Mittwoch, März 19

Die Grossbank verzichtet im Jahresbericht 2024 auf das politisch aufgeladene Reizwort Diversity. Auch Roche kippt seine globalen Diversitätsziele. Die Firmen passen sich an die Anti-Wokeness-Welle aus den USA an.

Kaum hat sich das Erstaunen darüber gelegt, dass die UBS beim Lohn des CEO Sergio Ermotti nicht bis zum Maximum gegangen ist, überrascht die Grossbank mit einem weiteren Verzicht.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Im Jahresbericht 2024 wird das zuvor grosszügig verwendete Reizwort Diversity nicht mehr benutzt. Die Bank erwähnt auch die Abkürzung DEI nicht mehr. Diese steht für Diversity, Equity and Inclusion, also Vielfalt, Gleichberechtigung und Einbezug. Im Jahresbericht 2023 kam dieses Stichwort gemäss der Nachrichtenagentur Bloomberg noch 21-mal vor, nun herrscht Schweigen.

Das hat einen Grund: DEI ist zum Ausdruck eines erbitterten Kulturkampfes geworden, der seit dem Amtsantritt von Donald Trump in den USA komplett eskaliert ist.

Die UBS vollzieht deshalb nicht nur verbal eine Kehrtwende. Gekippt wurden auch die Ziele selbst. So hatte sich die UBS vorgenommen, dass bis 2025 30 Prozent der Mitarbeiter auf Direktorenstufe und darüber Frauen sein sollten. In den USA und Grossbritannien hatte die UBS bei Mitarbeitern ab der Stufe Direktor zudem einen gewissen Anteil ethnischer Minderheiten angepeilt. Damit ist nun Schluss.

«Ich war auf 180, als ich das gehört habe», sagt Antoinette Weibel, Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen. «Das bedeutet, dass sich die UBS an die amerikanischen Verhältnisse anpasst.» Die Grossbank folgt mit ihrem Entscheid amerikanischen Konzernen wie Meta und Alphabet, die ihre DEI-Initiativen im Zuge der Rückkehr von Trump ins Weisse Haus ebenfalls aufgegeben haben.

Unternehmen mit starker Präsenz in den USA fürchten ums Geschäft

In der Schweiz steht die UBS mit ihrem Entscheid nicht allein da. Roche informierte am Dienstagabend die Mitarbeitenden, dass der Pharmakonzern die globalen Diversitätsziele aufgebe. Zuvor schon hatte Novartis seine Diversity-Seite im Internet stillgelegt.

Allen drei Unternehmen gemeinsam ist eine starke Präsenz in den USA – und damit auch die Sorge um die Geschäftsentwicklung in diesen Märkten. Um das zu verstehen, muss man etwas ausholen.

Dass Trump von Diversität und Inklusion wenig hält, war schon lange klar. Noch am Tag seiner Amtseinführung unterschrieb er einen Erlass, der solche Diversitätsprogramme in amerikanischen Behörden verbot.

Nun zeigt sich: Die Wirkung des Erlasses geht weit über die amerikanische Bürokratie hinaus. So dürfen Regierungsstellen keine Waren und Dienstleistungen von Unternehmen mehr beziehen, die sich zur Diversität bekennen und entsprechende Programme verfolgen.

Diese Strategie scheint die Regierung Trump zudem engagiert umsetzen zu wollen. So wurden offenbar auch an Schweizer Firmen Briefe versandt, die über die neuen gesetzlichen Bestimmungen informierten und auf deren Einhaltung pochten. Sie müssen von den jeweiligen CEO unterschrieben werden, andernfalls droht die amerikanische Regierung damit, von weiteren Aufträgen abzusehen.

Ein Hochseilakt für die Unternehmen

Das bedeutet: Auf Länderebene können die Unternehmen zwar ausserhalb der USA Ziele wie erhöhte Prozentanteile für die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen weiterverfolgen. Doch für diejenigen, die nicht auf bedeutende Aufträge der amerikanischen Regierung verzichten wollen, sind solche Ziele auf globaler Ebene (die die USA einschliessen) nun tabu.

Unternehmen, die sich den Verlust von bedeutenden amerikanischen Aufträgen nicht leisten können und wollen, müssen sich also dem Trumpschen Diktat beugen. Dies geschieht teilweise auch präventiv, denn im Detail ist noch nicht klar, was genau erlaubt und verboten sein soll und welche Sanktionen ein vermeintliches Fehlverhalten nach sich ziehen könnte.

