Samstag, Februar 22

Es geht um mehr als Zölle: Die Vorzeigebranche ist auf viele Arten verwundbar. Eine Produktion in den USA ist kein vollständiger Schutz.

Die Medizintechnik ist eine Schweizer Erfolgsgeschichte. Weltweit ist die hochwertige Ausrüstung für Ärzte und Patienten gefragt, von der künstlichen Hüfte über das Hörgerät bis zum Scanner, der das Gebiss ausmisst. Rund 1400 Unternehmen zählt die Branche hierzulande – doch die Gedanken der Chefs dürften in diesen Tagen nach Washington wandern: Es drohen amerikanische Zölle.

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Präsident Donald Trump hat in dieser Woche bekräftigt, bald einen Zoll von 25 Prozent auf die Einfuhr von Medikamenten zu erheben – ungeachtet der möglichen Konsequenzen für die Gesundheit der Amerikaner. Es wäre also auch ein Zoll auf den Import von Medizintechnik denkbar. Das würde die Firmen treffen, denn kein anderes Land importiert so viel Schweizer Medtech wie die USA.

Die Schweiz bietet Trump Angriffsfläche

Das Problem: Die Vereinigten Staaten führen 55 Prozent mehr Medtech aus der Schweiz ein, als sie dorthin exportieren. Nach Trumps simpler Logik von Handelsbeziehungen könnte dieses Ungleichgewicht ein Missstand sein. Für die Branche geht es um viel. Im Jahr 2023 beliefen sich die Exporte in die USA auf 2,8 Milliarden Franken. Das ist fast ein Viertel aller Medtech-Ausfuhren und etwa halb so viel, wie die Unternehmen in den EU-Block verkaufen.

Um etwaigen Zöllen auszuweichen, ist entscheidend, ob die Firmen schon in den USA produzieren. Die gute Nachricht: Viele global tätige Schweizer Medizintechniker tun das, wie der Branchenverband Swiss Medtech mitteilt. Kleine und mittlere Firmen, die noch keine Standorte haben, könnten nun ihre Pläne konkretisieren. Das hat potenzielle Folgen: Schweizer Zulieferer würden leer ausgehen, wenn die Firmen sich in den USA auch amerikanische Lieferanten suchten.

Die Riesen der Branche tun sich leichter mit Zöllen. «Wir sind darauf vorbereitet», sagte am Mittwoch Guillaume Daniellot, Chef des Zahnimplantate-Herstellers Straumann. Der Konzern mit einem letztjährigen Umsatz von 2,5 Milliarden Franken stellt die meisten der Premium-Implantate für die USA auch ebendort her. Ein Teil der günstigeren Implantate kommt aus Brasilien, aber wie Daniellot betont, machen die Materialkosten für das Implantat nur einen kleinen Teil der Kosten für die Behandlung beim Zahnarzt aus. Die Patienten würden also nur wenig mehr zahlen, falls ein Zoll auf den Preis aufgeschlagen würde.

Wehe, wenn Amerikaner sparen

Auch tun sich Patienten schwer, eine notwendige Zahnoperation aufzuschieben. Leichter fällt es ihnen dort, wo sie mehr Spielraum haben: bei rein kosmetischen Behandlungen. Hier spielt die Kauflaune der Konsumenten eine grosse Rolle. In den USA war sie jüngst eher mau: Obwohl Nordamerika mit einem Umsatzanteil von 28 Prozent nach Europa der zweitwichtigste Markt für Straumann ist, wuchs der Erlös dort im vergangenen Jahr am langsamsten – nämlich nur um knapp 4 Prozent.

Das war den schleppenden Verkäufen von transparenten Zahnspangen (Aligners) geschuldet. Daniellot hofft, dass die Amerikaner 2025 ausgabefreudiger werden. Einige hätten diese Behandlungen nun schon eine Weile aufgeschoben, sagte er. Für den Basler Konzern ist dieser Markt wichtig, weil er bei den Top-Implantaten eine dominierende Stellung hat. Bei Aligners sieht Straumann hingegen grosses Potenzial für Wachstum.

