Sonntag, September 8

Jared Kushner plant milliardenschwere Investitionen auf dem Balkan. Dagegen regt sich Widerstand.

Edi Rama sieht keinen Grund, sich zu entschuldigen. «Entschuldigen?!», fragte der albanische Ministerpräsident am Mittwoch auf X. Am Vortag hatte er an einer Pressekonferenz einer Reporterin genervt seine Hand ins Gesicht gedrückt, bevor er davonstapfte. Der Vorfall ist auf einem Video zu sehen, und man hört die Reporterin sagen: «Fassen Sie mich nicht mehr an!» Journalistenverbände verurteilten den Vorgang als unerhörte physische Einschüchterung.

Welche Frage brachte Rama so in Rage?

Die Journalistin wollte Auskunft von Rama zu einem Investitionsvorhaben von Jared Kushner. Der Schwiegersohn des amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump hatte Ende letzter Woche grosse Immobilienprojekte für die albanische Küste und die serbische Hauptstadt Belgrad angekündigt und dies gegenüber der «New York Times» («NYT») bestätigt. Die Vorhaben von Kushners Investmentgesellschaft Affinity Partners sollen einen Wert von einer Milliarde Dollar haben. Laut Kushner steht man kurz davor, die Geschäfte abzuschliessen.

Seither haben in beiden Ländern Diskussionen Fahrt aufgenommen, es geht um Korruptionsvorwürfe, Naturschutz und Rechtsstaatlichkeit. Die Recherchen der «NYT» verweisen auch auf den altbekannten Vorwurf, dass die Trump-Familie und ihr nahestehende Personen ihre Macht zur persönlichen Bereicherung nutzten.

Wenig transparentes Vorgehen

Kushner, der während der Amtszeit seines Schwiegervaters ein hochrangiger Berater im Weissen Haus war, hat sich für die Vorhaben mit einem anderen ehemaligen Trump-Berater, Richard Grenell, zusammengetan. Unter Trump war Grenell amerikanischer Botschafter in Deutschland und 2019 zusätzlich Sondergesandter für die Normalisierungsverhandlungen zwischen Serbien und Kosovo.

In Albanien möchten die Geschäftsmänner auf der sich in staatlichem Besitz befindenden Insel Sazan ein Luxusresort errichten. Zu kommunistischer Zeit war Sazan eine Militärbasis mit rund 3600 Bunkern und einem unterirdischen Tunnelnetz. Sazan sei eine der «feinsten und einzigartigsten Küstenlinien auf der ganzen Welt», schwärmte Kushner. Er besuchte mit Ehefrau Ivanka Albanien mindestens zweimal und traf sich dabei auch mit Ministerpräsident Rama. Auch im in der Narta-Lagune gelegenen Dorf Zvernec will Kushner Hotelanlagen bauen.

Der albanische Ministerpräsident Rama, aber auch Touristiker frohlocken, ausländischen Investoren dabei zu helfen, das Land touristisch weiterzuentwickeln. Das Vorhaben katapultiere Albanien in eine Liga mit Kroatien, Montenegro und Griechenland, sagte Rama. Doch es bleiben Fragen. Das Grossprojekt in Zvernec liegt in einer Schutzzone. Gerade rechtzeitig aber trat am Montag eine vom Parlament beschlossene Gesetzesänderung in Kraft, die Investitionen in solchen Gebieten erlaubt. «Erst jetzt verstehen wir, warum das Schutzgebietsgesetz entgegen den EU-Richtlinien geändert wurde und so auch dort der Weg für die Bebauung frei ist», kommentierte das unabhängige News-Portal «lapsi» bitter.

Dass der albanische Milliardär Shefqet Kastrati, der Rama nahesteht, in die Vorhaben verwickelt sein soll und es dafür keine öffentlichen Ausschreibungen gab, vergrössert die Skepsis. Mehrere Kommentatoren wittern Korruption und werfen Rama den Ausverkauf des Landes vor. Viele fragen zudem, ob sich Rama, der lange ein scharfer Kritiker Trumps war, nun die Gunst der Trump-Familie sichern will.

Kushners Immobilienpläne für Albanien

Ähnlich wird die Diskussion in Serbien geführt. Im Zentrum von Belgrad plant Kushner einen Komplex mit Hotel, Appartements und einem Museum zu bauen. Auf dem riesigen Areal gegenüber dem Regierungsgebäude steht die Ruine des «Generalstabs». Das ehemalige Hauptquartier des Generalstabs der jugoslawischen Armee wurde vom bekannten Belgrader Stadtarchitekten Nikola Dobrovic entworfen. Es symbolisiert die Sutjeska, eine Schlucht, in der Partisanen im Zweiten Weltkrieg gegen die Deutschen kämpften. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. 1999 wurde es durch Nato-Luftangriffe stark beschädigt, seitdem dient es als Mahnmal und Touristenattraktion an bester Lage. Politiker der Opposition nennen es eine Schande, dass auf einem von den USA bombardierten Areal ein amerikanisches Projekt entstehen soll.

Donald Trump soll bereits 2013 Interesse an einem Immobilienprojekt auf den Ruinen des «Generalstabs» gehabt haben, nach dem Amtsantritt 2016 aber solche Projekte nicht weiterverfolgt haben. Danach von der «NYT» befragt, antworteten sowohl Kushner als auch Grenell, sie hätten davon nicht gewusst. Allerdings nutzen nun sowohl Kushner als auch Grenell ihre guten Beziehungen, die sie während der Trump-Administration pflegten. Grenells enges Verhältnis zu Vucic und Rama stammt aus jener Zeit. Er ist auch heute ein umtriebiger Lobbyist für serbische Interessen.

Fehlende Ausschreibung, gebührenfreier Pachtvertrag

Milan Kovacevic, ein unabhängiger Berater im Bereich Auslandsinvestitionen, bezeichnete im serbischen Magazin «NIN» das Projekt als «reine Korruption». Es sei skandalös, dass keine Ausschreibung stattgefunden habe, wo doch immer die Möglichkeit bestünde, dass es bessere Angebote gebe. Die Öffentlichkeit verdiene eine Erklärung, weshalb Kushners Firma gebührenfrei einen 99 Jahre dauernden Pachtvertrag für das Staatsgelände erhalten solle.

Eine Bürgerinitiative begann eine Petition unter dem Namen «Stoppt die Vergabe des ‹Generalstabs› an Offshore-Firmen» mit der Forderung, das Gelände in einen Gedenkort für die Opfer der Nato-Angriffe umzuwandeln. Es müsse eine Expertenrunde eingerichtet werden, die Stadtplaner und Architekten einbeziehe.

Ob Jared Kushner in Belgrad wirklich wird bauen können, ist noch offen. Der serbische Minister für Infrastruktur wiegelte vorerst ab. Es gebe mehrere Kandidaten für den Standort, unterschrieben sei noch nichts. Allerdings äusserte sich der übermächtige Präsident Aleksandar Vucic in einem Interview begeistert. Kushners Vorhaben diene nicht zuletzt der Verbesserung der Beziehungen zwischen Serbien und den USA , ohne dass man vergesse, was geschehen sei.

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