An seinem ersten Amtstag vollzieht Donald Trump, was er versprochen hat: Er verschärft die Migrationspolitik, lockert die Vorschriften für die Erdölindustrie, tritt aus dem Klimaabkommen aus und begnadigt die Stürmer des Capitols. Auf neue Zölle aber verzichtet er – vorerst.
Donald Trump unterzeichnete am Montag derart viele Verordnungen, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Bis spät am Abend sass er im Oval Office und unterzeichnete ein Dokument nach dem anderen, während er laufend neue Fragen von Journalisten beantwortete. Die insgesamt knapp 100 «executive orders» zielten vor allem darauf ab, die Migrationspolitik zu verschärfen, Umweltregulierungen und den Arbeitsschutz für Beamte zu lockern sowie «woke» Gender-Vorschriften aus der Verwaltung zu verbannen. Gleichzeitig begnadigte der neue Präsident praktisch alle verurteilten Stürmer des Capitols.
Er werde nur am ersten Tag im Amt ein Diktator sein, versprach Donald Trump im Wahlkampf mit einem Augenzwinkern. «Ich will die Grenze schliessen und bohren, bohren, bohren.» Mit «bohren» meinte er eine Erhöhung der Erdölproduktion. «Drill, baby drill», lautete sein Schlachtruf. Wenig überraschend unterzeichnete Trump nach seinem Amtseid am Montag Verordnungen, die an der Südgrenze zu Mexiko und in der Energieversorgung einen nationalen Notstand erklären. Dies wird seiner Regierung erlauben, die Ziele bei der Zuwanderung und der Erdölförderung mit weitreichenden Massnahmen zu verfolgen.
Gegen Klimaabkommen und Windräder
Wie Trump in seiner Inaugurationsrede erklärte, will er unter anderem das Militär an die Südgrenze zu Mexiko schicken, um die «Invasion» durch Migranten aufzuhalten. Ab Montag funktionierte zudem die App nicht mehr, mit der Schutzsuchende in Mexiko einen Termin mit der amerikanischen Einwanderungsbehörde beantragen konnten. Wie in Trumps erster Amtszeit werden Flüchtende nun in Mexiko warten müssen, bis ihre langwierigen Asylverfahren entschieden sind. «Remain in Mexico» lautet das Schlagwort für diese Politik. Trump kündigte am Montag ausserdem die Ausschaffung von «Millionen krimineller Ausländer» an.
Wie genau Trump die einzelnen Verordnungen umsetzen wird und kann, muss sich noch zeigen. Bürgerrechtsorganisationen dürften gegen einzelne Massnahmen klagen und wichtige Partnerstaaten wie Mexiko könnten die Zusammenarbeit verweigern. Mit einer Verordnung will Trump etwa auch das Bürgerrecht für in den USA geborene Personen beenden. Dieses «birthright citizenship» ist jedoch in der Verfassung verankert und kann nicht einfach vom Präsidenten durch einen Federstrich abgeschafft werden.
Um die Erdölproduktion anzukurbeln, widerrief Trump am Montag unter anderem von Biden angeordnete Beschränkungen für die Förderung in Alaska. Zudem gab er wie in seiner ersten Amtszeit den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation bekannt. Bei seiner Inaugurationsrede am Mittag kündigte Trump bereits an, die Subventionen für den Kauf von Elektroautos streichen zu wollen. Bei seiner Pressekonferenz im Weissen Haus am Abend sprach er sich zudem auch gegen die Förderung der Windenergie aus.
Die Frage stellt sich allerdings, inwiefern bei der Migration und der Energieversorgung wirklich ein Notstand besteht. Biden hat die Zuwanderungspolitik seit Beginn dieses Jahres selbst verschärft. Weil auch Mexiko mithalf, Migranten von seiner Grenze im Norden fern zu halten, ging die Zahl der illegalen Grenzübertritte massiv zurück. Während die amerikanische Erdölproduktion zur Zeit der Corona-Pandemie stark zurückging, befindet sie sich aktuell derweil auf einem Rekordniveau.
