die seit Jahren für Industriebetriebe günstige Arbeitskräfte rekrutieren? Es ist jetzt schon klar: Die Baubranche und die Landwirte werden in Washington damit lobbyieren, dass sie auf die Arbeitskräfte keinesfalls verzichten können.

Wer für die Republikaner spendet, wird bevorzugt

Die Vermutung, dass sich «crony capitalism» auszahlt, beruht nicht auf grauer Theorie. Schon während Trumps erster Amtszeit lohnte es sich für Lobbyisten, gute Beziehungen zu ihm und seiner Partei zu haben. Ein Beispiel dafür ist die Handelspolitik. Im Jahr 2018 führte Trump umfangreiche Zölle für Warenimporte aus China ein. Doch gleichzeitig wurde ein neuartiger Prozess implementiert, bei dem Firmen Ausnahmen beantragen konnten, wenn dies im «amerikanischen Interesse» war. Insgesamt gewährten die Behörden rund 1000 solcher Ausnahmen.

Davon profitierten jedoch vor allem Firmen mit einer engen Beziehung zu den Republikanern, wie eine wissenschaftliche Studie zeigt. Hatte eine Firma im Wahlkampf 2016 für die Republikanische Partei gespendet, stieg die Wahrscheinlichkeit einer Ausnahmegenehmigung deutlich. Ähnliches passierte, wenn ein Unternehmen Trump-Vertraute beschäftigte. Im Gegenzug wurden Firmen, die für die Demokratische Partei spendeten, benachteiligt. Das System habe der Trump-Administration erlaubt, «ihre politischen Freunde zu belohnen und ihre Feinde zu bestrafen», schreiben die Studienautoren. Die Ausnahmegenehmigungen waren für die Firmen wertvoll, beispielsweise stiegen ihre Aktienkurse.

Lobbyismus gibt es überall auf der Welt

So weit, so normal, könnte man sagen. Denn überall auf der Welt setzen sich Firmen und Interessengruppen dafür ein, von der Politik eine Sonderbehandlung zu erhalten. Nicht nur in Washington, sondern auch in Bern, Berlin oder Brüssel gibt es Heerscharen von Lobbyisten, die die Parlamente und die Verwaltung in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen. Die angestrebten Vorteile können vielfältiger Natur sein: Subventionen, Staatsaufträge, Lizenzen oder eine vorteilhafte Regulierung. Im Fachjargon spricht man von «Rent-Seeking».

Solche Mechanismen haben auch unter der demokratischen Präsidentschaft von Joe Biden gespielt. Biden legte ein riesiges Subventionsprogramm für die Industrie auf. Das schuf grosse Anreize für Firmen und Interessenvertreter, sich mit der Biden-Administration gut zu stellen.

Doch die ökonomische Forschung zeigt: Wenn sich in einem Land Günstlingswirtschaft und Rent-Seeking ausbreiten, ist das ein Problem.

Es findet eine Verschwendung von Ressourcen statt. Firmen und Branchenlobbys wenden viel Zeit und Energie auf, sich das Wohlwollen der Politik zu sichern, statt sich um ihre Kernaufgabe zu kümmern: auf dem Markt mit guten Produkten erfolgreich zu sein.

Zudem leidet die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft, wenn Beziehungen den Ausschlag geben und nicht die Leistung. Es gewinnen nicht die Besten, sondern jene mit den besten Beziehungen zur Politik.

Dieses Problem zeigt sich beispielsweise in Ungarn. Unter dem Regierungschef Viktor Orban hat sich ein Klientelsystem herausgebildet, bei dem enge Vertraute Orbans von Staatsaufträgen profitieren und grosse Teile der Wirtschaft kontrollieren. Das gilt als wichtiger Grund dafür, warum Ungarns Wirtschaft weniger kompetitiv und erfolgreich ist als etwa jene Polens.

Autokratien sind anfällig für Günstlingswirtschaft

Nicht in allen Ländern sind Günstlingswirtschaft und Rent-Seeking gleich ausgeprägt. Als Grundregel lässt sich festhalten: Die Gefahr ist umso grösser, je grösser und wichtiger der Staat ist. Besonders anfällig sind Diktaturen und Autokratien. Dort ist der Staat allmächtig, es fehlt eine Gewaltenteilung. Zudem will das Regime oft selbst wichtige Wirtschaftssektoren kontrollieren, um sich zu bereichern. Diktatorische Regime ähneln meist einer Mafia-Organisation – mit dem Staatsoberhaupt als Mafia-Boss.

In Demokratien hingegen hat die Günstlingswirtschaft weniger Chancen. Regierungen können abgewählt werden, es gibt Checks and Balances. Zudem haben institutionelle Regeln und ordnungspolitische Prinzipien mehr Gewicht – also das Verständnis, dass der Staat einen allgemeinen Rahmen setzen und nicht einzelne Akteure bevorzugen soll. Dennoch ist klar, dass Lobbyisten und Interessengruppen auch in Demokratien politischen Einfluss haben.