Diese Ausgangslage zwingt Unternehmen wie die UBS und Roche zu einem Hochseilakt. Einerseits wollen sie sich in den USA keinen Ärger einhandeln, anderseits aber auch nicht ihre Mitarbeiter vor den Kopf stossen, wobei ein Teil womöglich auch darüber erleichtert sein könnte.

Die Bank halte sich an die unterschiedlichen gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, schreibt die UBS. Diese seien aber manchmal widersprüchlich. «In einigen Ländern müssen wir Diversitätsziele setzen, die in anderen Ländern als illegal gelten.» Mit Blick auf die Mitarbeiter heisst es: «Wir werden auch weiterhin eine vielfältige Belegschaft rekrutieren, entwickeln und fördern, wobei die Leistungsorientierung im Vordergrund aller unserer Entscheidungen steht.»

Mit dieser gewundenen Formulierung versucht die Bank, es allen recht zu machen. Einerseits dem Anti-Wokeness-Lager, das reklamiert, dass Identität in vielen amerikanischen Unternehmen mehr zähle als Leistung. Anderseits will die Bank aber auch diejenigen beruhigen, die über die Rückwärtsentwicklung und eine potenzielle Diskriminierung besorgt sind.

Aber: Der Verzicht auf Diversitätsziele ist noch keine Einladung zur Diskriminierung. «Internationale Unternehmen mit starker Präsenz in den USA rudern zwar zurück. Vieles davon dürfte für die Kommunikation nach aussen gedacht sein. Nach innen ist entscheidend, inwieweit die Unternehmen weiterhin um Fairness bemüht sind», sagt Gudrun Sander, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen.

Axpo setzt ein Zeichen

Während Schweizer Firmen mit starker Präsenz in den USA auf der Hut sind, nutzen national orientierte Unternehmen die Gelegenheit sogar, um ein Zeichen zu setzen. So postete etwa der Energiekonzern Axpo am Dienstag auf der Plattform Linkedin, dass er die Advance Diversity Charter unterzeichnet habe. Axpo verstärke damit sein Bekenntnis zur Geschlechtergleichheit, schrieb das Unternehmen.

«Einige Firmen sagen: Jetzt erst recht, wir verstärken unsere Anstrengungen in diesem Bereich noch», sagt Gudrun Sander. Das seien vor allem Unternehmen, die einen starken Schweizer Fokus hätten und unter dem Fachkräftemangel litten. Andere hingegen nutzten die Gelegenheit, um sich einer ohnehin als lästig empfundenen Pflicht zu entledigen.

Das gilt auch in den USA. Dort hat nicht nur politisch der Wind gedreht. Auch in den Unternehmen hat die Skepsis gegenüber den DEI-Programmen zugenommen. So wurde zunehmend geklagt, dass Einstellungen und Beförderungen zu häufig aufgrund von Identitätsmerkmalen wie Geschlecht oder Minderheit erfolgten, nicht aber aufgrund der beruflichen Qualifikation. Das habe zu einer neuen Form der Ungerechtigkeit geführt, weil Minderheiten überproportional begünstigt worden seien.

Ein Beispiel für das Umschwenken ist die amerikanische Bank Morgan Stanley. Nach dem Mord an George Floyd 2020 hatte der damalige CEO von Morgan Stanley, James Gorman, den Rassismus in den USA beklagt und versprochen, dass Morgan Stanley Teil der Lösung sein werde, um diesen zu bekämpfen. Heute sieht sich die Bank der Kritik von Mitarbeitern ausgesetzt, die sagen, die Bemühungen hätten keinen Effekt oder seien zu schwerfällig. Die Bank schwächt nun ihre Programme ab.

Die Schweizer Management-Professorin Antoinette Weibel betont, dass die Ausgangslagen in den USA und der Schweiz sehr unterschiedlich seien. «Eine Cancel-Culture wie in den USA hat es hierzulande nie gegeben. Die Schweiz kann stolz darauf sein, ein inklusives Land zu sein, sie ist aber auch konservativ.» Hierzulande habe es deshalb auch nie eine übertriebene Wokeness-Bewegung gegeben, die nun korrigiert werden müsse.

Exit mobile version