Samstag, April 19

Die Börsenturbulenzen haben sich ins Ersparte gefressen. Aktien sind abgestürzt, Anleihen schützen wenig. Was können Sparende tun?

Ein Ende von Trumps Handelskrieg ist nicht absehbar. Die USA und China ziehen ihre Zollmauern immer höher, die Aktienmärkte bröckeln täglich etwas weiter ab. Und das Vertrauen in die USA als verlässliche Volkswirtschaft ist am Erodieren: Der Dollar verliert an Wert, US-Staatsanleihen bieten nicht mehr den gewohnten Schutz.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Marktbeobachter wie Michael Krautzberger, Anleihen-Chef bei Allianz Global Investors, rechnen mit Extremszenarien: Der Handelskrieg könnte sich zu einem Krieg um Kapital ausweiten. Für die Anlage-Legende Edouard Carmignac hat Trump «die Märkte auf den Kopf gestellt», er sorgt sich um den «Zerfall des amerikanischen Imperiums». Er hält es für unerlässlich, die Anlagestrategie an die neue Ordnung anzupassen.

Diese neue Ordnung hat auch für Sparende aus der Schweiz Folgen. Sie mussten in der vergangenen Woche zusehen, wie der Wert ihrer Aktienportfolios oder fondsgebundenen 3a-Säulen dahinschmolz. Doch was bedeuten die Turbulenzen konkret für Anleger, und was ist zu tun?

Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Jetzt Aktien verkaufen, um Verluste zu vermeiden?

Nein, Impulsverkäufe bei fallenden Börsenkursen sind nicht empfehlenswert. Das Wichtigste, darin sind sich von der NZZ angefragte Anlageexperten einig, ist, «ruhig Blut zu bewahren» und an der eingeschlagenen Anlagestrategie festzuhalten.

Genauso wichtig in turbulenten Börsenzeiten ist aber eine gute Diversifikation. Das bedeutet, das Vermögen sollte über verschiedene Anlageklassen wie Aktien, Obligationen, Gold oder Immobilien verteilt sein. Aktienpositionen können zudem auf verschiedene Regionen verteilt werden. Nur wenn keine oder ungenügende Diversifikation vorliege, seien «Adjustierungen» angezeigt, empfiehlt Matthias Geissbühler, Anlagechef bei Raiffeisen.

Heftige Kursbewegungen sind oft nur kurzfristige Schwankungen. Gemäss Manuel Ferreira, Chefstratege bei der ZKB, können Anleger darauf vertrauen, dass mittel- bis langfristig die «selbst korrigierenden Mechanismen» der Märkte funktionieren. Ferreira zieht Parallelen zur Pandemie 2020: Auch damals war die Ungewissheit sehr hoch, dennoch wurden Lösungen gefunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Politiker die Krise auf dem Verhandlungsweg lösen, sei immer noch intakt.

Aktien sind zudem auch in einem Umfeld geopolitischer Umwälzungen ein «unabdingbarer Renditetreiber jedes Portfolios», sagt Michael Birrer, Leiter Research & Advisory bei der Migros Bank.

Muss man sich «konservativer» aufstellen?

Eine Liquidierung des Aktienportfolios ist nicht nötig und wäre ein Fehler. Doch es kann sinnvoll sein, Anpassungen im Depot vorzunehmen, um dem unsicheren Umfeld besser Rechnung zu tragen. So hat Geissbühler schon zu Jahresbeginn höhere Volatilität erwartet und deshalb Aktien weniger stark gewichtet. Im Gegenzug seien Bargeld, Gold und Schweizer Immobilienfonds wichtiger geworden, an dieser konservativen Positionierung will er vorläufig festhalten.

Auch bei Aktien ist mehr Vorsicht geboten. So empfiehlt Birrer, auf defensive Aktien von hoher Qualität zu setzen, diese sind in der Schweiz reichlich vorhanden. Überhaupt sind die Schweiz und «langweilige» Sektoren wie Versicherungen, Immobilien oder Telekommunikation attraktiv, zumal sie oft auch nennenswerte Dividenden ausschütten, was für zusätzliche Sicherheit sorgt.

Ist die Korrektur eine Kaufgelegenheit?

Während ein Börsenabsturz die einen nervös macht, wittern andere Schnäppchen: Star-Aktien wie Apple oder Nvidia notieren fast 20 Prozent tiefer als Anfang Jahr. Für den Anlagestrategen Birrer kann es für langfristig Orientierte sinnvoll sein, jetzt Aktien zu kaufen, die ungerechtfertigterweise in die Verkaufswelle geraten und nun günstig zu haben sind. Darunter fallen für ihn etwa Qualitätstitel wie Nestlé oder Lonza, die von den amerikanischen Importzöllen wenig beeinflusst werden.

