Donald Trump will den TV-Moderator Pete Hegseth zum Verteidigungsminister machen. Trotz einer langen Liste von Vorwürfen: mögliche Alkoholprobleme, ein sexueller Übergriff, Missmanagement. Bei einer hitzigen Anhörung im Senat musste er sich nun kritischen Fragen stellen.
Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren hatte sich bereits vor der Anhörung im Verteidigungsausschuss am Dienstag eine klare Meinung über Pete Hegseth gemacht: «Er ist der unqualifizierteste Kandidat für das Amt des Verteidigungsministers in der amerikanischen Geschichte», sagte sie dem «New Yorker». Gleich zu Beginn des Hearings wurde indes deutlich, dass die republikanischen Senatoren diese Ansicht nicht teilen. Und je länger die Befragung andauerte, desto mehr verdeutlichte sich: Der Veteran und konservative TV-Moderator ist zumindest einer der polarisierendsten Anwärter auf diesen mächtigen Posten.
Der republikanische Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Roger Wicker, schilderte den Zustand des Pentagons in seiner Einführung mit düsteren Worten. Die Welt befinde sich in «grösster Gefahr», da Diktaturen wie China, Russland und Iran eine «Achse von Aggressoren» bildeten. Doch das Verteidigungsministerium sei «nicht mehr bereit für einen Wettbewerb der Grossmächte». Die wichtigsten Waffenprogramme wiesen eine grosse Verzögerung auf, die USA bauten nicht genügend Schiffe, die Bürokratie sei aufgeblasen, und es brauche dringend eine Rechnungsprüfung. Eine «risikoscheue Kultur» habe sich breitgemacht.
Von «exzellent» bis völlig ungeeignet
In dieser Situation könne Hegseth eine «exzellente Wahl» sein, meinte Wicker. «Er ist ein unkonventioneller Kandidat», räumte der Senator aus Mississippi ein. Er verglich den 44-Jährigen aber sogleich mit Donald Trump. Hegseth sei eben ein solch ungewöhnlicher Kandidat, «wie der New Yorker Immobilienentwickler, der 2015 die Rolltreppe hinunterfuhr, um seine Kandidatur anzukündigen». Hegseth sei ein dekorierter Veteran, der im Irak und in Afghanistan gedient habe. Er werde das Pentagon mit einer neuen Kampfmoral – einem «warrior ethos» – beseelen und die Bürokratie mit frischen Ideen aufrütteln. Hegseth sei ein Anführer bis ins Mark: «Leute wie Pete werden nicht in Washington geformt, sondern im Kampfeinsatz.»
Der demokratische Vorsitzende der Minderheitspartei im Verteidigungsausschuss, Senator Jack Reed, vertrat hingegen eine gegenteilige Meinung. Er erinnerte Hegseth, der in seiner Karriere nur kleinere Veteranenorganisationen geführt hat, daran, dass er für einen Apparat mit rund 3,5 Millionen Angestellten und ein Budget von fast 900 Milliarden Dollar verantwortlich sein wird. Diese Aufgabe verlange einen Anführer mit beispielloser Erfahrung, Weisheit und vor allem Charakter. Der Verteidigungsminister müsse zudem fair und unparteiisch sein: «Herr Hegseth, ich glaube nicht, dass Ihre Qualifikationen ausreichen.»
Die amerikanischen Medien berichteten in den vergangenen Wochen über frühere Arbeitskollegen, die Hegseth unter anderem ein Alkoholproblem und finanzielles Missmanagement vorwarfen. Der dreifach geschiedene Familienvater gab zu, früher in seinen Beziehungen ein «Serienbetrüger» gewesen zu sein. Gleichzeitig stritt er jedoch den Vorwurf einer Vergewaltigung in einem Hotel 2017 kategorisch ab. Alles sei einvernehmlich verlaufen. Senator Reed nannte die Berichte trotzdem «extrem alarmierend».
Der demokratische Senator kritisierte indes auch die Bücher, die Hegseth in den vergangenen Jahren geschrieben hat. Darin stellt dieser unter anderem das humanitäre Völkerrecht infrage und meint, dass die USA ihre Kriege besser nach ihren «eigenen Regeln» führen sollten. Reed wollte deshalb wissen: «Wie wollen Sie für Ordnung und Disziplin in unseren Streitkräften sorgen und unsere Verbündeten unterstützen, indem Sie das internationale Kriegsrecht ablehnen?»
