Dienstag, April 22

Kurz nach dem Wahlsieg von Donald Trump glaubte eine grosse Mehrheit der Inder, dass die kommende Präsidentschaft gut für ihr Land sein werde. Dazu hat beigetragen, dass Indiens Premierminister Narendra Modi, aus einer Seelenverwandtschaft zwischen Autokraten heraus, eine Privilegierung seines Landes in Aussicht gestellt hatte.

Fünf Monate später weiss die Welt mehr, was sie von der Administration Trump zu erwarten hat. Auch Indien. Es soll in Trumps soeben kommuniziertem Zollregime für dessen Importe in die USA mit einem Zoll von 26% belegt werden. Das ist zwar besser als beispielsweise China (145%) und die Schweiz (31%), ist aber nach der gleichen unsinnigen Berechnungsformel zustande gekommen, wie alle anderen Zolltarife gegenüber den Exporteuren aus aller Welt.

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Im kuriosen direkten Vergleich zwischen der Schweiz und Indien bleibt die Tatsache unerheblich, dass Indien effektiv höhere Einfuhrzölle erhebt als die Schweiz. Ausserdem fällt bei der Festlegung des Zolltarifs auf Einfuhren aus der Schweiz vollkommen ausser Betracht, dass die erfolgreiche Exportnation zusätzlich in den USA zu den wichtigsten Investoren gehört und damit hochklassige Arbeitsstellen anbietet, also genau die Petita erfüllt, die zur Grundlage von Trumps Wirtschaftspolitik erklärt wurden: in den USA investieren und produzieren. Dies wäre für die Schweiz theoretisch eine vorteilhafte Verhandlungsbasis, falls der Zolltarif doch noch negoziabel sein sollte.

Konkurrenten auf dem globalen Finanzmarkt

Indien hätte diesen Vorteil nicht. Im Gegenteil aspiriert Modis Wirtschaftspolitik, gleichlaufend mit Trumps Vision, ebenfalls auf ausländische Investitionen und Engagements zur Ausweitung von Indiens Industriebasis. In diesem Punkt sind die USA und Indien Konkurrenten auf dem globalen Finanzmarkt. Der Zolltarif dürfte Modi dennoch negativ überrascht haben.

Eine weitere Enttäuschung steht Indien in der Immigrationsfrage bevor. Erste erzwungene Rückführungen von Indern ohne Aufenthaltsbewilligung haben stattgefunden. Zusätzlich stehen in Trumps Regierungsequipe die Einreise- und Aufenthaltsbewilligungen für Fachkräfte (die sog. H-1b-Visa) zur Disposition, von denen 2022 bis 2023 fast drei Viertel an indische gingen, meist IT-Spezialisten. Der internen Mehrheitslobby «Americans first» in Washington steht im Moment nur der Tech-Unternehmer Musk entgegen, der bekanntlich für seine diversen Industrieprojekte stark auf IT-Fachkräfte angewiesen ist und diese hauptsächlich auch in Indien findet.

Schliesslich ist in der Rüstungszusammenarbeit für Modi eine Verschlechterung der Beziehungen zu erwarten. Joe Bidens Politik soll reduziert oder beendet werden. Diese bestand darin, amerikanische Rüstungsgüter in Indien produzieren zu lassen, letztlich auch, um Indien schrittweise aus seiner ex-sowjetisch/russischen Rüstungskooperation herauszulösen. Solche geostrategischen Überlegungen sind Trump offensichtlich nicht gegeben. Er will, dass Modi militärische Güter direkt aus amerikanischer Produktion kauft.

Dem Freihandel zugeneigte Länder unter sich?

«America first» richtet sich, wie die Welt jetzt weiss, bekanntlich sowohl gegen Kontrahenten als auch gegen Bündnispartner sowie andere Freunde. Der Grundgedanke, dass mit einer verstärkten Rüstungskooperation im Sinne von Trumps Vorgänger Biden Amerikas Eindämmungsdispositiv gegen China im Indo-Pazifik ausgebaut würde, ist für Trump ein politisch irrelevanter Gedanke.

Damit wird gerade am Beispiel Indiens, einem der global wichtigsten strategischen Partner für Amerika, demonstriert, wie schwierig es geworden ist, sich die USA auch für die Zukunft als Führungsmacht der westlichen Welt und als Garant der westlich geprägten Weltordnung vorzustellen. Erste Reaktionen deuten bereits an, in welche Richtung globale Entwicklungen gehen werden.

Der ehemalige britische Treasury Minister Jim O’Neill regt an, dass im Zug der zu erwartenden neuen zwischenstaatlichen Gruppierungen im Welthandel die Mitglieder der G-7 (ohne die USA) eine Führungsrolle dabei spielen sollten. China seinerseits hat von sich aus ebenfalls die Fühler sowohl zur EU als auch zu Indien ausgestreckt, um eine Diskussion über koordinierte Senkungen von Zöllen untereinander anzustossen. Die Zielsetzung wäre also eine Neuordnung der dem Freihandel zugeneigten Länder und Regionen ohne die USA. Allgemeine Regeln der Welthandelsorganisation WTO würden hierbei einen offensichtlich «natürlichen» Rahmen für solche Absprachen abgeben.

Die Ironie besteht darin, dass die WTO eine Gründung der USA war und China 2001 nur mit Bedenken als Mitglied aufgenommen wurde. Für Indien ergäbe sich die Motivation, sich veränderten geostrategischen Gegebenheiten anzupassen, um seinen wirtschaftlichen Aufstiegswillen unter neuen politischen Umständen zu verankern. Ein erster Schritt könnte hierbei der von der EU gesuchte Dialog über ein Freihandelsabkommen EU-Indien sein. Mit der EFTA (European Free Trade Association), zu der bekanntlich die Schweiz gehört, besteht seit kurzer Zeit ein solcher Vertrag.

Philippe Welti

Philippe Welti ist ehemaliger Botschafter der Schweiz in Indien und in Iran. Davor war er Politischer Direktor im Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) im Range eines Botschafters. Heute arbeitet er als Experte für Geopolitik und Strategie mit regelmässiger Vortragstätigkeit und Veröffentlichungen über den Grossraum Asien-Pazifik, speziell über den Mittleren Osten und den Raum um den Persischen Golf. Zusammen mit dem ehemaligen Botschafter Daniel Woker hat Welti das Unternehmen Share-an-Ambassador gegründet, das sich auf geostrategische Analysen und geopolitische Due Diligence spezialisiert.
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