Der Vermögensverwalter Carmignac findet weiterhin Tech-Aktien aus dem KI-Bereich attraktiv, auch wenn man weniger in den USA investieren will. Die französischen Anlageexperten rechnen mit einem weiteren Kapitalabfluss. Darüber hinaus seien wegen des schwächeren Dollars Aktien aus Schwellenländer reizvoll: etwa aus Lateinamerika, weil es von den US-Zöllen weitgehend verschont geblieben ist und entsprechende Aktien unterbewertet sind; aber auch aus Indien oder China – deren Tech-Unternehmen vom Rückzug der USA profitieren könnten.

Sind US-Staatsanleihen noch sicher?

Beim Einbruch von Aktienmärkten bieten Obligationen in der Regel einen gewissen Schutz, weil sie den Wertverlust abfedern. Doch vergangene Woche verloren auch die vermeintlich besonders sicheren US-Staatsanleihen parallel mit den Aktienbörsen an Wert. Für Michael Birrer ist klar: Sollte der Vertrauensverlust weitergehen, müsse eine Reduktion von US-Staatsanleihen im Portfolio ins Auge gefasst werden.

Für Geissbühler sind US-Staatsanleihen weiterhin eine sichere Anlage – aber nicht zwingend für Schweizer Anleger, die auf die Währung achten müssen. Wegen der kontinuierlichen Erstarkung des Frankens fallen beim Kauf von US-Anleihen Wechselkursverluste an. Allein in diesem Jahr hat der US-Dollar gegenüber dem Franken fast 10 Prozent an Wert verloren.

Wer hohe Sicherheit suche, sei mit Schweizer Staatsanleihen besser bedient, obwohl die Renditen derzeit mager seien und sie die Inflation kaum kompensieren könnten. Eine Alternative sei eine Kombination von «Eidgenossen» mit sehr soliden Franken-Unternehmensanleihen. Auch die ZKB setzt auf Schweizer Staatsanleihen und zieht US-Bonds nur ergänzend zur Renditeoptimierung hinzu.

Sollte man sich von Anlagen in Dollar trennen?

Nicht nur Aktien und Anleihen haben beim Trump-Crash gelitten, auch der Dollar befindet sich seit Anfang Februar in einer Abwärtsspirale. Weil das Vertrauen in US-Wirtschaft und -Regierung kontinuierlich abnimmt, wird der Dollar seinem Status als sichere Reservewährung derzeit nicht mehr gerecht.

Im Gegenzug werden sichere Währungen wie der Franken weiter aufgewertet. Die «notorische Frankenstärke» ist für Geissbühler auch der Grund, warum Raiffeisen ihren Kunden seit Jahren empfiehlt, hauptsächlich im Inland zu investieren, also vor allem Anlagen in Franken vorzunehmen. Die Währungsverluste gegenüber Dollar und Euro seien «historisch betrachtet enorm».

An diesem Trend werde sich wegen der Inflations- und Zinsdifferenzen und der Stabilität der Schweiz nichts ändern, glaubt Geissbühler. Hinzu komme, dass Trump den Dollar schwächen wolle, um die Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen Industrie zu erhöhen. Deshalb ist es empfehlenswert, den Fremdwährungsanteil möglichst tief zu halten.

Anlagen in Dollar oder Euro lassen sich zwar absichern, aber das kostet. Entscheidend ist, ob die erwartete Abwertung der jeweiligen Währung grösser ist als die Absicherungskosten. Eine Absicherung ergebe derzeit nur bei Anleihen Sinn, sagt Ferreira.

Bieten Gold oder Bitcoin Schutz?

Sogar das Gold ist nicht gegen Trumps Protektionismus gefeit. Unmittelbar nach Ankündigung seines Zollregimes am 2. April sank der Preis des Edelmetalls. Doch seither hat es sich gefangen und setzt den Ende 2022 eingeschlagenen Aufwärtstrend fort. Gemäss Geissbühler hat Gold seinen Status als sicherer Hafen und Krisenschutz erneut unter Beweis gestellt. Das Edelmetall bleibe ein «hervorragender Portfolio-Diversifikator».

Bei der Migros Bank geht man davon aus, dass im Fall einer weiteren drastischen Eskalation des Handelskonflikts Gold weiter an Wert gewinnen wird. Deshalb eigne es sich trotz dem derzeit relativ hohen Preis weiterhin als Absicherung.

Gemäss Ferreira von der ZKB bedeutet mehr Gold eine defensivere Ausrichtung des Portfolios. Es reduziert auch die Schwankungen. Dieser Effekt sei beim Bitcoin nicht zu beobachten. Zwar habe sich die digitale Leitwährung seit dem «Liberation Day» weniger schlecht entwickelt als US-Aktien. In früheren Ausverkaufsphasen hat Bitcoin jedoch deutlich schlechter abgeschnitten.

Der Bitcoin habe wieder einmal gezeigt, dass er eine Risikoanlage sei, sagt Geissbühler. In unsicheren Zeiten sollten Anleger Vermögenswerte ins Portfolio nehmen, die Volatilität reduzieren und nicht erhöhen. Er rät von Bitcoin ab.

Exit mobile version