Die kommende Dominanz der Republikaner in der amerikanischen Politik erschwert globale Vereinbarungen auch bei den Steuern. Viel hängt davon ab, wie die EU auf Sanktionsdrohungen der USA reagiert.
Donald Trump ist bald wieder Präsident der USA, die Republikaner erhielten eine Mehrheit im Senat und werden vermutlich auch das Repräsentantenhaus kontrollieren. Dieses Verdikt der Wähler kann weitreichende Auswirkungen haben – vom Krieg in der Ukraine bis zu den globalen Klimazielen.
Auch das an sich schon beschlossene Regime einer globalen Mindeststeuer für grosse internationale Konzerne ist nun wieder verstärkt infrage gestellt. Seit diesem Jahr müssen Konzerne mit einem weltweiten Jahresumsatz von 750 Millionen Euro im Grundsatz in jedem Land mit relevanten Aktivitäten mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen. Darauf hatten sich fast 140 Länder geeinigt. Die Schweiz hat das getreulich umgesetzt. Das gilt auch für die meisten EU-Länder. Nicht aber für Staaten wie die USA, China, Indien und Brasilien.
Das Abkommen unter der Ägide des Ländervereins OECD schreibt den Ländern keinen Mindestsatz vor. Aber wenn ein Land die inländischen Gewinne eines betroffenen Konzerns zum Beispiel nur mit 13 Prozent besteuert, könnten andere Konzernstandorte die Differenz von 2 Prozentpunkten zum Mindestsatz kassieren. Das gibt Anreize für die beteiligten Länder, die betroffenen Firmen selber mit mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern zu belasten.
Abschöpfung über die Grenzen
Zur grenzüberschreitenden Abschöpfung in Fällen von nationaler Unterbesteuerung gibt es zwei Falltypen. Typ 1: Wird eine ausländische Tochterfirma eines Konzerns am Sitz der Tochter unterbesteuert, kann das Land des Konzernhauptsitzes die Differenz zur Mindeststeuer abschöpfen. Der Jargon spricht hier von IIR (Income Inclusion Rule). Die Schweiz hat eine solche Abschöpfung ab 2025 beschlossen. Zahlt zum Beispiel eine Auslandstochter der Nestlé am Sitz der Tochter nur 13 Prozent der Gewinnsteuer, würde die Schweiz zusätzlich 2 Prozent verlangen.
Auf eine Abschöpfung nach Typ 2 hat die Schweiz vorerst verzichtet. Dies betrifft Fälle mit Unterbesteuerung ausländischer Konzerne an ausländischen Standorten. Der Jargon nennt diesen Typus UTPR (Under-Taxed Payments Rule). Eine Schweizer UTPR könnte zum Beispiel dann greifen, wenn Töchter von US-Konzernen an Standorten ausserhalb der Schweiz unterbesteuert wären.
Das Zusammenspiel von Mindeststeuer, IIR und UTPR soll dafür sorgen, dass praktisch alle anvisierten Konzerne mit 15 Prozent besteuert werden, auch wenn längst nicht alle Länder selber die Mindeststeuer umsetzen.
Drohung wird gewichtiger
In den USA hatten 2023 republikanische Kongressabgeordnete Gesetzesprojekte mit Vergeltungsmassnahmen gegen alle Staaten angestossen, die bei amerikanischen Konzernen Steuern via UTPR abschöpfen. Nun könnten die Republikaner solche Gesetze eher durchbringen.
Verzichten alle Länder aus Angst vor Vergeltungsmassnahmen auf eine UTPR, könnte unter Umständen das Gebäude der Mindeststeuer einstürzen – weil die Motivation mancher Länder für die Abschöpfung via IIR und letztlich auch für die eigene Mindestbesteuerung infrage gestellt wäre. So war in der Schweiz ein genanntes Hauptmotiv für die Abschöpfung bei Schweizer Konzernen via IIR die Vermeidung einer Zusatzsteuer via UTPR anderer Staaten. Und der Schweizer Hauptantrieb für die Umsetzung der Mindeststeuer von 15 Prozent war generell die Vermeidung von Abschöpfungen durch das Ausland.
