Donnerstag, Oktober 10

In den kommenden zwei Jahren könnte die UBS gemäss Schätzungen weitere 18 000 Arbeitsplätze abbauen. UBS-Mitarbeiter haben gegenüber CS-Angestellten eine Vorzugsbehandlung.

Seit Bekanntgabe der Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS befürchten Vertreter des hiesigen Finanz- und Arbeitsplatzes, dass es in der Schweiz zu einem massiven Stellenabbau kommen wird. Denn sehr lange buhlten die beiden Grossbanken faktisch in denselben Regionen und denselben Geschäftsbereichen um die genau gleichen Kunden.

Seit Mitte des letzten Jahres wird laut Befragten sowohl in der Schweiz als auch im Ausland gezielt Personal abgebaut. Bis Ende Jahr läuft zudem der von UBS-Chef Sergio Ermotti seit langem angekündigte Grossabbau von rund 3000 Stellen in der Schweiz.

Am Mittwoch gab die UBS anlässlich der Halbjahreszahlen bekannt, dass sie bereits rund 9 000 Leute weniger beschäftigt als noch vor einem Jahr. Per Mitte Jahr wurden noch 110 000 Vollzeitstellen ausgewiesen, im Vorjahr waren es 119 000. Ein Grossteil dieses Abbaus hat im Ausland stattgefunden. So vor allem in der Investmentbank der früheren CS in London und New York. «Die Integration in unserer Investmentbank ist weitestgehend abgeschlossen», bestätigt die UBS.

1500 von CS-Investmentbank übernommen

«Der Rückbau der CS-Investmentbank ging deutlich schneller über die Bühne als geplant», sagt Andreas Venditti, Analytiker bei der Bank Vontobel. Er verweist auf die Abwrack-Einheit «Non-Core and Legacy», in welche die UBS alle Aktivitäten verschoben hat, die sie zurückfahren wollte. Das betraf mehrheitlich Vermögenswerte der ehemaligen CS, die die UBS nicht mehr behalten und deshalb abwickeln oder verkaufen will.

Noch im dritten Quartal 2023 hatte die UBS angegeben, die risikogewichteten Aktiven in dieser Einheit bis Ende 2025 auf 51 Milliarden Dollar zu senken. Mit 50 Milliarden Dollar sei diese Zahl anderthalb Jahre früher bereits unterschritten worden, sagt Venditti. Offensichtlich konnte sich die UBS viel schneller als geplant von den Handelsbüchern der früheren CS und damit von Geschäften wie dem Handel mit verbrieften Produkten, Bond-Produkten und grossen Kreditbüchern trennen.

Wie viele Investmentbanker entlassen wurden, wird nicht bekanntgegeben. Laut Befragten gingen viele von selbst, nachdem klar geworden war, dass sich die UBS auch nach Einverleibung der CS auf die Vermögensverwaltung konzentriert. Aus der UBS ist zu vernehmen, dass insgesamt 1500 Investmentbanker der CS von der UBS übernommen wurden. Zum Vergleich: Ende 2022 arbeiteten dort noch geschätzt 17 000. Zu hören ist aber, dass es schon während der Turbulenzen bei der CS Ende 2022 und Anfang 2023 zu vielen Abgängen kam. Übernommen hat die UBS in der Schweiz beispielsweise das erfolgreiche Fusions- und Übernahme-Team der CS, das Firmen bei Kapitalmarkttransaktionen und Börsengängen berät.

Das Renditeziel bestimmt den Stellenabbau

Die UBS hat heute bereits 45 Prozent ihres Sparziels erreicht. Der UBS-Chef Sergio Ermotti will bis Ende 2026 13 Milliarden Dollar einsparen. Das geht nur mit weiteren tiefen Einschnitten beim Personal. Denn bei der Grossbank machten die Personalkosten zuletzt fast 70 Prozent der Gesamtkosten aus.

Wie viele Angestellte wird die neue UBS per Ende 2026 noch haben? Eine Hochrechnung könnte so aussehen: Will die UBS 2026 eine Kapitalrendite von 15 Prozent erreichen, wird sie einen Vorsteuergewinn von mindestens 14 Milliarden Dollar benötigen. Um diesen zu erreichen, müssten die Personalkosten auf rund 23 Milliarden sinken. Der Personalbestand müsste dann auf rund 92 000 Mitarbeiter reduziert werden. Das schätzt ein Beobachter, ein zweiter kommt auch auf diese Zahl. Beide wollen ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.

Ob die UBS Ende 2026 tatsächlich 18 000 Leute weniger beschäftigen wird als heute oder 28 000 weniger als vor einem Jahr, ist offen. Publizierte Vollzeitstellen müssen mit Vorbehalt gelesen werden. So werden heute auch noch Mitarbeitende mitgezählt, die bereits entlassen wurden oder selbst gekündigt haben. Diese stehen gerade in der Schweiz noch sehr lange auf der Lohnliste oder beziehen Leistungen aus dem Sozialplan. Wie viele angestellte Banker die UBS heute wirklich hat, ist deshalb unbekannt. Es könnten schon jetzt deutlich weniger als die ausgewiesenen 110 000 sein.

