Die Taliban liessen Ende März zwei Amerikaner frei, dafür strich Washington das Kopfgeld auf den Innenminister. Plötzlich schien eine grundlegende Wende denkbar. Doch so leicht wird es mit den Taliban keine Einigung geben.

Ein Foto eines amerikanischen Militärflugzeugs bei der Landung auf der afghanischen Luftwaffenbasis Bagram hat Anfang April wilde Spekulationen ausgelöst. Medien berichteten, an Bord der Transportmaschine vom Typ C-17 seien Soldaten und Fahrzeuge sowie der CIA-Vizedirektor Michael Ellis gewesen. Einige Medien wussten gar zu berichten, dass die Taliban den Amerikanern heimlich die Kontrolle über den Flughafen bei Kabul übergeben hätten, der geostrategisch günstig in der Nähe zu China gelegen ist.

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Es wäre eine spektakuläre Wendung, würden die Taliban den wichtigsten Luftwaffenstützpunkt in Afghanistan den USA überlassen. Eine gewisse Plausibilität verlieh den Berichten, dass die Taliban drei Wochen zuvor den Amerikaner George Glezmann freigelassen hatten. Er war Ende 2022 auf einer Reise von den Taliban unter Spionageverdacht festgenommen worden. Die USA nannten die von Katar vermittelte Freilassung einen «positiven und konstruktiven Schritt».

Zur Übergabe von Glezmann flog neben Trumps Geiselbeauftragtem Adam Boehler auch der frühere Afghanistan-Sondergesandte Zalmay Khalilzad nach Kabul. Es war das erste Mal seit dem schmachvollen Abzug der Amerikaner im August 2021, dass eine offizielle Delegation nach Kabul reiste. Nur gut eine Woche später liessen die Taliban auch die Amerikanerin Faye Hall ausreisen, die sie im Februar zusammen mit einem älteren britischen Paar festgenommen hatten.

Einem Faktencheck hielten die Berichte nicht stand

Im Gegenzug für die Freilassung von Glezmann hoben die USA ihr Kopfgeld auf den Innenminister Sirajuddin Haqqani und zwei weitere Taliban-Vertreter auf. Die USA hatten es wegen Haqqanis Beteiligung an mehreren Anschlägen verhängt. Als die Taliban dann Ende März auch noch vor der amerikanischen Botschaft in Kabul eine Mauer entfernten, auf die sie nach ihrem Sieg 2021 das islamische Glaubensbekenntnis geschrieben hatten, sahen dies einige Medien als Zeichen, dass eine Wiedereröffnung der seit 2021 unbesetzten Botschaft kurz bevorstehe.

Vor diesem Hintergrund wirkte es plötzlich vorstellbar, dass die Amerikaner nach Bagram zurückgekehrt seien. Allerdings dementierten die Taliban die Berichte über eine Übergabe der Basis umgehend. Und das Pentagon bestritt, dass sich Truppen in Bagram befänden; die CIA dementierte, dass ihr Vize nach Afghanistan gereist sei.

Ein Faktencheck der Nachrichtenagentur AFP ergab, dass die Bilder der C-17 bei der Landung in Bagram von Juli 2021 stammten – also von vor dem Abzug der Amerikaner aus Afghanistan. Laut dem Faktencheck wurde die Nachricht über den Besuch von Ellis von einem wenig vertrauenswürdigen Blog in die Welt gesetzt, bevor die afghanische Website Khaama Press und andere Medien sie aufgriffen.

Trump hätte die Kontrolle über Bagram gerne zurück

Tatsächlich gibt es keinen Beleg, dass der CIA-Vize Ellis nach Kabul gereist ist oder dass amerikanische Truppen nach Bagram zurückgekehrt sind. Offenbar haben hier einige Medien Wunsch und Wirklichkeit vermischt. Der amerikanische Präsident Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt wiederholt sein Bedauern darüber geäussert, dass die USA bei ihrem Abzug aus Afghanistan 2021 auch die Basis in Bagram aufgegeben haben. So sagte Trump bei der ersten Sitzung seines Kabinetts im Februar, wäre es nach ihm gegangen, hätten sie die Luftwaffenbasis behalten.

Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump mit den Taliban das Doha-Abkommen geschlossen. Die Vereinbarung vom 29. Februar 2020 verpflichtete die USA zum Abzug aller Truppen aus Afghanistan bis Mai 2021. Als Joe Biden im Januar 2021 Präsident wurde, verschob er zwar das Datum des Abzugs, hielt aber grundsätzlich daran fest. Zudem entschied er sich entgegen der Empfehlung mancher Militärexperten, sämtliche Truppen abzuziehen.

Trump behauptete nun, wäre er damals noch Präsident gewesen, hätte er Bagram niemals aufgegeben. Schliesslich sei die Luftwaffenbasis nur eine Stunde von China und den chinesischen Atomwaffen entfernt. Allerdings wäre es militärisch kaum vorstellbar gewesen, Bagram zu halten, nachdem der Rest des Landes an die Taliban gefallen war.

Die zurückgelassenen Waffen sorgen für Unruhe

Die Amerikaner liessen bei ihrem Abzug auch grosse Mengen Waffen, Fahrzeuge, Helikopter und Flugzeuge zurück, die 2021 nach dem Kollaps der prowestlichen Regierung von Präsident Ashraf Ghani den Taliban in die Hände fielen. Zum Ärger der Amerikaner führen die Taliban die erbeuteten Fahrzeuge und Helikopter seither bei ihrer jährlichen Parade zur Feier des Sieges vor.

Trump sagte bei der Kabinettssitzung im Februar, er hätte an Bidens Stelle dafür gesorgt, dass die Armee bei ihrem Abzug ihre militärische Ausrüstung mitnehme. Der Präsident beklagte, dass die Waffen nun auf dem internationalen Markt verkauft würden. Tatsächlich sind viele der Waffen auf dem Schwarzmarkt gelandet. So sollen M4-Sturmgewehre an die antiindische Terrorgruppe Lashkar-e Toiba gegangen sein.

Es wird auch vermutet, dass die Taliban einen Teil der Waffen an die islamistische Rebellengruppe Tehreek-e Taliban Pakistan abgetreten haben. Dies ist auch ein Problem für Islamabad. Denn die Gruppe hat seit dem Sieg der Taliban in Afghanistan ihren Kampf gegen den pakistanischen Staat ausgeweitet. Die Regierung hätte daher ein Interesse daran, dass die USA ihre zurückgelassene Militärausrüstung zurückerhalten. Es ist allerdings unklar, wie dies geschehen könnte.

Die Taliban sind gewiefte Verhandlungspartner

Der Forscher Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network glaubt nicht, dass Trump die Taliban zur Rückgabe der Waffen oder zur Abtretung von Bagram bewegen kann. «Ausser diplomatischer Anerkennung und der Aufhebung von Sanktionen haben die USA den Taliban wenig anzubieten. Die Taliban fühlen sich daher im Vorteil», sagt Ruttig, der seit Jahrzehnten zu Afghanistan forscht. «Trump könnte sich an den Taliban die Zähne ausbeissen. Wenn jemand ein Meister des Deals ist, dann die Taliban.»

Für die USA würde es zwar tatsächlich praktische militärische Vorteile bieten, wenn sie den Flughafen in Bagram wieder kontrollierten, sagt Ruttig. Mit einer Übergabe des Luftwaffenstützpunkts an die USA würden die Taliban aber ihrem Verbündeten China in den Rücken fallen. Auch wäre es ihren Anhängern nur schwer vermittelbar, wenn die Taliban ihre alten Feinde zurück ins Land liessen.

Sind die Spekulationen über eine Annäherung zwischen den USA und den Taliban also nur heisse Luft? Nicht ganz. Tatsächlich scheint unter Trump Bewegung in das Verhältnis gekommen zu sein. Die Freilassung von Glezmann und Hall sowie die Aufhebung des Kopfgelds auf Haqqani sind als Gesten des guten Willens zu lesen. Allerdings haben sich die Taliban als gewiefte Verhandlungspartner erwiesen. Meldungen über einen spektakulären Kurswechsel gegenüber den USA sind daher mit Vorsicht zu betrachten.

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