Freitag, November 14

Cheney Orr / Reuters

Radikale Influencer wie Nick Fuentes waren engagierte Exponenten der «Make America Great Again»-Bewegung, aber nun ist ihnen Trump zu gemässigt. Dieser laviert zwischen brachialer Rhetorik und Avancen gegenüber den Wechselwählern.

Soll er sich auf die Mitte zubewegen, um die Wechselwähler abzuholen, oder soll er weiterhin einen dezidierten Rechtskurs fahren? Das ist die Frage, die sich für Donald Trump im laufenden Wahlkampf stellt. Einerseits müsste er sich mässigen, um mithilfe der moderateren Wähler eine Mehrheit zu erreichen; andererseits riskiert er, den harten Kern seiner Fans zu verlieren, also die Anhänger der MAGA-Bewegung («Make America Great Again»). Vorderhand laviert er. Gegenüber seiner Gegnerin Kamala Harris gibt er sich gewohnt vulgär, womit er die dringend benötigte weibliche Wählerschaft abstossen könnte. Bei wichtigen Themen wie Abtreibung oder In-vitro-Fertilisation schlägt er hingegen moderate, mehrheitsfähige Töne an.

Für besonderen Aufruhr am äusseren rechten Rand sorgte allerdings Trumps Eingeständnis, dass er die Wahlen von 2020 tatsächlich verloren habe, nachdem er jahrelang von einem grossen Betrug gesprochen hatte. Gleich drei Mal sagte er im Laufe des Monats August, dass er knapp gegen Biden verloren habe, letztmals am 30. August bei einem Treffen der konservativen «Moms for Liberty».

Fuentes war mit Ye bei Trump zum Abendessen

Der ultrarechte Nick Fuentes zum Beispiel schäumte. «Warum all die Demonstrationen gegen die Wahlfälschung, warum der Sturm auf das Capitol?», fragte er am 5. September in seinem Podcast. «Es wäre gut gewesen, wir hätten das gewusst, bevor 1600 unserer Leute verurteilt wurden», sagte er in Bezug auf den 6. Januar 2021. Er sprach von einem enormen Verrat und einer unglaublichen Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern, die seine Anhänger erbrachten.

Nick Fuentes ist ein Anhänger der White-Supremacy-Bewegung, die die Überlegenheit der Weissen propagiert. Trump sorgte vor zwei Jahren für Wirbel, als er Fuentes zusammen mit dem Rapper Ye (früher Kanye West), der ebenfalls mit antisemitischen Äusserungen in die Schlagzeilen geriet, zu sich nach Mar-a-Lago zum Abendessen einlud.

Schon Mitte August schrieb der 26-jährige Fuentes auf X, dass Trump katastrophal verlieren werde, wenn er nicht nach rechts rücke. Der Post wurde 2,6 Millionen Mal angeklickt.

Auch Candace Owens, eine Influencerin mit 5 Millionen Followern, die Trump immer treu unterstützt hatte, sprach in ihrem Podcast drohend von einem MAGA-Bürgerkrieg wegen der Versuche, Trump weichzuspülen, um ihn Mainstream-tauglich zu machen. Owens war die Kommunikationschefin der Pro-Trump-Organisation Turning Point USA, bis sie wegen ihrer Äusserungen zu Hitler im Jahr 2019 zurücktreten musste. Die News-Website «The Daily Wire» entliess Owens 2024 wegen antisemitischer Äusserungen.

Ähnlich wie Fuentes griff sie nicht direkt Trump an, sondern sein Kampagnen-Team: «Es ist nicht mehr klar, wer den MAGA-Bus steuert.» Trump verliere so die Unterstützung der Leute, die an ihn glaubten, und er brauche die Wähler, schrieb sie.

Die «stolze Islamophobe» Laura Loomer

Eine weitere Aktivistin vom rechten Rand ist Laura Loomer. Auch sie befürchtet eine Niederlage Trumps. Sie postete auf X, er müsse die Richtung schnellstens ändern – «denn wir können nicht nochmals vier Jahre über eine gestohlene Wahl reden». Loomer bezeichnet sich als «stolze Islamophobe».

Trump wollte Loomer laut der «New York Times» in sein Kampagnen-Team holen, aber ausgerechnet Marjorie Taylor Greene, die ebenfalls zu Haudegen-Positionen neigt, war dagegen. Sie bezeichnete Loomer als psychisch instabil und als nachweisliche Lügnerin.

