Der Lindenberg-Song «Sonderzug nach Pankow» soll in zwei Wochen am Humboldt-Forum von einem Chor gesungen werden. Nur ohne das I-Wort. Denn darin klinge die «Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen» nach, so das Humboldt-Forum.
Udo Lindenbergs Achtziger-Jahre-Hit «Sonderzug nach Pankow» steht neuerdings in Berlin auf dem Index, weil das Wort «Indianer» darin vorkommt. Staatlicherseits kann das Lied natürlich nicht verboten werden, es steht unter dem Schutz der Kunstfreiheit. In diesem Falle haben sich die Akteure jedoch fast ganz von selbst («nach einer offenen Diskussion») entschieden, das I-Wort nicht zu verwenden, weil es «aus heutiger Sicht diskriminierend wahrgenommen werden kann», sagten die Vertreter vom Humboldt-Forum gegenüber der «Bild»-Zeitung. Statt «Oberindianer» soll jetzt von einem Chor während eines Konzertes «Ober-I» gesungen werden. Spott und Kritik liessen nicht lange auf sich warten.
Der Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki äusserte sich zur Indizierung. Es sei «kulturlos, Udo Lindenbergs Kunst in eine Reihe mit schweren Verbrechen in der amerikanischen Kolonialgeschichte zu stellen». Der Historiker Hubertus Knabe sagte: «Das Humboldt-Forum entwickelt sich immer mehr zur linksradikalen Sekte. Es wird Zeit, dass diejenigen, die diese Ausrichtung befördern und bezahlen, aus dem Amt gewählt werden.»
«Honni» der «Oberindianer»
Es geht um ein musikalisches Wochenende im Humboldt-Forum in gut zwei Wochen, wo acht Chöre unter dem Motto «Vielstimmig 2024» Lieder von Hanns Eisler bis Udo Lindenberg singen wollen. Das Humboldt-Forum im Berliner Stadtschloss steht heute dort, wo einst der «Palast der Republik» der DDR war. Gerade für das Lindenberg-Lied ist das ein symbolträchtiger Ort.
Ein kleiner Rückblick: Es ging damit los, dass Udo Lindenberg eine Absage bekam. Lindenberg wollte in der DDR ein Konzert geben, wie er 1979 in einem Interview mit dem Radiosender SFB sagte, also dem Westradio. Auf dieses Ansinnen hatte der Kulturchef des DDR-Regimes schriftlich geäussert: «Auftritt in der DDR kommt nicht infrage».
Als Reaktion veröffentlichte Lindenberg 1983 das Lied «Sonderzug nach Pankow». In dem Song spricht er den damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker als «Honni» an und nennt ihn den «Oberindianer», lädt ihn zum gemeinsamen Cognac-Trinken ein und unterstellt ihm, sich heimlich gerne eine Lederjacke anzuziehen und auf dem Klo Westradio zu hören. Udo Lindenbergs Lied – zur Melodie von Glenn Millers Klassiker «Chattanooga Choo Choo» – wurde im Westen ein Hit. Es galt als mutiger und humorvoller künstlerischer Protest gegen die deutsche Teilung.
Im Osten durfte man es nicht lustig finden. Dort wurde das Lied offiziell als respektlos und provokativ verurteilt. Und doch triumphierte Lindenberg: Er konnte am 25. Oktober 1983 im Palast der Republik auftreten – unter den Augen der Staatssicherheit. Das Lied «Sonderzug nach Pankow» durfte er allerdings nicht spielen. Es blieb sein einziges Konzert in der DDR, bis er 1990 im Osten auf Tour ging, kaum dass die Wiedervereinigung dies ermöglicht hatte.
Lindenberg als Urheber hat sich noch nicht geäussert
Der Palast der Republik wurde nach der Wende entkernt und abgerissen; dann wurde am selben Ort das Stadtschloss errichtet. Das darin ansässige Humboldt-Forum beherbergt unter anderem das Ethnologische Museum und wird vom Staat allein in diesem Jahr mit 48 Millionen Euro finanziert. An diesem Ort wird nun Udo Lindenbergs Lied ohne das Wort «Oberindianer» gesungen.
«Auch wenn das Wort in dem Lied in seiner Entstehungszeit 1983 eine metaphorische Konnotation hatte – und es sich damals satirisch-kritisch auf Erich Honecker bezog – sind wir uns auch bewusst, dass in dem Wort die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt», heisst es in einer Erklärung der Stiftung Humboldt-Forum dazu. Zuerst hatte die «Bild»-Zeitung berichtet. Udo Lindenberg selbst, dessen Urheberrecht betroffen ist, hat sich noch nicht geäussert.