Der amerikanische Präsident will Frieden in der Ukraine stiften und kommt Moskau dafür entgegen. Ohne Europa sind Trumps Versprechen jedoch wenig wert. Er kann Russland wirtschaftlich wenig bieten, um es zu Zugeständnissen zu bewegen.
Auf dem Schwarzen Meer soll zwischen der Ukraine und Russland bald wieder Frieden herrschen, und das 2023 ausgelaufene Getreideabkommen zwischen den beiden Ländern soll erneuert werden. Darauf haben sich Russland und Ukraine in indirekten Verhandlungen mit den USA in Riad im Grundsatz geeinigt.
Russland fordert Entgegenkommen
Ob diese Einigung umgesetzt wird, bleibt aber fraglich. Die Russen wollen sich nur an das Abkommen halten, wenn ihre staatliche Landwirtschaftsbank wieder Zugang zum internationalen Zahlungssystem SWIFT erhält und Einschränkungen bei der Handelsfinanzierung aufgehoben werden. Auch weitere russische Banken sowie Unternehmen, die Dünger und Nahrungsmittel herstellen, sollen nach Ansicht des Kremls von Sanktionen befreit werden; zudem will Moskau ungehindert Landwirtschaftsmaschinen aus dem Ausland importieren.
Das Weisse Haus hat seinerseits mitgeteilt, man werde Russland helfen, Zugang zum Weltmarkt für seine Agrargüter und Düngemittel zu erhalten. Die Versicherungskosten für Russlands Seehandel sollen sinken, zudem soll das Land für die Abwicklung dieser Exporte wieder leichter an Häfen und Zahlungssysteme im Ausland gelangen. Die russischen Forderungen sind jedoch präziser und gehen weiter als das von den Amerikanern skizzierte Angebot.
Zwar hat der Westen die Landwirtschaftsexporte Russlands nie direkt sanktioniert, weil das mit internationalem Recht in Konflikt stünde und es in Drittstaaten zu Hungersnöten führen könnte. Russland argumentiert indes, dass Hafenblockaden und Finanzsanktionen die Agrarexporte trotzdem einschränken.
Ein Versprechen, das Trump allein nicht einhalten kann
2023 scheiterte die Weiterführung des Getreideabkommens auch deshalb, weil der Westen die Sanktionen gegen Russland nicht lockern wollte. Washington nimmt in dieser Frage unter Trump nun offenbar eine andere Haltung ein, kann die Partner aber nicht zu einem Positionswechsel zwingen.
Die USA hatten unter der Biden-Administration eine entscheidende Rolle bei der Erarbeitung und Koordinierung der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland gespielt, doch werden diese auch von europäischen Staaten, Japan oder Kanada getragen. Insbesondere die Europäer haben sich bisher gegen Lockerungen ausgesprochen, weil sie in den Sanktionen weiterhin ein wichtiges Druckmittel gegen Putin sehen.
Auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski spricht sich dagegen aus, ein Abkommen mit Sanktionserleichterungen zu erkaufen. Die Ukraine hat die russische Marine mit Drohnen und Raketenschlägen aus dem westlichen Schwarzen Meer vertrieben und konnte ihre Getreideexporte über diese Route auch ohne Sicherheitsabkommen mit Russland wieder aufnehmen.
Donald Trump hat vor seiner Wahl mehrfach betont, dass er den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine rasch beenden könne, wenn er zurück im Weissen Haus sei. Für die amerikanischen Wähler sind andere Versprechen Trumps zwar wichtiger – etwa, dass er die Inflation im Griff behält. Ein Scheitern der Verhandlungen in Osteuropa betrifft sie nicht direkt. Ein gewisser Erwartungsdruck besteht dennoch, dass Trump sein Versprechen wahr macht.
Die Frage stellt sich nun, wie die USA die Europäer zu Zugeständnissen bewegen wollen, um Trump diesen aussenpolitischen Sieg zu ermöglichen. Wird der amerikanische Präsident seinerseits wirtschaftlichen Druck aufbauen – beispielsweise neuen Zolldrohungen aussprechen –, um die Verbündeten auf Linie zu bringen? Oder versucht er es zur Abwechslung einmal mit Zuckerbrot statt mit der Peitsche? Dazu war aus Washington zunächst nichts Genaueres zu vernehmen.
Begrenzte Auswirkungen
Die russischen Forderungen sind insofern klug gewählt, als sie die Spaltung im westlichen Lager verschärfen können. Die unmittelbaren Auswirkungen von Sanktionserleichterungen wären vermutlich aber beschränkt. Genau so wie die bestehenden Sanktionen ein langsam wirkendes Gift für die russische Wirtschaft sind, würde die Aufhebung einzelner Massnahmen nicht plötzlich zu einem Aufschwung führen.
