Sonntag, Oktober 6

Der libertäre Paypal-Gründer war einst ein Unterstützer Trumps, auch die politische Karriere von J. D. Vance ermöglichte er. Inzwischen hat er den Republikanern den Rücken gekehrt.

«Er ist im Grunde ein konservativer Typ, und ich denke, dass er von der Seitenlinie wegkommen und das Ticket unterstützen muss.» So äusserte sich J. D. Vance, Vize-Kandidat im Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump, am Donnerstag in einem Gespräch mit der «Financial Times» über den amerikanischen Investor Peter Thiel. Der Milliardär solle «aus dem Abseits treten», so Vance, und den Präsidentschaftswahlkampf der Republikaner finanzieren.

Die Aufforderung kommt nicht von ungefähr. Noch 2016 hatte Peter Thiel den Wahlkampf von Donald Trump mit mehr als einer Million Dollar unterstützt. Darüber hinaus mischte er aktiv im Wahlkampf mit und trat etwa als Redner beim Parteitag der Republikaner auf. Nach Trumps Sieg war er Teil des Übergangsteams, das dessen Präsidentschaft vorbereitete.

Auch Vance’ Kandidatur für den US-Senat im Jahr 2022 finanzierte er mit gut 15 Millionen Dollar – dem grössten Betrag, der je an einen einzelnen Senatskandidaten gespendet wurde. Die beiden Männer kennen sich seit Jahren, Vance war vor seinem Eintritt in die Politik im Risikokapital-Bereich tätig und arbeitete unter anderem für Peter Thiel. Vance beschrieb Thiel vor einigen Jahren als seinen Mentor, 2019 unterstützte Thiel die von Vance mitgegründete Risikokapital-Firma Narya Capital.

Donald Trump war ihm nicht disruptiv genug

Doch Peter Thiel hat genug von amerikanischer Politik. Ende vergangenen Jahres erklärte er, kein Geld mehr an republikanische Politiker geben zu wollen, einschliesslich Trumps. Von dessen Präsidentschaft zeigte er sich enttäuscht. Trump zu unterstützen, sei «verrückter» und «gefährlicher» gewesen, als er gedacht hätte, sagte er vergangenes Jahr der US-Zeitschrift «The Atlantic».

Thiel, ein überzeugter Libertärer, hatte feststellen müssen, dass die Trump-Regierung seine Ideale nicht teilte. Er habe gedacht, es brauche jemanden wie Trump, der alles einreisse, um Amerika einen Neuanfang zu bringen, erklärte er. Doch er habe Trumps Fähigkeiten überschätzt: Im Interview mit der NZZ im Jahr 2019 sagte er, der damalige Präsident handle ihm zu wenig disruptiv.

Tech-Unternehmer mit libertären Ansichten

Thiel, der 1967 in Westdeutschland geboren wurde, gilt als einer der einflussreichsten Unternehmer im Silicon Valley. 1998 gründete er gemeinsam mit Max Levchin den Bezahldienst Paypal und verkaufte ihn 2002 für 1,2 Milliarden Dollar an Ebay. 2004 gründete Thiel Palantir, eine Data-Mining-Firma, deren Software von der amerikanischen Regierung für Geheimdiensttätigkeiten und polizeiliche Überwachung eingesetzt wird. Zur selben Zeit tätigte er eines seiner gewagtesten, aber auch erfolgreichsten Investments: Er steckte eine halbe Million in die Gründung von Facebook, später verkaufte er seine Anteile für eine Milliarde Dollar.

Heute wird sein Vermögen auf gut 9 Milliarden Dollar geschätzt. Doch Thiel wurde nicht nur durch seine Investments, sondern auch durch seine politischen Ansichten bekannt: 2009 verfasste er ein Manifest, in dem er sich gegen demokratische Wahlen aussprach und stattdessen dazu aufrief, politikfreie Räume zu schaffen, in denen Regierungen keinen Einfluss auf die Menschen ausüben können. In den 2010er Jahren steckte er darum viel Geld in ein Projekt, das auf Plattformen in internationalen Gewässern libertäre «Mikro-Staaten» errichten wollte.

Von solchen Plänen ist er inzwischen abgekommen. Stattdessen investiert Thiel heute in Kryptowährungen, in der Hoffnung, damit eine neue Art von Geld ausserhalb des Einflussbereichs des Staates zu fördern. Er rettete auch Elon Musks Raumfahrt-Unternehmen SpaceX, als dieses in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Darüber hinaus interessiert Thiel sich sehr für Longevity-Projekte, die versuchen, den Alterungsprozess des Menschen aufzuhalten. Den Tod als Naturgesetz zu bezeichnen, ist seiner Meinung nach nur eine Ausrede, die die Menschen davon abhält, sich mehr anzustrengen.

Kann Vance ihn noch umstimmen?

Bereits im Wahlkampf 2020 unterstützte er Trump nicht mehr. Damals äusserte sich Thiel aber, anders als jetzt, nicht zu seinen Beweggründen. An einem Treffen von Unternehmern und Intellektuellen in Aspen sagte er kürzlich, er würde nur für Trump stimmen, wenn man ihm eine Pistole an den Kopf halten würde. Da ging er allerdings noch davon aus, dass Trump gegen Biden antreten und die Wahl mit hoher Sicherheit gewinnen würde.

«Es besteht immer die Möglichkeit, dass ich meine Meinung noch ändere», sagte er dem «Atlantic» vergangenes Jahr. Darauf hofft wohl auch J. D. Vance: «Ich werde weiter mit Peter sprechen und ihn davon überzeugen, dass er, auch wenn er jetzt von der Politik erschöpft ist, erst recht erschöpft sein wird, wenn wir verlieren und Kamala Harris Präsidentin wird», so Vance in der «FT».

Im selben Gespräch forderte Vance allerdings die Aufspaltung von Google, da der Konzern zu mächtig sei. Dies treffe auf viele der grossen Tech-Unternehmen im Silicon Valley zu, so Vance. «Wir sind fertig mit der Wall Street!», rief er im Juli auf dem Parteitag der Republikaner seinen Anhängern zu. Ob das die richtige Rhetorik ist, um einen Libertären wie Thiel zu überzeugen? Auf Vance’ Aufforderung in der «FT» hat der Unternehmer bisher jedenfalls nicht reagiert.

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