Straumann produziert alle Aligners für die USA in den USA. Dennoch gibt es ein Trump-Risiko: Wenn der Präsident Zölle auf viele verschiedene Produkte einführt, die daraufhin teurer werden und die Inflation anheizen, dann könnten die Kunden sich abermals mit nicht zwingend nötigen Ausgaben zurückhalten.

Weniger Geld für Veteranen wäre schlecht für Sonova

Wenn die Amerikaner wegen Trumps Zoll-Gewitter mehr auf den Geldbeutel achten müssen, könnte das auch Sonova spüren. Der führende Hersteller von Premium-Hörgeräten expandiert mit der Marke Sennheiser ebenfalls in Anwendungen ausserhalb des medizinischen Bereichs. Etwa mit Kopfhörern oder einer Hörhilfe, welche Kunden in den USA direkt im Handel und ohne fachliche Hilfe erwerben können. Wie bei Straumann tat sich dieses Consumer-Geschäft jüngst ebenfalls schwer, ganz ohne Trump.

Doch es gibt noch andere Wege, auf denen der neue Präsident Unruhe stiften kann: Sonova erwirtschaftete in den USA von April bis Ende September 2024 fast einen Drittel des Gesamtumsatzes von 1,8 Milliarden Franken. Eine grosse Rolle spielt dort die Versorgung von Veteranen der Armee mit Hörgeräten. Den Einkauf übernimmt das Department of Veterans Affairs, und Sonova ist sein wichtigster Lieferant.

Der grösste Käufer von Hörgeräten in den USA ist also eine Behörde – und weil Trump die öffentlichen Haushalte rigoros durchforsten lässt, könnte Druck auf die Preise drohen. Ähnliche Fragen stellen sich bei anderen Gesundheitsausgaben, die öffentlich bezahlt werden.

Doch auch die Zölle können Sonova direkt treffen. Der Konzern hat in den USA zwar eine Produktion für Hörimplantate, aber nicht für Hörgeräte. Diese ist in der Schweiz und in Asien angesiedelt, auch in China. Sonova will nicht spekulieren, wie sich Zölle auf die Lieferkette auswirken könnten. Zur Versorgung der USA hat der Konzern erst vor einem Jahr auch ein Hörgeräte-Werk in Mexiko eröffnet. Trump hat das Land bereits ins Visier genommen. Das Werk sei allerdings auf Reparaturen spezialisiert und generiere begrenzte Wertschöpfung, heisst es von Sonova.

Die Schweiz könnte einen Deal anbieten

Was Trump besänftigen könnte: Die Schweiz importiert inzwischen mehr amerikanische Medizintechnik als früher. Ihr Handelsüberschuss ist von 1,4 Milliarden Franken im Jahr 2017 auf 1,1 Milliarden im Jahr 2023 gesunken. Ausserdem könnte der Import noch erleichtert werden: Die Branche wünscht sich schon lange, dass hierzulande auch Medizintechnik verkauft werden darf, die nur in den USA zugelassen wurde.

Das ist ein Wunsch, der ursprünglich mit der EU zu tun hat. Dort erzeugt eine neue Regulierung von Medizintechnik so viel Bürokratie, dass Produkte nur sehr langwierig und teuer zugelassen werden können. In den USA ist es einfacher. Doch die Schweiz erkennt bis jetzt nur die EU-Bewilligungen automatisch an.

Swiss Medtech kämpft schon lange dafür, dass die Schweiz auch Zulassungen der Food and Drug Administration (FDA) gelten lässt. Der Verband fordert den Bundesrat zum Handeln auf. Die Anerkennung wäre ein entscheidender Schritt für den Dialog mit den US-Behörden, argumentiert er. Anders formuliert: ein Signal für einen Deal.

Am Ende bleibt die Hoffnung. In seiner ersten Amtszeit hat Trump die Medtech-Branche auch mit Zöllen verschont. Aber damals wirkte er rationaler.

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