Experten für die russische Wirtschaft, wie der Wirtschaftsanalyst Alexander Koljandr, sehen den grössten potenziellen Gewinn für Russland darin, dass es mit der Rosselchosbank eine sanktionsfreie Staatsbank erhalten würde. Koljandr sagte dem unabhängigen russischen Exilmedium «Wjorstka», dass diese Bank die Möglichkeit haben würde, «Korrespondenzkonten in Fremdwährungen zu eröffnen und über sie frei Transaktionen mit der Aussenwelt durchzuführen.» Dies sei technisch auch ohne Anschluss ans Swift-System möglich.
Auf die Exporte von Getreide und Düngemitteln würden sich die Lockerungen vorerst kaum auswirken, führte Andrei Sisow, Experte für Agrarhandel im Schwarzen Meer und Managing Director des Beratungsunternehmens SovEcon, gegenüber «Wjorstka» aus, eben weil diese schon bis anhin nicht mit Sanktionen belegt waren. Russland hat in den vergangenen Jahren in beiden Bereichen Exportrekorde verzeichnet.
Sisow streicht hervor, dass die von Russland geforderten Bedingungen ohne Unterstützung durch die EU nicht umgesetzt werden können: die Zentrale des Zahlungssystems Swift befindet sich in Brüssel, Russland ist zudem vor allem am Zugang zu europäischen Häfen interessiert.
«Putins Endspiel ist offensichtlich», sagt Edward Fishman, Sanktionsexperte der Columbia-Universität zum «Wall Street Journal». «Er will Trump dazu bringen, die Sanktionen gegen russische Banken und Energiefirmen aufzuheben. Das würde es dem Kreml ermöglichen, die harte Währung ins Land zu bringen, die er dringend benötigt.»
Weiterreichende Probleme
Das brüchige Minimalabkommen deutet auf ein Grundproblem bei Trumps Verhandlungen mit Putin hin: Ausser der Aufhebung von Sanktionen können die USA Russland wirtschaftlich wenig bieten. Zwar hat der 78-jährige Präsident mehrfach davon gesprochen, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland deutlich ausbauen liessen, wenn Frieden herrscht. Diese Karotte versetzt Moskau aber nicht in grosse Begeisterung.
Die bilaterale Handelsbeziehung ist zu schwach, als dass Exporte in die USA Russland auf die Beine helfen könnten. Die beiden Länder haben noch nie besonders viel miteinander gehandelt. 2021, im Jahr bevor Wladimir Putin den grossangelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine lancierte, stammte nur 1 Prozent aller US-Importe aus Russland. Ausfuhren nach Russland machten gar nur 0,4 Prozent aller amerikanischer Exporte aus. Bis 2024 schrumpfte die Handelsbeziehung von knapp 36 Milliarden auf sehr bescheidene 3,5 Milliarden Dollar zusammen. Zum Vergleich: Der Güterhandel zwischen der Schweiz und der Vereinigten Staaten belief sich 2024 auf über 88 Milliarden Dollar.
Russland hat nicht sonderlich viel zu bieten, was die USA dringend brauchen. Die Amerikaner produzieren (und exportieren) selbst Agrargüter sowie viel Öl und Erdgas; anders als Europa waren sie im Energiebereich schon vor dem Krieg nicht auf Importe aus Russland angewiesen. Auch Waffen – der dritte von nur wenigen Exportschlagern – stellen die USA selbst genug her. Aus Sicherheitsüberlegungen setzten sie hierbei ohnehin nicht auf russische Hersteller.
Unternehmen zieren sich
Trump kann Unternehmen dank seiner Zoll-Strategie vielleicht dazu motivieren, mehr Fabriken in den USA zu bauen. Investitionen in Russland kann er ihnen aber nicht verordnen. Selbst wenn die USA auch die Europäer dazu brächten, die Sanktionen zu lockern, würden sich viele Firmen zieren, wieder nach Russland zurückzukehren.
Es fehlt in Russland schlicht an Investitionssicherheit, auch weil seit Kriegsbeginn die staatliche Kontrolle über die Wirtschaft drastisch ausgeweitet wurde: Ableger von westlichen Unternehmen wurden enteignet, ihre Vermögenswerte zwangsweise verkauft. Es gibt kein unabhängiges Rechtssystem, das Streitfälle nach im Vornherein bekannten Regeln auflösen könnte.
Hinzu kommt, dass die russische Wirtschaft vom Krieg gezeichnet ist. Die Inflation hat deutlich zugenommen, und die schrumpfende Bevölkerung Russlands muss ihr Geld zusammenhalten. Das sind keine erbaulichen Aussichten für ausländische Unternehmen. Amerikanische Firmenchefs würden sich gegenüber ihrem Aktionariat grossen Risiken aussetzen, wenn sie zu rasch nach Russland zurückkehren. Auch Trump kann sie in Moskau nicht beschützen.