Dienstag, Februar 25

Mit ihrer Schmutzkampagne gegen den ukrainischen Präsidenten spielen die USA dem Kreml-Regime in die Hände. Selenski ist kein Hindernis für den Frieden, sondern verkörpert den Unabhängigkeitswillen seines Landes. Das gilt es zu respektieren.

Der Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski steigt mit jedem Tag. Ein Zeichen dafür ist sein überraschendes Angebot, dem Frieden zuliebe auf sein Amt zu verzichten. Ein solcher Schritt steht zwar kaum unmittelbar bevor. Aber Selenski will offensichtlich unterstreichen, dass er sich nicht an seine Macht klammert. Er sieht sich einer zunehmend feindseligen amerikanischen Führung gegenüber, die ihn als Hindernis für den Frieden und als Diktator verunglimpft. Beides ist komplett falsch, aber die Ukraine muss zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht mehr nur mit Desinformation aus Russland konfrontiert ist, sondern auch mit solcher aus dem Weissen Haus.

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Ein Beispiel dafür ist die amerikanische Forderung, die Ukraine müsse Neuwahlen abhalten. Trump bezeichnete Selenski als «Diktator ohne Wahlen» mit einer Popularitätsrate von 4 Prozent, der sich nur dank dem Kriegsrecht an der Macht halte. Kurz zuvor hatte bereits sein Sondergesandter Keith Kellogg Neuwahlen ins Spiel gebracht. Diese sollen bei den russisch-amerikanischen Verhandlungen in Saudiarabien als wichtiges Element des Friedensprozesses identifiziert worden sein. Zugleich lehnen es die USA neuerdings ab, die russische Kriegsschuld klar zu benennen.

Grosserfolg der Russen

Ein Bewohner vom Mars muss den Eindruck erhalten, dass nicht etwa das mörderische Grossmachtstreben des Kremls das zentrale Hindernis für den Frieden in der Ukraine darstellt, sondern deren Präsident, der sich länger als vorgeschrieben im Amt halte. Der Ursprung dieser Sichtweise ist unschwer zu erraten: Russland verbreitet das Propagandabild von der Illegitimität Selenskis seit Monaten. Es dient dem Kremlherrn Putin als Pseudoargument dafür, Selenski als Verhandlungspartner abzulehnen. Dass es in stundenlangen Gesprächen mit Trump und dessen Beratern gelang, diese Meinung in den Köpfen der Amerikaner zu verankern, ist ein Grosserfolg der russischen Desinformationskampagne.

In Wirklichkeit steht die Rechtmässigkeit von Selenskis Präsidentschaft ausser Frage. Gemäss der ukrainischen Gesetzgebung ist es unter dem Kriegsrecht verboten, Wahlen abzuhalten. Die Amtszeit des Präsidenten verlängert sich dann, bis ein regulärer Urnengang wieder möglich ist. Zwar wäre es theoretisch auch in Kriegszeiten möglich, die Gesetzgebung anzupassen – und möglicherweise rächt sich nun, dass man diesen Schritt versäumt hat. Aber die praktischen Schwierigkeiten einer Wahl unter Bedingungen von Krieg und Massenflucht sind erheblich. Selbst die Opposition hält den Moment für verfrüht.

Selenski, der laut der neusten Meinungsumfrage das Vertrauen von 57 Prozent der Bevölkerung geniesst – mehr als Trump in den USA –, ist kein Potentat, der sich mit unlauteren Tricks an der Macht hält. Der Vorwurf klingt umso absurder, als das Weisse Haus nicht das geringste Problem darin sieht, dass Russland unter Putin noch nie demokratische Wahlen abgehalten hat.

Trotzdem hat der Unsinn Methode. Trump erkennt möglicherweise, wie schwach seine Verhandlungsposition gegenüber Russland ist. Für ihn ist es einfacher, die Ukrainer mit Daumenschrauben zu Konzessionen zu zwingen. Ihn empört auch, dass Selenski den amerikanischen Knebelvertrag über die Auslieferung ukrainischer Rohstofferlöse nicht unterzeichnet. Putin wiederum hat das Ziel seines Krieges nie aus den Augen gelassen: Ihm geht es nicht primär um Territorien, sondern um einen Machtwechsel in Kiew. Wenn sich die Amerikaner dafür einspannen lassen, ist dies für ihn umso praktischer.

Ein Friedensprozess ohne Rücksicht auf Kiew

Freie Wahlen werden zwar kein prorussisches Regime in der Ukraine hervorbringen, aber im Minimum kann der Kreml darauf hoffen, dass ein Urnengang die politischen Risse im Land vertieft. Geradezu machiavellistisch ist, was die russische Verhandlungsdelegation in Riad den Amerikanern offenbar schmackhaft gemacht hat: Der Friedensprozess soll als erste Stufe nur einen Waffenstillstand umfassen; danach würden ukrainische Neuwahlen folgen und erst am Schluss die Unterzeichnung eines Friedensvertrags.

Diese Abfolge garantiert, dass die heikelsten Punkte zuletzt ausgehandelt werden – oder für immer ungelöst bleiben. Darunter ist die von Moskau abgelehnte Idee einer westlichen Schutztruppe für die Ukraine. Dagegen müsste Kiew in einem frühen Stadium das Kriegsrecht aufheben, noch während die Zukunft des Landes in der Schwebe hinge. Teile der männlichen Bevölkerung könnten die Wiederöffnung der Grenzen nutzen, um zu emigrieren, bevor der von vielen erwartete nächste Krieg mit Russland beginnt.

Eine Ukraine, die ohne internationale Sicherheitsgarantien dasteht, aus der Nato ausgesperrt bleibt und im Morast von Instabilität und Perspektivlosigkeit versinkt: Das wären aus russischer Sicht die idealen Voraussetzungen dafür, diesen Staat bei der erstbesten Gelegenheit endgültig zu zerschlagen. Noch besteht die Hoffnung, dass Washington diese Risiken erkennt. Aber mit der bereitwilligen Übernahme russischer Propagandalügen und der Anbiederung an den Kreml läuft Trump Gefahr, als selbsternannter Friedensstifter spektakulär zu scheitern.

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