Wie im Wahlkampf angekündigt, unterzeichnete Trump am Montag ebenfalls eine Verordnung, um den «Gender-Wahnsinn» zu beenden. Darin steht geschrieben, dass der amerikanische Staat nur zwei Geschlechter anerkennt: «männlich und weiblich». Frauen seien biologisch weiblich und Männer biologisch männlich. Und diese beiden Geschlechter liessen sich nicht verändern. Unter der Biden-Regierung konnten Amerikaner in ihrem Reisepass auch die Option X als drittes Geschlecht auswählen. Dies dürfte nun wohl nicht mehr möglich sein.
Zu den erwarteten Massnahmen gehörte auch die erneute Inkraftsetzung der sogenannten «Schedule F». Sie erlaubt es Trump, Staatsbeamte leichter zu entlassen, die in seinen Augen nicht genügend loyal sind.
Gnade auch für gewalttätige Capitol-Stürmer
Seit vielen Monaten hat Trump auch davon gesprochen, die Demonstranten zu begnadigen, welche am 6. Januar 2021 das Capitol stürmten. In 14 Fällen ordnete der Präsident eine Herabsetzung der Haftstrafe auf die bereits verbüsste Zeit an. Alle anderen verurteilten Personen – unter ihnen auch gewalttätige Demonstranten – begnadigte er vollumfänglich. Insgesamt kommen damit über 1500 Capitol-Stürmer straffrei davon.
Bei den 14 Strafmilderungen handelt es sich um Mitglieder der Proud Boys und der Oath Keepers. Die beiden extremistischen Organisationen spielten beim Sturm auf das Capitol eine aktive Rolle. Der Gründer der Oath Keepers, Stewart Rhodes, wurde zu einer Gefängnisstrafe von 18 Jahren verurteilt. Enrique Tarrio, der Anführer der Proud Boys, erhielt mit 22 Jahren das längste Strafmass. Beiden warf die Justiz eine «aufrührerische Verschwörung» vor. Tarrio wurde von Trump vollumfänglich begnadigt und noch am Montag aus dem Gefängnis entlassen.
Trump bezeichnete die Capitol-Stürmer gerne als «Geiseln», «Patrioten» oder «politische Gefangene». Seine Anordnung beende nun eine «schlimme nationale Ungerechtigkeit gegen das amerikanischen Volk», erklärte der Präsident am Montag. Gleichzeitig beschimpfte er den Sonderermittler Jack Smith, der ihn wegen seinem «Putschversuch» gegen das Wahlresultat 2020 angeklagt hatte, erneut als «geistesgestört». Die ehemalige republikanische Abgeordnete Liz Cheney nannte er eine «Wahnsinnige». Cheney war eine treibende Kraft der parlamentarischen Untersuchungen zum Sturm auf das Capitol.
Trump sprach am Montag zwar nicht davon, sich an seinen politischen Gegnern rächen zu wollen. Doch in einer Verordnung wies er alle Behörden an, sämtliche Unterlagen zu politischen Verfolgungen unter der Biden-Regierung zu sichern. Es gehe darum, jeglichen Machtmissbrauch offen zu legen, sagte Trump.
Ein Wahlversprechen löste Trump am Montag indes noch nicht ein. Er verzichtete vorerst darauf, höhere Zölle gegen ausländische Handelspartner zu erheben. Er kündigte im Falle von Kanada und Mexiko aber an, dies bereits per 1. Februar zu erwägen.
Dafür ordnete der Präsident auch sprachliche Neuerungen an, die er im Wahlkampf zuvor nie erwähnt hatte. Zum einen soll der Golf von Mexiko nun künftig Golf von Amerika heissen. Zum anderen verfügte Trump, dass der höchste Berg der USA wieder Mount McKinley heissen soll. Barack Obama hatte den Berg 2015 in Denali umgetauft – wie ihn die Indigenen in Alaska in ihrer Sprache traditionell bezeichneten. Nun soll er nach Trumps Willen wieder den Namen des ehemaligen amerikanischen Präsidenten William McKinley tragen.