Die Langlebigkeit des Systems sei «nicht garantiert», sagt Olivier Eichenberger, Steuerexperte der Beratungsfirma KPMG Schweiz: «Die nächsten zwei Jahre werden spannend werden für das ganze System der Mindeststeuer.» Zurzeit läuft noch eine Übergangsphase einschliesslich Privilegien für die USA auch in Sachen UTPR. Ein Zusammenbruch des ganzen Systems ist deshalb laut Eichenberger vorderhand «unwahrscheinlich». Zudem sei auch eine Verlängerung der Sonderregeln bei der UTPR zugunsten der USA denkbar.
Viel hängt von der EU ab
Zentral wird vor allem die Reaktion der EU auf die kommenden Drohungen seitens der USA sein. Zu vermuten sei, dass es zu einem Deal zwischen der EU und der USA komme, in dem die EU die spezielle Mindestbesteuerung und gewisse andere Sonderregeln der USA akzeptiere, sagt der Zürcher Steuerrechtsprofessor René Matteotti, der dieses Jahr für den Bund ein Gutachten zum Umgang mit den OECD-Steuerregeln geschrieben hatte. Gebe es hingegen wegen der Vergeltungsdrohungen der USA keine Abschöpfungen via UTPR, müsste sich die Schweiz laut Matteotti ernsthaft überlegen, ob sie bei der Mindeststeuer noch mitmachen solle.
Doch auch bei einem Zusammenbruch der globalen Mindeststeuerregeln wäre für die Schweiz der Verzicht auf die eben erst eingeführte OECD-Ergänzungssteuer für Grosskonzerne nicht zwingend die beste Option, wie Matteotti nachschiebt. So sei es gut möglich, dass dann manche Länder oder auch die EU eigene Sanktionen gegen Tiefsteuerländer ergreifen würden, wie das Italien einst getan habe. Solche Sanktionen wären wohl so konzipiert, dass sie kaum amerikanische Firmen treffen würden.
Auch in einem Szenario ohne UTPR gäbe es noch immer Konstellationen, in denen die Schweiz ohne eigene Mindeststeuer auf Erträge zugunsten des Auslands verzichten würde, betont zudem Roger Krapf, Leiter Steuern & Recht bei der Beratungsfirma EY Schweiz. Als mögliche Beispiele nennt er die Abschöpfung in der EU bei Schweizer Konzernen mit Zwischen-Holding in der EU sowie die Abschöpfung bei EU-Konzernen mit Schweizer Töchtern.
Überdies spricht ein eisernes politisches Gesetz gegen die rasche Abschaffung der Schweizer Mindeststeuer: Ist eine Steuer eingeführt, bringt man sie fast nicht mehr weg, weil sich der Staat rasch an die Erträge gewöhnt.
Eher national als global
In einer weiteren Schiene der OECD-Steuerdiskussionen ist bei Konzernen mit Jahresumsatz über 20 Milliarden Euro eine gewisse Verlagerung des Steuersubstrats von den Sitzstaaten zu den Absatzmärkten vorgesehen.
Eine globale Einigung im Konkreten liegt in diesem Dossier aber bis heute nicht vor – namentlich wegen des Widerstands der USA. Dieser Widerstand dürfte nun noch stärker werden. Auf absehbare Zeit ist hier kaum mit einer Einigung zu rechnen. Doch nationale Alleingänge etwa via neue «Digitalsteuern» könnten in der Summe aus Schweizer Sicht eine schlechtere Alternative sein. Inwieweit Vergeltungsdrohungen der USA eine Inflation nationaler «Digitalsteuern» bremsen könnten, muss sich noch zeigen.