Dienstag, April 15

In der Nacht auf Samstag haben die USA kürzlich eingeführte Zölle auf Elektronikartikel gleich wieder abgeschafft. Die Branche ist erleichtert, Trumps Gegner wittern Günstlingswirtschaft.

Donald Trump hat im Zollkrieg mit China einen ersten Schritt zurück gemacht. In der Nacht auf Samstag hat er «reziproke» Strafzölle auf zahlreiche Elektronikgüter bis auf weiteres ausgesetzt. Die Erleichterung betrifft vor allem Einfuhren aus China, weil die Vereinigten Staaten allen anderen Handelspartnern schon zuvor Zollerleichterungen gewährt haben.

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Wer Smartphones, Laptops oder Fernseher aus China importiert, muss fortan nicht mehr die abschreckend hohen Einfuhrabgaben von 145 Prozent bezahlen, die Trump im eskalierenden Handelsstreit mit Peking verhängt hat. 2024 importierten die USA rund 100 Milliarden Dollar an Elektronikgütern, die nun von Zöllen befreit werden, aus China. Bei Gesamtimporten von 439 Milliarden Dollar fällt das ins Gewicht.

Die Konsumenten atmen auf

Dennoch hängt die amerikanische Regierung ihre Entspannungspolitik nicht an die grosse Glocke. Die Ankündigung erfolgte in der Nacht auf Samstag nicht auf dem Truth-Social-Account des Präsidenten, sondern in einer technisch anmutenden Anleitung der Zollbehörde. Trump selbst hat noch nicht genauer erklärt, was ihn zum Umdenken bewegt hat.

Komplett überraschend kommen die Ausnahmen für Elektronikartikel indes nicht. Trump hatte in den vergangenen Tagen mehrfach Andeutungen gemacht, dass einzelne Güterkategorien von seinen Zöllen verschont werden könnten.

Politische Überlegungen könnten eine Rolle gespielt haben: Trumps radikale Zollpolitik ist beim Wahlvolk nicht besonders beliebt. Umfragen zeigen, dass sich die Amerikanerinnen und Amerikaner vor einem Wirtschaftseinbruch fürchten und stark steigende Preise erwarten. Ökonomen weisen schon lange darauf hin, dass die enorm hohen Zölle die Teuerung in den USA anheizen würden. Das würde Trump politisch schaden, weil er den Amerikanern im Wahlkampf 2024 sinkende Preise und eine starke Wirtschaft versprochen hat. Und nun rechneten die Medien vor, dass iPhones bald 2000 oder gar 3500 Dollar kosten könnten.

In seinen ersten Amtsmonaten hat Trump versucht, sämtliche schlechten Wirtschaftsdaten seinem Vorgänger Joe Biden in die Schuhe zu schieben, während er sich positive Nachrichten – zuletzt am Donnerstag eine sinkende Inflationsrate – selbst ans Revers heftet.

Doch schon am Mittwoch, als Trump die weitreichenden «reziproken» Zölle für alle Handelspartner ausser China für 90 Tage ausser Kraft gesetzt hat, zeigte sich, dass der Präsident empfindlich auf schlechte Wirtschaftsdaten reagiert. Damals war er wegen steigender Renditen für amerikanische Staatsanleihen unter Druck geraten. Diese Entwicklung deutete auf einen weltweiten Vertrauensverlust der Finanzmärkte gegenüber den Vereinigten Staaten hin.

Der Anleihenmarkt hat sich seither stabilisiert, allerdings fordern die Investoren immer noch hohe Renditen auf amerikanische Schuldpapiere. Daraus resultieren hohe Schuldzinsen, was wiederum Trumps Spielraum bei der Budgetpolitik und den weitreichenden Steuersenkungen verringert, die er versprochen hat.

Prominente Profiteure

Von der Ausnahmeregelung werden zahlreiche amerikanische und asiatische Technologieunternehmen profitieren, beispielsweise Samsung, Microsoft oder Dell. Der grösste Nutzniesser ist vermutlich Apple. Der iPhone-Konzern produziert einen Grossteil seiner Produkte in China und würde Jahre brauchen, seine ausgeklügelten Lieferketten in Indien oder Vietnam zu replizieren; geschweige denn in den USA selbst. Die Aktien des Technologiekonzerns aus Cupertino litten gehörig unter den immer höheren Zöllen, die Trump seit Anfang April gegen China eingeführt hat.

Es ist denkbar, dass der Präsident mit den neuesten Ausnahmeregelungen auch seinen Verbündeten entgegenkommen will. Der Apple-Chef Tim Cook gilt als eigentlicher Trump-Versteher. Bereits in der ersten Amtszeit des Republikaners – als Trump schon einmal Zölle auf chinesische Güter eingeführt hatte – war es Cook gelungen, Apple eine Ausnahmegenehmigung für zollfreie Importe aus China zu sichern.

Cook hat seine Beziehung zum Republikaner aufrechterhalten. Er reiste im Frühjahr für ein Nachtessen nach Mar-a-Lago, spendete eine Million Dollar für Trumps Inaugurationsfeier und wohnte dieser auf einem Ehrenplatz bei. Zudem kündigte Apple eine aberwitzige Summe von 500 Milliarden Dollar an Investitionen in den USA an, was der Präsident gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Folge des «Trump-Effekts» und somit als persönlichen Sieg verbuchen konnte.

Geharnischte Reaktionen

Wenig überraschend begrüssen Industrievertreter die Ausnahmeregelung – und die zumindest leichte Entspannung im Handelsstreit zwischen Washington und Peking. «Technologieunternehmen, Analysten und Investoren sind erleichtert und hoffen auf eine Rückkehr zur Normalität», sagt Adam Thierer von der Denkfabrik R Street Institute dem «Wall Street Journal». Die Branche hatte Trump gewarnt, dass die Zölle die amerikanische Vorherrschaft bei gewissen Spitzentechnologien gefährden könnten – genau das Gegenteil von dem, was sich der 78-Jährige von seiner Handelspolitik verspricht.

Allerdings bleibt die Unsicherheit gross. Trump hat unabhängig von den «reziproken» Zöllen nämlich auch spezifische Einfuhrabgaben etwa auf Computerchips in der Höhe von 25 Prozent angekündigt.

Die oppositionellen Demokraten bemängeln derweil den selektiven Charakter der Ausnahmen. Chris Murphy, Senator aus Connecticut, kritisierte diese auf der Nachrichtenplattform X heftig: Es handle sich um nichts anderes als Korruption. «Wenn du Geld und Lobbyisten hast, kannst du eine Ausnahme von den Zöllen erhalten. Wenn du ein Kleinunternehmer bist oder eine Branche, die Trump nicht bezahlt, bist du aufgeschmissen.»

Ob sich die Strategie der Demokraten auszahlt, Trump als käuflichen Diener der Grossunternehmen darzustellen, ist offen. KMU haben in den Vereinigten Staaten zwar einen Sympathiebonus, während die Bevölkerung zu ihren Grossunternehmen schon immer ein gespaltenes Verhältnis hat. Die Republikaner versuchen aber ihrerseits, sich als die wahren Vertreter der «Main Street» zu präsentieren. Der Präsident hat zahlreiche Arbeiter mit der Botschaft für sich gewonnen, Amerika zu reindustrialisieren; auch manche Gewerkschaften unterstützen seine radikale Zollstrategie.

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