«Linke Offiziere» erhalten Drohbriefe
In Hegseths Augen ist das amerikanische Militär zu «woke» und verweichlicht geworden. Er zweifelte unter anderem an dem Sinn von Frauen in Kampfeinsätzen oder daran, dass Homosexuelle ab 2011 offen dienen konnten. In einem seiner Bücher empfahl er deshalb, alle Generäle zu entlassen, die unter Barack Obama und Joe Biden geholfen hätten, die Streitkräfte gemäss ihrer linken Agenda auf verfassungswidrige Weise zu «transformieren». Aktive Armeeangehörige würden deshalb bereits einschüchternde E-Mails erhalten, erzählte Senator Reed. Er zitierte dabei aus einem dieser Schreiben: «Da die neue Regierung beabsichtigt, illoyale, korrupte, verräterische, linke Offiziere wie Sie zu entfernen, werden wir Ihren Namen bestimmt auch auf diese Liste setzen.»
Seine Bücher und sein privates Verhalten würden ihn für jegliche Führungsfunktion innerhalb des Militärs disqualifizieren, resümierte Reed. Hegseth selbst wich derweil kritischen Fragen immer wieder aus. Unter anderem wollte er nicht garantieren, dass er sich einem Befehl Trumps widersetzen würde, auf Demonstranten schiessen zu lassen oder in Grönland einzumarschieren. Die Vorwürfe über private Verfehlungen bezeichnete er als «koordinierte Schmutzkampagne» linker Medien. Wie Trump verspreche auch er einen Wandel, und davor hätten viele Angst. Das Amt des Verteidigungsministers sei «der Einsatz meines Lebens». Er sei kein perfekter Mensch, gab Hegseth zu. Aber sein Glaube und Jennifer – seine dritte Frau – hätten aus ihm eine andere Person gemacht: «Ich wurde durch Gottes Gnade, Jesus und Jenny gerettet.»
Am Ende der mehrstündigen Anhörung entstand der Eindruck, dass die Republikaner Trumps umstrittenen Wunschkandidaten für das Amt des Verteidigungsministers unterstützen werden. Und dies ist letztlich entscheidend. Die Konservativen verfügen im Verteidigungsausschuss und insgesamt im Senat über eine Mehrheit. Bei der finalen Abstimmung im Plenum darf Hegseth zwar nicht mehr als drei republikanische Stimmen verlieren. Aber selbst die Senatorin Joni Ernst, die sich im Dezember noch wankelmütig zeigte, schien sich nun mit Hegseth abzufinden. Dieser musste der Veteranin aber vor allem zwei Dinge versprechen: Einerseits sollten Frauen weiter in Kampfeinheiten dienen dürfen, wenn sie die notwendigen physischen Voraussetzungen erfüllen. Andrerseits gelobte Hegseth, einen hohen Beamten zu ernennen, der sich für die Prävention und Nachverfolgung sexueller Übergriffe in den Streitkräften einsetzen soll.
Die Zweifel an Hegseth in den Reihen der republikanischen Senatoren sind allerdings nicht ganz von selbst kleiner geworden. Eine auch von Trump-Beratern orchestrierte Kampagne mit teuren Werbevideos für Hegseth, aber auch mit Drohungen gegen seine Kritiker und mögliche Zeugen seiner privaten Verfehlungen zeigten Wirkung. Republikanische Senatoren, die nicht für Hegseth stimmen sollten, müssen bei ihrer nächsten Wahl mit einem vom Trump-Lager finanzierten Gegenkandidaten rechnen.
Offenkundig will Trump um jeden Preis verhindern, dass Hegseth ähnlich wie zuvor sein designierter Justizminister Matt Gaetz seine Kandidatur zurückziehen muss. Denn dies könnte auch den Druck auf weitere umstrittene Regierungsanwärter wie die nominierte Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard, den als Gesundheitsminister vorgesehenen Robert F. Kennedy junior oder den designierten FBI-Direktor Kash Patel erhöhen. Scheitert Hegseth droht Trump ein Domino-Effekt. Deshalb ist ihm seine Personalie umso wichtiger.