Die Grossbank steht laut einem Bericht vor einem Rückschlag in der Debatte um höhere Eigenkapitalquoten. Der UBS-Aktienkurs ist unter Druck.
Die Debatte um die künftige Kapitalausstattung der UBS nimmt Fahrt auf. Der Bundesrat will Anfang Juni offenbar vorschlagen, dass die UBS bis zu 25 Milliarden Dollar zusätzliches Kapital aufbauen muss. Das schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg. Damit würde sich die Regierung in Sachen Kapitalanforderungen für das Maximum entscheiden.
Mehr Eigenkapital soll die UBS im Nachgang des CS-Untergangs sicherer machen. Für die Grossbank wird es damit aber teurer, ihr Geschäft zu betreiben. Die Kapitalrendite dürfte sinken.
Strittig ist insbesondere die Frage, mit wie viel zusätzlichem Kapital die UBS ihre ausländischen Beteiligungen unterlegen muss. Ein Grund für die Forderung nach einer Verschärfung ist, dass die Beteiligungen im Krisenfall an Wert verlieren.
Sind diese nicht ausreichend mit Eigenkapital unterlegt, könnten sie nicht rasch genug verkauft werden, ohne dass die Eigenkapitaldecke der Bank Schaden nähme. Statt dass der Notverkauf von Auslandtöchtern zur Stabilisierung beitrüge, würde er die Krise zusätzlich verschärfen.
Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) kommentiert den Medienbericht auf Anfrage der NZZ nicht. Ursprünglich wollte der Bundesrat die neuen Kapitalvorschriften über eine Revision der Eigenmittelverordnung in die Vernehmlassung schicken. Finanzministerin Karin Keller-Sutter machte darauf eine Kehrtwende und entschied im Februar, diese Kernfrage auf Gesetzesstufe zu reglementieren.
TBTF-Bericht wird abgearbeitet
Aus diesem Grund dauert es nun bedeutend länger, bis die Regulierung in Kraft treten wird. Als Erstes publiziert der Bundesrat die Eckwerte für die künftigen Eigenkapitalanforderungen für die ausländischen Beteiligungen. Dann erarbeitet er einen Gesetzestext, der voraussichtlich Ende 2025 in die Vernehmlassung geht. Letztlich entscheidet das Parlament oder sogar das Stimmvolk über die Frage der Kapitalausstattung der Grossbank.
Dann beginnt für den UBS-Chef Sergio Ermotti die zweite Runde: Er muss die Parlamentarier davon überzeugen, dass zu harte Vorschriften beim Eigenkapital kontraproduktiv wären. Die UBS kommentiert die jüngste Entwicklung auf Anfrage der NZZ nicht. Der UBS-Chef wehrt sich vehement gegen schärfere Kapitalregeln. Es werde hierzulande keine Gewinner geben, wenn die derzeit diskutierte Regelung umgesetzt werde, sagte er bei einem Auftritt am Montag.
Die Gewinner wären die ausländischen UBS-Konkurrenten, sagte Ermotti. Kommt der Bundesrat tatsächlich mit einer Maximalforderung, so rechnet er mit einer noch höheren Belastung als Folge der CS-Übernahme: «Ich würde sagen, eher mehr als 40 Milliarden an zusätzlichem Kapital, was wir natürlich nicht verkraften können, wenn wir eine wettbewerbsfähige globale Bank bleiben wollen.»
Mit ihrem Lobbying ist die Grossbank bislang nicht durchgedrungen. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) sprachen sich wiederholt öffentlich für eine vollständige Kapitalisierung von Auslandtöchtern aus. Die UBS beklagte wiederholt, ihr fehle auf oberster Stufe der Zugang zu Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Laut NZZ-Informationen kam es im April und Anfang Mai allerdings zu Treffen der Bankspitze mit dem Finanzausschuss des Bundesrates und dem Lenkungsgremium dem neben der Finanzministerin auch der SNB-Präsident, sowie die Präsidentin der Finma angehören.
Die Frage nach dem Eigenkapital ist allerdings nur ein Teil eines Pakets, mit dem der Bundesrat die Bankenregulierung in der Schweiz nach dem Untergang der Credit Suisse reformieren will. Als Teil seines «Too big to fail»-Berichts (TBTF) hat er im April 2024 eine Liste von 37 Massnahmen veröffentlicht. Deren Ausarbeitung liegt beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF). Dieses kommentiert den Stand der Arbeiten auf Anfrage nicht. Anfang Juni nimmt der Bundesrat dazu Stellung, welche Massnahmen eingeführt werden sollen und welche er fallenlässt.
Die vorgesehenen Massnahmen werden teils über den Verordnungsweg umgesetzt, teils ist eine Gesetzesänderung nötig. Dazu zählen etwa die neuen Instrumente der Finma wie eine Bussenkompetenz oder die Einführung eines Verantwortlichkeitsregimes für Manager (Senior-Manager-Regime). Teil des Pakets ist auch die staatliche Garantie für den Krisenfall. Der sogenannte Public Liquidity Backstop (PLB) wurde bei der CS-Krise mittels Notrecht eingeführt und muss nun in reguläres Recht überführt werden. Andere Aspekte, welche die Eigenmittel der Banken betreffen, kommen in eine Verordnung.
Volle Kapitalunterlegung als Basisszenario
Nicht nur bei den Behörden, auch in akademischen Kreisen wird nicht mit Nachsicht mit der Grossbank gerechnet. Ein Finanzexperte, der sich intensiv mit Fragen der Bankenkapitalisierung befasst und für die Bundesverwaltung gearbeitet hat, geht ebenfalls davon aus, dass die UBS mit einer vollständigen Kapitalunterlegung ihrer Auslandtöchter rechnen muss. Alles andere wäre eine Überraschung.
Ein anderer Finanzexperte, der nicht mit dem Bund in Verbindung steht, geht derweil nicht davon aus, dass der Bundesrat eine «Extremvariante» vorschlagen wird. Eine solche sei wenig zielführend und würde voraussetzen, dass im Vorfeld eine Vielzahl technischer Fragen geklärt werden müsste, etwa welche Finanzinstrumente und Bilanzpositionen die UBS zum harten Kapital zählen dürfe und welche nicht.
Bei den Interessenverbänden kursiert die Befürchtung, dass der Bundesrat sich auf grobe Leitplanken beschränken wird, ohne dass es eine Gesamtsicht darüber gibt, was die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen neuer Bankvorschriften für die Schweiz bedeuten. Dem Vernehmen nach wird die Branche kaum angehört. Das Finanzdepartement agiere bei der Ausarbeitung des Bundesratsvorschlags eigenständig und ziehe nur punktuell Experten hinzu, heisst es in banknahen Kreisen.
Die Ungewissheit wegen der Kapitalfrage belastet auch den UBS-Aktienkurs. Seit Anfang 2024 bewegt er sich seitwärts, die jüngsten Börsenturbulenzen trafen die UBS-Aktie besonders stark. Einige Analysten gehen in ihrem Basisszenario für die Zukunft der Grossbank von einer vollständigen Kapitalunterlegung der Tochtergesellschaften aus.
Je mehr Eigenkapital die UBS aufbauen muss, desto weniger Gewinne kann sie in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen an die Aktionäre ausschütten. Sollten sich die mutmasslich verlangten 25 Milliarden Franken an Eigenkapital bewahrheiten, stiege über die Zeit damit zwar die Kernkapitalquote. Die Rentabilität und die Wettbewerbsfähigkeit der Bank würden jedoch darunter leiden.