Dienstag, Oktober 22

Pasta alla Vodka ist ein Klassiker, den Sie unbedingt probieren sollten. Wer das Gericht erfunden hat, darüber scheiden sich die Geister.

Es gibt diese Gerichte, da ist es mir völlig egal, ob ihnen der Duft der Authentizität entweicht. Hauptsache, sie sind zum Finger-Abschlecken lecker. Penne alla Vodka ist so ein Gericht. Wer öfters in den USA reist, kennt diesen Klassiker nicht nur, weil er es in einem Restaurant bestellt hat (dort rangiert es in der Beliebtheit nur knapp hinter den Spaghetti alla bolognese), sondern auch aus den Regalen fast jedes Lebensmittelgeschäfts.

Riesige Gläser mit allen möglichen Sughi stehen da, und die Wodka-Sauce fehlt nie. Da kommt der Verdacht auf, das Rezept sei eine amerikanische Erfindung. Auch, weil man sich schwertut mit der Vorstellung, dass italienische Nonne ihre Saucen ausgerechnet mit Wodka verfeinern.

Wer zuerst auf die Idee kam, Wodka mit Tomaten, Chili und Knoblauch zu kombinieren, ist nicht hinlänglich belegt. Beteiligt am Aufstieg der Penne alla Vodka ist der Schauspieler Ugo Tognazzi. Er war wohl durch und durch verfressen, und mit seiner Rolle im herrlich dekadenten Film «La grande bouffe» bewies er dies auch auf der Leinwand.

Darauf folgte 1974 die Veröffentlichung seines eigenen (und ziemlich bizarren) Kochbuchs «L’abbuffone». Darin beschreibt er, wie er ein Arrabbiata-Rezept abwandelt, indem er Rahm hinzufügt, um es abzuschwächen, und einen Schuss Wodka, um es zu emulgieren. Er nannte das Gericht «Pasta all’infuriata».

Pasta und Wodka: Wie internationale Beziehungen zu der Kombination führten

Die ersten Experimente mit der hochprozentigen Pasta sind der Kochcrew der italienischen Delegation anlässlich der Weltausstellung in Osaka 1970 zu verdanken. Während im italienischen Pavillon der legendäre Motorrad-Champion Giacomo Agostini auf seiner MV Agusta die Japaner staunen liess, war laut dem Chefkoch Mario Zorzetto, einem Römer, die Stimmung auf der Expo alles andere als freundlich – nur mit den Russen verstand man sich gut.

Nach Feierabend kochten Zorzetto und seine Crew Spaghetti für ihre östlichen Stand-Nachbarn, die, dem nationalen Klischee entsprechend, sich mit Wodka revanchierten. Eines Nachts, bestimmt mit ein wenig zu viel von Letzterem, wurde beides kombiniert. Die Penne alla Vodka waren geboren.

Der Chefkoch Zorzetto, in dessen Römer Lokalen sich Schauspieler und High Society die Klinke in die Hand gaben, kehrte schliesslich nach Rom zurück, entwickelte das Rezept weiter und präsentierte es in seiner «Taverna Giulia».

Let’s dance! Pasta alla Vodka wird in Nachtklubs gegessen

Zorzetto ist nicht der Einzige, der bei der Pasta alla Vodka die Finger im Spiel hat. In den späten siebziger Jahren führen die Spuren zum Restaurant «Dante» in Rom, zum «Casari» in Bologna und zum Florentiner «Alla Vecchia Bettola», wo das Gericht ebenfalls seit den späten siebziger Jahren serviert wird. Auf der Speisekarte als «Penne alla Bettola» – ohne den Zusatz «Vodka» – vermerkt, hat sich die Pasta in Florenz zu einem legendären Gericht entwickelt, das sowohl von den Azzurri als auch von Touristinnen und Touristen geliebt wird.

Nur wenige Jahre später hatte sich das Gericht vollends etabliert und wurde zur kulinarischen Ikone der achtziger Jahre – nicht nur in Trattorien, sondern auch in den Discos Roms. In diesen Jahren fand die gute Küche ein neues Zuhause in Nachtklubs, und an rauschenden Nächten in der Ewigen Stadt war es üblich, dass Partygänger ein einziges Lokal für Musik, Tanz und gutes Essen besuchten. Bald konnte man keinen Klub betreten, ohne Penne alla Vodka zu sehen – oft flambiert am Tisch. Varianten wie «Penne al Brandy» und «Penne alla moscovita» (mit Rauchlachs und Kaviar) folgten in raschem Tempo.

Auch italoamerikanische Köche in New York bekamen Wind davon. Sie benutzten Wodka, um die rahmigen, cremigen Sughi – von den Amerikanern bevorzugt – etwas eleganter zu machen. Schon damals waren Gastrokritiker rasch zur Stelle – und alles andere als begeistert. Die «New York Times» etwa bezeichnete die neue Trend-Pasta 1981 als «besoffene Pasta Alfredo».

Echte italienische Küche? Lieber nicht

Je populärer das Gericht in den Staaten wurde, desto weniger wollte unser Nachbarland noch etwas damit zu tun haben: In Italien bemühte man sich, eine allfällige Verstrickung Italiens in die Erfindung als Komplott gegen die vera cucina italiana abzutun. Ein Nationalgericht konnte es schon darum nicht sein, weil es zu fremdartig schien, Rahm für Pasta zu verwenden – Rahm, der doch erst vor wenigen Jahrzehnten aus sämtlichen Vorspeisen verbannt worden war, quasi als eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Letztlich sind mir als Pasta-Aficionado die Streitereien um Herkunft und Authentizität fremd. Ich bin natürlich kein Italiener und kann keine Auskunft darüber geben, wie leidenschaftlich das italienische Koch- und Esskulturherz schlägt oder warum man am liebsten zur Waffe greifen täte, wenn die Schweizer in den italienischen Bars nach elf Uhr morgens noch Cappuccino bestellen oder in der Trattoria Spaghetti bolognese mit Tschianti ordern. Bei mir muss es schmecken, basta.

Hier finden Sie mein Rezept, das garantiert schmeckt:

Richi Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Zur Waffe greift er nur, wenn lieblos für ihn gekocht wird. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch. Instagram @richifoodscout

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