Samstag, April 12

Trump hat den Chef des grössten Geheimdienstes entlassen, ohne einen Grund anzugeben. Die neuen Prioritäten der amerikanischen Nachrichtendienste warfen bereits zuvor Fragen auf.

Die NSA ist der grösste amerikanische Geheimdienst und bekannt für seine beinahe weltweite Überwachung der elektronischen Kommunikation. Diese Besonderheit macht die NSA zu einem wertvollen Partner für westliche Staaten: Dank Informationen der USA lassen sich russische Sabotageaktionen oder islamistische Terroranschläge verhindern.

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Doch seit Amtsantritt von Präsident Donald Trump leidet das Vertrauen in die amerikanischen Nachrichtendienste. Zuletzt hat Trump vor wenigen Tagen den Chef der NSA, Timothy Haugh, entlassen und dessen Stellvertreterin versetzt. Das war ein aussergewöhnlicher Schritt. Normalerweise bleibt der NSA-Chef auch unter einem neuen Präsidenten im Amt, und Haugh hatte den Posten nur gerade 14 Monate inne.

Rasch kam der Verdacht auf, dass politische Motive hinter der Entlassung stehen. Eine offizielle Begründung lieferte das Weisse Haus nicht. Das sorgte für Kritik, nicht nur von demokratischen, sondern auch von republikanischen Kongressabgeordneten.

Der Posten des NSA-Direktors wird von einem Militär bekleidet und gilt als unpolitisch. Die Unabhängigkeit des Geheimdienstes ist wichtig. Nur wenn keine parteipolitische Agenda hinter der Einschätzung vermutet wird, ist die NSA glaubwürdig. Nun wird sich bei Haughs Nachfolger zeigen, ob diese Unabhängigkeit weiterhin gewährleistet ist.

Bereits die Ernennung von Tulsi Gabbard zur Direktorin für die nationalen Geheimdienste im November sorgte für Kritik. Gabbard fehlte nicht nur ein nachrichtendienstlicher Hintergrund, sie zeigte in der Vergangenheit auch eine grosse Nähe zu russischen Positionen.

Russland und China sind nicht mehr grösste Bedrohung

Die neue Regierung ist daran, die Prioritäten der amerikanischen Geheimdienste zu ändern. Im März gab es Medienberichte, dass die USA weniger intensiv gegen russische Cyberangriffe vorgehen würden. Koordinierte Anstrengungen, die Sabotageaktionen des Kremls in Europa zu bekämpfen, haben die Sicherheitsbehörden beendet.

Der neue Fokus zeigt sich auch im jährlichen Bericht zur Bedrohungslage, den das Büro der Geheimdienstkoordinatorin Gabbard Ende März publiziert hat. Als grösste nationale Bedrohung gelten nun die internationalen Drogenkartelle, welche Fentanyl und andere Opioide in die USA schmuggeln. China und Russland – in früheren Jahren als grösste Herausforderung für die USA beschrieben – folgen erst weiter hinten.

Das Vertrauen in die amerikanischen Nachrichtendienste kann zusätzlich darunter leiden, dass Regierungsmitglieder und hohe Beamte nachlässig mit vertraulichen und sicherheitsrelevanten Informationen umgegangen sind. Der Sicherheitsberater Mike Waltz tauschte sich über die Smartphone-App Signal unter anderem mit dem Verteidigungsminister und dem CIA-Chef zum bevorstehenden Luftangriff auf Huthi-Rebellen in Jemen aus. Zu weiteren Themen, etwa zur Ukraine, soll es ebenfalls Chat-Gruppen auf Signal gegeben haben.

Amerikanische Verbündete verärgerte insbesondere, dass der amerikanische Verteidigungsminister Pete Hegseth im Signal-Chat Informationen verbreitet hatte, die von einem israelischen Spion in Jemen stammten. Israel hatte die Angaben mit den USA geteilt. Dass sie schliesslich an die Öffentlichkeit gelangten, hat laut Medienberichten israelische Beamte erzürnt.

Es ist anzunehmen, dass solche heiklen Informationen tatsächlich in die Hände fremder Geheimdienste gerieten. Mehrere Teilnehmer der Signal-Gruppe hatten für die Unterhaltung ein privates Mobiltelefon verwendet. Diese sind nicht speziell geschützt, weshalb davon auszugehen ist, dass mindestens eines der Telefone von einem ausländischen Geheimdienst gehackt worden war – und Agenten im Chat mitlesen konnten.

Geheimdienst-Allianz könnte zu bröckeln beginnen

Die neue amerikanische Politik kann Auswirkungen auf die Five-Eyes-Allianz haben. Five Eyes ist ein nachrichtendienstlicher Verbund, dem neben den USA auch Grossbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland angehören. Diese fünf Staaten tauschen intensiv Informationen aus der sogenannten Signal Intelligence (Sigint), also der elektronischen Überwachung, aus.

Der Vorfall mit dem Signal-Chat dürfte die Zusammenarbeit innerhalb der Five Eyes nicht längerfristig beeinträchtigen, sagt ein ehemaliger NSA-Mitarbeiter der NZZ. Einzelne Sicherheitsvorfälle könnten überall vorkommen. Entscheidend sei die Frage der künftigen Führung. Dass Trump den NSA-Chef einfach so gefeuert habe, habe das Vertrauen in die USA bestimmt nicht gestärkt.

Doch selbst wenn einige westliche Verbündete sich künftig zurückhalten werden, gewisse Informationen mit den amerikanischen Nachrichtendiensten zu teilen: Ihre Abhängigkeit vom Wissen der USA ist gross. Gerade in den Bereichen Satellitenaufklärung, elektronische Überwachung und Analysefähigkeit können die europäischen Länder nicht mit den USA mithalten.

Trump kann den geheimdienstlichen Austausch auch als Druckmittel einsetzen – und hat es bereits getan. Als der amerikanische Präsident von einer Annexion Kanadas sprach, brachte ein Berater offenbar die Idee auf, Kanada aus der Five-Eyes-Allianz auszuschliessen – um so Druck auszuüben.

Im Fall der Ukraine entzog Trump dem Land nachrichtendienstliche Informationen, um es zu Friedensgesprächen zu bewegen – mit Erfolg. Dass das Vertrauen der Verbündeten in die USA darunter litt, scheint den amerikanischen Präsidenten nicht zu kümmern.

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