Freitag, Februar 7

Schweizer NGO rechnen mit abrupten Ausfällen für die humanitäre Hilfe in Krisenregionen. Über Nacht fehlen ihnen bei der amerikanischen Entwicklungsagentur die Ansprechpartner.

Für das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz (Heks) ist es eine Hiobsbotschaft. Es rechnet damit, dass der Zahlungsstopp der USA für die Entwicklungsagentur USAID 2025 zu einem Ausfall von 7,5 Millionen Franken führt. Das Heks müsse deshalb in der Ukraine, in Äthiopien und der Demokratischen Republik Kongo mehr als 100 Angestellte entlassen, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Betroffen ist die humanitäre Hilfe. Das Hilfswerk verteilte Nahrungsmittel, Trinkwasser und Hygiene-Kits. Man werde die Projekte in den drei Ländern, die alleine von der USAID finanziert würden, einstellen müssen, sagte die Sprecherin. Das treffe zahlreiche Menschen.

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Der Tech-Unternehmer Elon Musk hatte am Montag angekündigt, dass die Agentur USAID in Absprache mit Präsident Donald Trump geschlossen werde. Bereits Ende Januar hatte Trump die Zahlungen der Entwicklungsagentur für 90 Tage sistiert. In seinen Augen fliesst zu viel Geld ins Ausland.

Der Zahlungsstopp trifft neben dem Heks weitere Schweizer Hilfswerke, darunter Helvetas und die wirtschaftsnahe Stiftung Swisscontact. «Wir mussten alle fünf von den USA finanzierten Projekte stoppen», sagt Philippe Schneuwly, der Geschäftsführer von Swisscontact. Alleine für 2025 gehe es um 8 Millionen Franken, etwa für Projekte in Kolumbien, um Migranten aus Venezuela in den Arbeitsmarkt zu integrieren, oder für Flüchtlinge in Uganda. Swisscontact musste ebenfalls Angestellten kündigen. Die Stiftung wartet auf Gelder des USAID, für die sie schon Leistungen erbracht hat, wie auch das Hilfswerk Solidar Suisse. «Wir gehen im Moment vom Worst Case aus», sagt Schneuwly. «So ein Chaos habe ich noch nie erlebt.»

Mitarbeiter entlassen oder suspendiert

Terre des Hommes rechnet ebenfalls mit Ausfällen von jährlich rund 10 Millionen Dollar. Das schreibt die Organisation in einer Stellungnahme im Internet. Sie habe die Verträge von 440 langjährigen Mitarbeitern suspendieren oder auflösen müssen. Tangiert sind Projekte in Bangladesh, Kenya, Ägypten, Afghanistan, Indien, Burkina Faso und Libanon. Alleine in Bangladesh fehlen gemäss Terre des Hommes 2,6 Millionen Franken. Die NGO kündigte an, Aktivitäten für die Rohingya-Flüchtlinge im grössten Flüchtlingslager der Welt in Cox’s Bazar einzustellen. Darunter fallen die Verteilung von Trinkwasser oder die psychologische Unterstützung von Kindern.

Andreas Missbach, Geschäftsführer von Alliance Sud, der Dachorganisation der Schweizer Hilfswerke, spricht von einer dramatischen Situation. «Die USA haben von heute auf morgen den Stecker gezogen», sagt er. Vier von zehn Dollar für die humanitäre Hilfe in der ganzen Welt stammten von der USAID. «Wenn in Flüchtlingslagern sauberes Wasser fehlt, sterben Menschen.» Flüchtlinge würden versuchen, nach Europa weiterzuziehen. Auch geopolitisch sieht Missbach Risiken. «Wenn sich die USA aus der Sahel-Region zurückziehen, springen Russland und China in die Bresche.»

Ansprechpartner beurlaubt

Der Zahlungsstopp der USA gilt vorderhand für 90 Tage. Die bis anhin unabhängige USAID werde ihm unterstellt, kündigte der Aussenminister Mario Rubio an. Er kritisierte, die Organisation habe sich wie eine globale Wohlfahrtsagentur verhalten. Lebensrettende Programme sollen vom abrupten Stopp der Hilfe ausgenommen sein.

Missbach hofft, dass die Hilfswerke ihre Projekte später wieder aufnehmen können. Diese wissen jedoch nicht, an wen sie sich wenden sollen. Die Mitarbeiter der USAID sind mit wenigen Ausnahmen beurlaubt, die Website ist abgeschaltet. «Unsere Leute können nicht mehr mit der Organisation kommunizieren», sagt Missbach.

Einzelne Hilfswerke sind dem Vernehmen nach an die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) gelangt, damit diese in die Bresche springt. Deren finanzieller Spielraum ist jedoch begrenzt. Das Parlament habe es in der Hand, sagt Missbach. Es könnte mit einem Nachtragskredit einspringen, um essenzielle Projekte weiterzuführen. Alliance Sud werde die Forderung in der Frühlingssession einbringen, die Ende Februar beginnt.

Auch die Schweiz spart, aber nicht abrupt

Ein Sprecher des Aussendepartements (EDA) sagt, es sei noch zu früh, um mögliche Auswirkungen zu beurteilen. Doch klar ist, dass die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit sparen muss. Letzte Woche gab der Bund bekannt, wie er die Kürzungen umsetzt, die das Parlament beschlossen hat. Diese sollen dazu beitragen, das Armeebudget schneller zu erhöhen.

Die Auslandhilfe muss im laufenden Jahr mit 110 Millionen Franken weniger auskommen; von 2026 bis 2028 sind es 321 Millionen Franken. Von 2025 bis 2028 sieht der Bund für die Entwicklungszusammenarbeit insgesamt rund 11 Milliarden Franken vor. Bis Ende 2028 stellt die Deza die bilateralen Programme in Albanien, Bangladesh und Sambia ein. Auf multilateraler Ebene streicht der Bund ab dem laufenden Jahr die Beiträge an drei internationale Organisationen und kürzt bei anderen. Zudem konzentriert sich die Deza verstärkt auf Bereiche, wo sie den grössten Mehrwert sieht. Auch die Hilfswerke erhalten vom Bund weniger Geld.

Die Schweiz setzt die beschränkten Massnahmen allerdings graduell und geplant um – anders als die USA. Das erlaubt es den betroffenen Organisationen, zumindest zu versuchen, die Auswirkungen abzufedern. Im Gegensatz zur längerfristigen Entwicklungshilfe ist die humanitäre Hilfe in der Schweiz politisch unbestritten. Das Parlament hat diese von den Kürzungen ausgenommen, wie auch die Unterstützung der Ukraine.

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