Mittwoch, März 12

Erhalten Sie Geld aus China oder Russland? Stärkt Ihr Projekt patriotische Werte? – Das sind nur zwei von 36 Fragen, die Washington Organisationen im internationalen Genf stellt.

Der Fragebogen, der im internationalen Genf zirkuliert, liest sich wie das politische Programm von Präsident Donald Trump. Adressiert ist er an «Programmpartner» wie NGO und offenbar auch internationale Organisationen der Uno, die amerikanische Gelder erhalten. «Stärkt dieses Projekt die US-Souveränität, indem es die Abhängigkeit von internationalen Organisationen oder globalen Governance-Strukturen reduziert?», will Washington etwa wissen.

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Die Frage erstaunt, schliesslich arbeiten internationale Organisationen (IO) naturgemäss nicht daran, die Abhängigkeit der USA von ihnen zu verringern. Doch es ist bei weitem nicht die einzige Frage dieser Art. Eine weitere lautet: «Können Sie bestätigen, dass ihre Organisation keinerlei Mittel erhalten hat» von China, Russland, Kuba oder Iran?

Auch diese Frage kann wohl keine einzige IO mit Nein beantworten, denn ihre Aufgabe ist es natürlich, möglichst viele Länder der Welt an einen Tisch zu bringen. Bemerkenswert ist auch, dass Gelder aus Russland offenbar unerwünscht sind. Schliesslich ist die US-Regierung im Ukraine-Krieg seit der Rückkehr von Präsident Trump mindestens rhetorisch auf Moskaus Seite gewechselt.

US-Ministerien verschicken offenbar die Fragen

Was genau also hat es mit den insgesamt 36 Fragen auf sich? Als Erster darüber berichtet hat der Genfer Journalist Philippe Mottaz im Newsletter «Hashtag Trump», den er zusammen mit einem Kollegen der Genfer Zeitung «Le Temps» schreibt. Mottaz bestätigt gegenüber der NZZ, er wisse aus sicheren Quellen, dass mehrere internationale Organisationen in Genf den Fragebogen erhalten hätten. Absender sei das jeweils zuständige US-Ministerium – etwa das Aussenministerium bei Projekten der Agentur für internationale Zusammenarbeit USAID.

Ein Uno-Sprecher in Genf hingegen sagte am Dienstagvormittag auf NZZ-Nachfrage, dass seine Organisation keine solche Post erhalten habe. «Aber vielleicht kennen wir das Ausmass nicht.» Auch die Vertreterin der Internationalen Arbeitsorganisation verneinte an jener täglichen Uno-Medienkonferenz die entsprechende Frage, eine Handvoll Vertreter weiterer Organisationen schwieg.

Das Thema ist selbstverständlich heikel, womöglich wollen die Betroffenen vorerst die Öffentlichkeit vermeiden. Im internationalen Genf ist seit Trumps Rückkehr ins Weisse Haus und seiner nationalistischen Antrittsrede bei vielen Akteuren regelrecht Angst zu spüren. Mottaz jedenfalls geht davon aus, dass alle internationalen Organisationen in Genf den amerikanischen Fragebogen erhalten haben.

Cern ist auch im Visier Washingtons

Abwegig erscheint das nicht: Selbst ein Forschungsprojekt am weltgrössten Teilchenbeschleuniger Cern in Genf ist im Visier Washingtons, wie die Zeitung «Tribune de Genève» Anfang März berichtete. Das Projekt von Forschern der Universität Illinois hat nämlich einen pädagogischen Teil: Es soll in Chicago in den Schulunterricht einfliessen, und zwar spezifisch für Kinder aus Minderheiten, die in der Wissenschaft unterrepräsentiert sind. Die Trump-Regierung jedoch streicht Programme für Vielfalt und Minderheitenförderung.

Der Fragebogen, der nun in Genf zirkuliert, erinnert auch stark an den Fragebogen, den Trumps Berater Elon Musk an amerikanische Behörden verschickte. Musk will damit vorgeblich die Effizienz der Behörden steigern und Bürokratie abbauen. Tatsächlich sieht es mancherorts nach Kahlschlag aus.

USAID-Programme werden zu 83 Prozent eingestellt

So hat der amerikanische Aussenminister Marco Rubio am Montag verkündet, 83 Prozent aller USAID-Programme einzustellen. Die verbleibenden Programme sollten direkt dem Ministerium angegliedert werden. Für das Jahr 2025 waren noch unter Ex-Präsident Joe Biden internationale Ausgaben von rund 60 Milliarden US-Dollar vorgesehen, in etwa so viel wie in den Vorjahren.

Damit wird der zunächst als temporär deklarierte Zahlungsstopp der US-Regierung für die allermeisten Partner dauerhaft. Bereits im Februar hatten Schweizer NGO wie Terre des Hommes verkündet, auf jährlich mehrere Millionen Franken amerikanischer Gelder verzichten und Mitarbeiter entlassen zu müssen.

Am Dienstag sagte eine Vertreterin des Kinderhilfswerks Unicef ebenfalls an der täglichen Uno-Medienkonferenz zum Wegfall von US-Geldern: «Der Preis wird mit Kinderleben bezahlt werden.» Zum Beispiel fehlten einem Ernährungsprogramm in Bangladesh ohne neue Geldgeber ab dem Sommer etwa die Hälfte der Mittel.

Klimawandel, Abtreibung, Kommunismus

Ähnliches könnte nun auch weiteren Programmpartnern der USA in Genf drohen. Der Fragebogen adressiert praktisch alle Politikfelder: Haben die Partnerprojekte mit dem Klimawandel oder Abtreibungen zu tun? Stärken sie die Unabhängigkeit der USA in Sachen Energieversorgung und Lieferketten?

Oder auch: «Können Sie bestätigen, dass Ihre Organisation nicht mit Akteuren zusammenarbeitet, die in Verbindung stehen mit kommunistischen, sozialistischen oder totalitären Akteuren, oder mit jedwedem Akteur, der antiamerikanische Ansichten vertritt? [ja/nein]»

Laut dem Journalisten Mottaz haben die angeschriebenen Organisationen bis Ende August Zeit, den Fragebogen zu beantworten.

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