Sonntag, Oktober 6

Vier Wetten, die bisher noch nicht aufgegangen sind, drücken auf die Performance der europäischen Auswahl für das Börsenjahr 2024.

Auf sogenannte Turnaround-Kandidaten zu setzen, ist von Natur aus riskant. Zwar winken attraktive Renditen, wenn Anleger beim Zeitpunkt des Einstiegs ein glückliches Händchen beweisen. Andererseits bewahrheitet sich regelmässig die Börsenregel, dass man nie in ein fallendes Messer greifen soll.

Die europäische Auswahl von The Market für 2024 hat sich beim Griff ins fallende Messer im ersten Halbjahr einige blutige Hände geholt. Sämtliche Aktien, die es als Turnaround-Kandidaten in die Selektion geschafft haben, setzen ihre Verluste bisher fort: So haben die Aktien von Sartorius, Bayer und Teleperformance im ersten Halbjahr zwischen 21% und 34% verloren. Ausserdem sorgten bei Evotec Fehlleistungen des CEO für einen Vertrauensbruch an der Börse.

Bei Sartorius lässt die Trendwende auf sich warten

Der Laborzulieferer Sartorius war einer der grossen Profiteure des Biotech-Booms im Umfeld der Coronakrise. Während der Hochphase der Pandemie schoss der Absatz von Laborkomponenten in die Höhe, die Kunden von Sartorius kauften, was sie in die Hände kriegen konnten, wodurch sich ihre Lagerbestände massiv erhöhten. Seitdem halten sie sich jedoch mit Bestellungen zurück.

Wir haben aufgrund von leisen Anzeichen einer Normalisierung der Lagerbestände darauf gesetzt, dass die Durststrecke 2024 ein Ende findet und die Bestellungen zurückkommen. Doch abermals schwache Quartalszahlen zeigten im April, dass wir zu früh waren. Die Erholung hat sich im ersten Quartal noch nicht eingestellt, die Trendwende lässt weiter auf sich warten.

Auch bei Teleperformance hat sich der Pessimismus im ersten Halbjahr noch weiter verstärkt. Der Anbieter von Outsourcing-Diensten für IT- und Call-Center-Lösungen wurde 2023 als grosser Verlierer des Booms rund um das Thema künstliche Intelligenz (KI) gehandelt. Die Sorge: Call-Center-Dienste könnten automatisiert werden. Wir hielten den Abverkauf für übertrieben und sahen in den Aktien aufgrund der Bewertung einen Value Case.

Doch der Negativtrend setzte fort. Ende Februar stürzte die Aktie an einem Tag um 14% ab, weil der Online-Zahlungsspezialist Klarna die Einführung eines KI-basierten Assistenten angekündigt hatte und somit eine Diskussion über die Zukunft des Kundenservice auslöste. In den vergangenen Tagen hat die Aktie von einem positiven Kommentar der Analysten von J.P. Morgan profitiert, die die Aktien auf «Overweight» hochgestuft haben. Zwar hält es auch die US-Grossbank für möglich, dass das organische Wachstum von Teleperformance in den kommenden Jahren leicht rückläufig sein könnte. Gleichzeitig sehen die Analysten aber auch Chancen – etwa, dass dank der durch KI ermöglichten Automatisierung die Profitabilität erhöht wird.

Bei Bayer – dem dritten Turnaround-Kandidaten – sorgte vor allem der mit Spannung erwartete Kapitalmarkttag im März für Enttäuschung – auch bei uns. Das Management um CEO Bill Anderson irritierte die Börse, indem es schlicht auf bessere Zeiten vertröstete, ohne wirklich konkret zu werden. Auch auf eine Mittelfristprognose (etwa beim Umsatzwachstum oder bei der Marge) wurde verzichtet, womit die Anleger im Dunklen gelassen wurden. Der Investment Case hat aus unserer Sicht erheblich an Attraktivität eingebüsst.

CEO-Fehlleistungen bei Evotec

Als grösste Belastung für die Aktienauswahl sollte sich jedoch ein Biotech-Player aus Hamburg herausstellen. Bei Evotec zeigt sich exemplarisch, wie wichtig das Timing sein kann. Am 4. Januar publizierten wir unsere europäischen Aktienfavoriten. Just an dem Tag kündigte CEO Werner Lanthaler überraschend den Rücktritt an. Wie sich herausstellte, hat er jahrelang Meldepflicht bei Aktienverkäufen verletzt. Das Vertrauen am Markt wurde dadurch erschüttert, die Aktie hat sich seitdem halbiert. Ein vager Ausblick bei der Präsentation der Quartalszahlen im April tat sein Übriges bei.

Seit Anfang dieser Woche leitet Christian Wojczewski die Geschicke von Evotec. Er gilt als erfahren in der Healthcare-Branche. Zuvor war er u.a. Chef beim Medizinproduktehersteller Linde Healthcare. Seine grösste Aufgabe wird es sein, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Das Geschäftsmodell, im Auftrag von Pharmakonzernen und wohltätigen Stiftungen Medikamente zu entwickeln, bleibt attraktiv. Seit dem Tief am 19. Juni befindet sich die Aktie in einem leichten Aufwärtstrend, wofür mitunter Übernahmegerüchte verantwortlich sind.

ASML besticht

Bei den Gewinnern ragte bisher – wie 2023 bereits – ASML aus. Bis heute haben die Niederländer die weltweit führende Position bei Lithografieanlagen zur Produktion von Computerchips. Auch im ersten Halbjahr profitierte die Aktie indirekt von der hohen Nachfrage nach hochleistungsfähigen Halbleitern – getrieben von den massiven Investitionen in KI-Modelle. Die Maschinen vom ASML bleiben unverzichtbar.

Überdurchschnittlich entwickeln sich auch die Aktien des Zementherstellers Heidelberg Materials, des Tabakriesen Imperial Brands und des Energiekonzerns Shell. Dennoch reichte dies nicht, um die herben Verluste der Turnaround-Kandidaten auszugleichen. Anders als die Schweizer Aktienfavoriten hinken die Europa-Aktienfavoriten von The Market mit einem Minus von 6% dem Vergleichsindex Stoxx Europe 600 (+10%) hinterher.

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