Wie verbreitet Günstlingswirtschaft weltweit ist, hat die britische Zeitschrift «The Economist» in einem Index zu erfassen versucht. Die Grundidee ist, dass manche Wirtschaftssektoren von Natur aus anfällig sind für «crony capitalism». Zu diesen staatsnahen Branchen zählt der «Economist» etwa den Rohstoffsektor, Rüstungsgüter, Infrastruktur, Versorgungsbetriebe, Chemie, Metallindustrie, Bauwirtschaft – und die Banken. In einem nächsten Schritt wird analysiert, wie gross der Einfluss von Milliardären in diesen Branchen ist – und damit mutmasslich die Verstrickungen mit der Politik.

Das Land mit am meisten Günstlingswirtschaft ist Russland. Die russische Wirtschaft ist stark vom Rohstoffsektor (Erdöl und Erdgas) geprägt. Zudem ist rund um den Kremlherrscher Wladimir Putin eine Oligarchie von Wirtschaftsmagnaten entstanden, die eng mit dem Regime verbandelt sind. Als generelles Muster zeigt der Index laut dem «Economist»: In Autokratien ist Günstlingswirtschaft rund dreimal so stark ausgeprägt wie in Demokratien.

Doch auch die Schweiz erscheint weit oben im Ranking. Das heisst aber wohl nicht, dass die Schweiz ein besonderes Problem hat, sondern zeigt eher, dass der Index nicht perfekt ist. Die Platzierung der Schweiz liegt daran, dass einige der reichsten Milliardärsfamilien in heiklen Branchen wie Rohstoffhandel und Reederei engagiert sind. Ein Zeichen für Filz ist das kaum. Vielmehr dürfte die Schweiz dank der direkten Demokratie und dem dezentralen Staatsaufbau vergleichsweise wenig anfällig für Günstlingswirtschaft und Rent-Seeking sein. Lobbygruppen können zwar ein Parlament oder die Verwaltung beeinflussen, aber niemand kann eine Volksmehrheit in einer Abstimmung «kaufen».

Die USA schneiden im Ländervergleich gut ab

Und wie steht es um die USA? Im «Economist»-Index schneidet das Land gut ab. In heiklen Branchen besitzen Milliardäre Vermögenswerte, die nur rund 2 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachen. Die gute Platzierung spiegelt wohl, dass die amerikanische Wirtschaft enorm gross und breit diversifiziert ist. Das verringert die Anfälligkeit für «crony capitalism».

Doch auch in den USA lauern Gefahren. Umstritten ist, ob man den Tech-Sektor, der für die amerikanische Wirtschaft in den letzten Jahren immer wichtiger geworden ist, als «anfällig» klassifizieren sollte. Einiges spricht dafür. In der Tech-Branche haben einzelne Firmen wie Google, Apple, Microsoft, Nvidia, Meta, Amazon und Tesla eine dominante Stellung. Die Firmen gehören zu den grössten Lobbyisten in Washington und Brüssel. Sie kämpfen gegen Kartellverfahren und für eine milde Regulierung. Wenn man den Tech-Sektor im Index als anfällig einschliesst, verdreifacht sich der Wert für die USA laut dem «Economist» auf 6 Prozent des BIP.

Deals statt Regeln

Es dürfte also kein Zufall sein, dass nun Tech-Milliardäre wie Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Elon Musk die Nähe zu Donald Trump suchen. Sie rechnen damit, dass sich die Beziehungspflege für sie und ihre Firmen lohnen wird.

Hilfreich dürfte dabei sein, dass Trump ein offenes Ohr für ihre Anliegen hat. Er hat wiederholt deutlich gemacht, dass er nichts von Regeln und Ordnungspolitik hält. Trump liebt den Deal, alles ist für ihn Verhandlungssache. In einer solchen Kultur gedeiht Günstlingswirtschaft grundsätzlich besser als mit einem Präsidenten, der institutionellen Regeln einen grossen Wert beimisst.

Die Befürchtungen sind deshalb berechtigt, dass in Trumps zweiter Amtszeit ein neues Zeitalter des «crony capitalism» anbrechen wird. Doch es kann auch anders kommen. Im amerikanischen Staatswesen sind die Checks and Balances traditionell stark verankert, womöglich werden sie Trump bremsen. Die amerikanische Wirtschaft ist so breit diversifiziert und dynamisch, dass eine moderate Zunahme des Filzes ihre Leistungsfähigkeit kaum reduzieren wird. Zudem könnte es weniger Spielräume für Rent-Seeking geben, wenn Trump seine Versprechungen wahr macht, den Staat kleiner zu machen.

Vor Trumps zweiter Präsidentschaft ist nur eines klar: Er ist unberechenbar.

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