In den letzten zwanzig Jahren bewegte sich zudem die Mitarbeiterzahl bei beiden Banken immer auf einem ähnlich hohen Niveau, trotz wiederholten, auch grösseren Entlassungsrunden. Als Manövriermasse dienten auch die externen Mitarbeiter, deren Zahl nach Bedarf herauf- oder heruntergefahren werden kann.

«Bisher hat man in der Schweiz nicht allzu stark gemerkt, dass die CS verschwinden wird», sagt ein Banker. In London seien seit einem halben Jahr alle Hinweise wie Logos aus der Öffentlichkeit verschwunden. Hier könne man weiterhin eine mit CS beschriftete Filiale betreten und werde bedient. Das werde sich jetzt ändern, so der Banker.

Denn bis Ende Jahr sollen in der Schweiz 3000 Stellen gestrichen und so die nächste Milliarde eingespart werden. Tausend davon betreffen das Schweiz-Geschäft von UBS und CS.

CS-Filialen werden abgebaut

Im Fokus steht der Abbau der Filialen. Laut Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse wird es nach der Integration noch 194 UBS-Filialen geben. Das würde bedeuten, dass 95 Filialen geschlossen werden. Offenbar soll es fast ausschliesslich solche der CS treffen.

Wie ist das möglich? Banker berichten, dass die UBS bei geografisch nahe gelegenen Filialen Kriterien wie Standort, Fussgängerströme oder Grösse prüfte. Waren beide Filialen gleich gut geeignet, zählte die Stimme der UBS-Vertreter wohl mehr als die der involvierten früheren CS-Banker, mutmasst eine Bankerin. Die UBS nahm keine Stellung dazu.

Eine einfache Rechnung dazu, wie viele Stellen so ein Filialabbau kostet, gibt es nicht. Entscheidend sind die Kunden, wechseln viele Kunden der CS zur UBS-Filiale, braucht es mehr Berater, sonst nicht. Zwei Teamchefs aber braucht eine Filiale im Normalfall nicht.

Befragte sind allerdings überzeugt, dass zahlenmässig das Grossreinemachen bei den Gruppen-Funktionen stärker als bei den Filialen ins Gewicht fallen wird. Im Personalwesen, im Rechtsdienst, im Risiko-Management oder im Marketing seien auf vielen Positionen keine Doppelbesetzungen möglich, ist zu hören.

Den Takt des Jobabbaus gibt aber auch die IT vor. Denn das benötigte Personal hängt entscheidend von der Integration der IT-Systeme der CS und der Migration von CS-Kunden auf die Plattform der UBS ab. Mit Hochdruck wird am Herunterfahren der IT-Systeme gearbeitet, die UBS will höchstens ein Zehntel der CS-Systeme behalten. Die Migration findet dann hauptsächlich im Laufe von 2025 statt. Bis Ende 2026 soll die CS-Plattform ganz abgeschaltet sein. Bis dahin dürfte es noch nicht zu vielen Entlassungen kommen, da oft mehr Personal gebraucht wird, um die Migration der CS-Kunden reibungsfrei zu gestalten.

Erste Sozialpläne laufen aus

Sind dann alle CS-Kunden auf die UBS-Plattform überführt, kommt der Jobabbau in der IT. Heute sollen mehr als 10 000 Leute eine IT-Funktion bekleiden, geschätzte 40 Prozent davon sind externe Berater und Dienstleister.

Aus dem Umfeld der Bankspitze ist nun zu hören, dass nach abgeschlossener IT-Migration nur noch gut 2600 externe IT-Experten die Gruppen-IT betreiben sollen. Es sei ein Anliegen des obersten IT-Chefs Mike Dargan, den Anteil der internen Mitarbeiter zu steigern, weil IT eine kritische Funktion sei.

Weniger Abbaumöglichkeiten sieht Michael Klien, Banken-Analytiker bei ZKB, in der Vermögensverwaltung, etwa in Nordamerika. Die Beraterteams seien dort sehr selbständig unterwegs und würden die Bank hauptsächlich als Produktplattform nutzen. «Zuletzt ging die Anzahl Berater vor allem in der Europa-Region zurück», so Klien. Die UBS beschäftigt weltweit rund 10 000 Kundenberater.

Befragte Banker sind sich einig, dass dass CS-Leute gegenüber UBS-Mitarbeitern klar die schlechteren Chancen hätten, ihren Job zu behalten. Und primär CS-Mitarbeiter entlassen wurden und werden. Das ist wohlgemerkt bei jeder «unfreundlichen Übernahme» der Fall. Die UBS hatte stets erklärt, die besten Leute zu übernehmen, unabhängig aus welcher Bank. Auf Anfrage erklärt sie, die Aussage, sie baue vor allem CS-Personal ab, sei falsch. Zahlen nennt sie nicht.

Sicher ist, dass es seit 2023 über alle Bereiche hinweg zu Entlassungen gekommen ist. Jetzt laufen zudem die ersten Sozialpläne aus, laut Beobachtern melden sich Betroffene bei den Arbeitslosenämtern. Allerdings hätten auch viele CS-Angestellte selbst gekündigt. Auch einige Banker der UBS, die sich, so wird spekuliert, daran störten, dass die Übernahme das Tagesgeschäft der UBS noch über Jahre hinweg dominieren wird.

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