Die erwähnten Aktivisten sind unter der Führung von Fuentes lose verbunden in einer Gruppe, die sich Groypers nennt und die gelegentlich als Nachfolgerin der Alt-Right-Bewegung gehandelt wird. Die Vereinigung wird gemeinhin als rassistisch, antisemitisch, misogyn, islamophob und homophob charakterisiert; allerdings sind unter den Mitgliedern auch Jüdinnen wie Loomer und Afroamerikanerinnen wie Owens.

Das kontroverse «Project 2025»

Eine grosse Enttäuschung für Fuentes und seine Kampfgenossen war offenbar die Tatsache, dass sich Trump ab Ende Juli von «Project 2025» der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation öffentlich distanzierte. Der 900-seitige Leitfaden ist als programmatische Grundlage für eine zweite Amtszeit von Trump gedacht, sorgte aber weitherum, auch unter Republikanern, für scharfe Kritik wegen seiner radikalen Ausrichtung unter anderem in der Abtreibungsfrage oder der Altersvorsorge.

Der Architekt von Project 2025, Paul Dans, war während Donald Trumps Präsidentschaft ein wichtiger Berater im Weissen Haus und prahlt gern mit seiner Nähe zu Trump. Mitte Juli jedoch nahm dieser – zumindest in der Öffentlichkeit – von Project 2025 Abstand. Dabei scheute er keine Widersprüche. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb er einerseits, er wisse nichts über das Projekt; andererseits sei er mit einigen Elementen darin nicht einverstanden oder finde sie lächerlich. Am 30. Juli gab Dans seinen Rücktritt als Direktor von Project 2025 bekannt.

Der einflussreiche Verschwörungstheoretiker, Trump-Fan und Gründer der Website «Infowars» Alex Jones warf darauf Trump und seinem Wahlkampfteam vor, ihn in die Irre zu führen.

Hinzu kommen Spannungen zwischen ultrarechten Kreisen und Trumps Running Mate J. D. Vance . Kürzlich nannte dieser Fuentes einen «totalen Verlierer». Solche Trolle müsse man ignorieren. Diese Beschimpfung mag mit Fuentes’ abfälligen Bemerkungen über Vance’ Frau Usha zusammenhängen, deren Eltern aus Indien stammen. «Können wir wirklich erwarten, dass ein Typ mit einer indischen Frau, der sein Kind Vivek tauft, die weisse Identität unterstützen wird?», fragte er.

Die Auswirkungen auf den Wahlkampf

Fuentes hat insbesondere Trumps Wahlkampfleitern Chris LaCivita and Susie Wiles den Krieg erklärt, die er für Trumps «nachgiebigen Kurs» verantwortlich macht. Er fordert seine Follower auf, Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Kampagnen-Mitarbeiter zu sammeln, um «Guerilla-Taktiken anzuwenden, den Druck zu verstärken und die Situation in der realen Welt eskalieren zu lassen». Er teilte ihnen auch mit, sie sollten nicht für Trump stimmen, bis die Kampagne wieder zum Leben erwache.

Welche Folgen wird die Entfremdung der Ultrarechten für den Wahlkampf haben? Vielleicht will Trump nicht auf ihre Unterstützung verzichten und biedert sich ihnen erneut an. Die Illoyalität könnte aber auch dazu führen, dass er sich umso mehr Richtung Mitte bewegt. Die Distanz zu den Radikalen könnte ihn für die Mitte-Wähler salonfähiger machen. Einige Kommentatoren werfen sogar die Frage auf, ob die Abkehr der Ultrarechten lediglich inszeniert sei, um Trump für die Mitte-Wähler akzeptabler zu machen und seine Wahlchancen zu erhöhen.

Bestimmt haben die Radikalen auch ihre eigene Agenda. Indem sie eher die Kampagnenleiter als Trump selbst angreifen, lassen sie sich alle Optionen offen. Falls er gewinnt, können sie behaupten, das sei nur dank ihren Ermahnungen geschehen, und auf seinen Goodwill hoffen. Falls er verliert, werden sie behaupten, sie hätten ihn ja gewarnt.

So oder so sind die Ultrarechten allerdings ein nicht zu unterschätzendes Segment der amerikanischen Bevölkerung und Wählerschaft. Laut dem Politologen Gary Jacobson von der University of California machen sie 20 bis 25 Prozent der Republikaner aus. Entsprechend schrieben einige Medien, dass die Abkehr von Leuten wie Fuentes einen grossen Einfluss auf die Wahlen haben könnte.

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