Wegen des Absturzes an den Börsen haben Anleger infolge der Nachschusspflicht bei Devisenderivaten hohe Verluste erlitten. Besonders betroffen sind Kunden der Grossbank.

Der «Liberation Day» von Donald Trump und die damals angekündigten Zölle sorgten Anfang April für weltweites Chaos an den Börsen. Auch wenn die Finanzmärkte den Kurssturz mittlerweile wieder verarbeitet haben, zog er für viele Anleger unangenehme Konsequenzen nach sich, auch in der Schweiz. In vielen Depots liegen strukturierte Produkte, die auf Aktien, Edelmetallen oder Währungen aufbauen.

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Fallen diese Basiswerte unter einen bestimmten Wert, steigt bei den Kunden die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr investiertes Geld verlieren. Anfang April etwa haben sogenannte Barrier-Reverse-Convertibles reihenweise ihre eingebaute Barriere durchbrochen. Ein normaler Vorgang, wenn es an der Börse zum Ausverkauf komme, heisst es aus der Finanzbranche. Erholen sich diese bis zum Ende ihrer Laufzeit nicht mehr, bekommen Anleger als Folge die physischen Aktien ausgeliefert. Handelt es sich bei den unterliegenden Aktien um Nestlé, Roche oder Novartis, die von Schweizer Anlegern besonders gerne gekauft werden, lässt sich das Risiko meistens verschmerzen.

Anders dagegen bei exotischeren Finanzprodukten, etwa Derivaten, deren Werte von der Währungsentwicklung abhängen. Da der Dollar im Zollchaos ebenfalls an Wert verlor, gerieten auch Devisenderivate unter Wasser. Mit solchen Derivaten haben Kunden der UBS laut dem Finanz-Blog «Inside Paradeplatz» massive Verluste erlitten.

Um wie viele Kunden es sich handelt und wie hoch die Verluste tatsächlich sind, ist unklar. Die Grossbank kommentiert den Fall auf Anfrage der NZZ nicht. Dem Vernehmen nach soll es sich um mehrere hundert Kunden aus der Schweizer Vermögensverwaltung der Bank gehandelt habe.

Die Nachschusspflicht erhöht das Risiko

Welche Rendite sie auf diesen Derivaten erhalten haben, ist unklar, ebenso wie die Kosten, die sie dafür bezahlt haben. Dem Vernehmen nach soll die Grossbank ihren Kunden sogenannte Range-Produkte auf Währungen und Edelmetall verkauft haben. Strukturiert waren sie als sogenannte OTC-Transaktionen, sie werden also nicht an der Börse gehandelt. Typischerweise schliesst die Bank mit dem Kunden einen Rahmenvertrag ab, in welchem unter anderem die Bedingungen und die Laufzeit fixiert werden.

Die Produkte sind schon länger auf dem Markt. Kunden kaufen sie wegen ihrer Rendite oder weil sie in einer bestimmten Währung eine Position auf- oder abbauen wollen. Zu einer möglichen Gefahr für die Investoren werden sie vor allem durch die allfällige Nachschusspflicht.

Investiert ein Kunde beispielsweise in ein Range-Produkt, das auf dem Dollar basiert, bedeutet dies, dass sich die Währung nur innerhalb einer vordefinierten Spanne bewegen darf. Ist das der Fall, erhält der Kunde in regelmässigen Abständen, beispielsweise alle zwei Wochen, eine Prämie ausbezahlt. Unterschreitet die Währung die Spanne, muss der Investor die Währung nachkaufen. Ist sein Vermögen bei der Bank dafür zu klein, muss er Geld nachschiessen. Oft sind diese Produkte zudem gehebelt. In guten Zeiten vervielfacht sich damit die Rendite auf dem eingesetzten Kapital. Entwickeln sich die Finanzmärkte entgegen den Erwartungen, vervielfacht sich der potenzielle Verlust umgekehrt ebenso und damit die Nachschusspflicht der Kunden.

Die entscheidende Frage ist, ob diese Produkte auch an die richtigen Kunden verkauft worden sind. Für normale Kunden seien Derivate mit Nachschusspflicht nicht geeignet, das sei eine andere Liga, sagt ein Bankmanager, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie seien für reiche Kunden gedacht, die über das Wissen, die Erfahrung und die notwendige Liquidität verfügten, um in Derivate investieren und die möglichen Verluste auch tragen zu können.

Zudem gibt es rechtliche Vorschriften. Kundenberater müssen Anleger im Vorfeld einer solchen Investition über das mögliche Gesamtrisiko aufklären. Dem Vernehmen nach klärt die Grossbank derzeit ab, ob ihre Kundenberater sämtliche Standards tatsächlich eingehalten haben. Das maximal mögliche Gesamtrisiko sei für die Kunden jedoch stets ersichtlich gewesen.

«Über Nacht ein absoluter Risikobeschleuniger»

Doch Kritiker warnen generell vor solchen Produkten. «Sie können über Nacht zu einem absoluten Risikobeschleuniger werden», sagt Pirmin Hotz, Inhaber der gleichnamigen Vermögensverwaltung. Anleger brauchen laut ihm keine Derivate oder anderen strukturierten Produkte. Traditionelle Anlagen wie Aktien und Anleihen seien für jedes Risikoprofil besser geeignet.

Regelmässig sieht Hotz in Gesprächen mit neuen Kunden, dass in deren Portfolios strukturierte Produkte liegen, die sie gar nicht brauchen. Viele seien zu wenig kritisch: «Die meisten Leute haben Vertrauen in ihren Bankberater», sagt Hotz. Schlägt ihnen dieser ein bestimmtes Produkt vor, seien sie gerne bereit, dem zuzustimmen.

Die Finanzmarktaufsicht (Finma) will sich auf Anfrage der NZZ nicht zu dem konkreten Fall der Grossbank äussern. Sie verfolge jedoch die Marktentwicklung und die Entwicklung bei den beaufsichtigten Instituten eng. Bezüglich Derivaten und anderen strukturierten Produkten weist die Finma zudem auf das Emittentenrisiko hin. Gerät der Herausgeber des Finanzprodukts in Schieflage, laufen Anleger Gefahr, dass sie ihr Geld nicht mehr vollständig zurückerhalten. Beim Verkauf von strukturierten Produkten müssten die Kunden zudem über die Risiken aufgeklärt werden. Der Regulator überwacht, ob die Banken diese Regeln einhalten.

Die Schweiz gehört zu den grössten Märkten weltweit für strukturierte Finanzprodukte. Gemäss der Schweizerischen Nationalbank lagen im Februar 2025 strukturierte Produkte im Wert von 256 Milliarden Franken in Schweizer Depots. Wie viele Derivate derzeit ausstehend sind und wie viele davon von privaten Investoren gehalten werden, geht dagegen aus der Statistik nicht hervor.

Die Nachfrage nach solchen Produkten dürfte laut Vertretern der Finanzbranche jedoch hoch bleiben. Einer der Treiber sind die derzeit tiefen Zinsen. Sinken diese weiter, könnte dies dazu führen, dass Anleger ihre Suche nach Renditen intensivieren. Auf die Gefahr hin, dass damit auch ihr Verlustrisiko steigt.

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