Mittwoch, Oktober 2

Die Natur hält eine Fülle an wilden Kräutern und Pflanzen bereit, die für Körper und Gaumen gleichermassen gut sind.

Wer in Zell am Ziller mit offenem Fenster schläft, wird von einem krautig-belebenden Duft geweckt, denn im Hotel Malis Garten sind die Blumenkästen mit Wacholder bepflanzt. Bereits knipst das Küchenteam im eigenen Heil- und Küchenkräutergarten die frische Verveine, Roten Sonnenhut und Thymian. «Der kürzeste Weg zur Gesundheit ist der Weg in den Garten», sagt der Kellner mit einem Augenzwinkern, als er zum Frühstück ein Omelette mit den frisch geernteten Kräutern serviert. Das Green Spa Hotel hat dieses Jahr die Auszeichnung zum Hotel des Jahres erhalten. Weil man hier voranschreitet, wenn es darum geht, die Pflege sowie den Schutz der Natur in jede Überlegung mit einzubeziehen.

Auf dem Zimmer gibt es statt Minibar Bio-Kräutertee und Bergwasser. Im Spa wird frische Aloe vera für die Gesichtsbehandlung verwendet – die uralte Heilpflanze ist das einzige Produkt, das die Kosmetikerin für die Gesichtsbehandlung verwendet, um die Haut zu kühlen, zu beleben und zu nähren. In Zell am Ziller, ums Eck von Innsbruck und mit dem Zug bequem in 4 Stunden zu erreichen, hat man sich ganz der Kraft der Pflanzen und ihrer wohltuenden Wirkung verschrieben.

Natur-Wildkräutergarten auf 1500 Metern über Meer

Noch deutlicher wird das auf der «Kräuter-Sinnen-Wanderung» im nahe gelegenen Dörfchen Brandberg. Der Wanderleiter und ehemalige Schulmediziner Joseph Heim zückt ein kleines Säckchen aus seinem Rucksack. Es sind in Honig eingelegte Fichtensprossen, also die kleinen, grasgrünen Triebe der Fichte. Er hat sie zwei Wochen im Honig ziehen lassen und dann im Ofen bei 60 °C getrocknet. Sein bestes Hausmittel, wenn es im Hals kratzt. «Vitamin C, Tannine, ätherische Öle»: Der Almkräuterer rattert die wohltuenden Wirkstoffe auswendig herunter – er ist ein wandelndes Heilkräuterlexikon. Die Landschaft am Brandberg 1500 Meter über Meer nennt er seinen «Natur-Wildkräutergarten».

Die Wege sind gesäumt von Pflanzenschätzen. Man muss gar nicht lange suchen, die Kräuter findet das wachsame Auge von selbst. Hier oben, mit Blick auf Almen und wilde Wiesen, lässt sich arglos wilde Kräuter sammeln. Zu Hause empfiehlt es sich allerdings, sie nicht in der Nähe von Hundespazierwegen und pestizidbehandelten Flächen zu zupfen.

Thymiantee zur Wintervorbereitung

In der Almidylle nisten im Bergbach ein paar Blätter der senfaromatischen Brunnenkresse. Und die zähe Vogelmiere mit ihren zarten weissen Blüten breitet sich wie eine sanfte Decke in der Wiese aus. Der Almkräuterer Heim reicht die Pflanze zum Verkosten. «Ist wie eine Frühjahrskur für die Blutreinigung, sie stärkt die Abwehrkräfte», erklärt er. «Und ist gut für die Verdauung.»

Gleiches gilt für den Gemeinen Wacholder, dessen Beeren sich jetzt im Herbst von Weiss zu einem tiefen Dunkelblau verfärben. Er soll ausleiten, die Nieren durchspülen und mit seiner Wärme Krämpfe und Schmerzen im Unterleib lösen (etwa während der Menstruation). Der Kräuterguide Heim knipst derweil von Hand einen Zweig vom alpinen Thymian ab: «Je weiter oben wir ihn ernten, desto intensiver schmeckt er, denn er liebt die Sonne.» In der Küche aromatisiert Thymian Risotti, Fisch und Fleisch, für den Körper hat er eine stärkende Wirkung: «Ein Liter Thymiantee in der Woche macht den Körper fit für den Winter», so lautet Joseph Heims Devise.

Er empfiehlt eine sanfte Art der Zubereitung: Er giesst die Kräuter kalt auf, weil: «Das kochend heisse Wasser wirkt auf sie wie ein Hitzeschock und zerstört bis zu 90 Prozent der Wirkstoffe», erklärt er. Wer die Kraft der Kräuter also behalten möchte, setzt sie erst im kalten Wasser an, lässt sie eine Stunde ziehen, passiert alles durch ein Sieb und erwärmt die Flüssigkeit, just bis das Wasser anschwillt.

Das «Ginseng der Alpen»

Das Licht fällt während unserer Kräuterwanderung warm und gülden durch die Tannenkronen. Es ist die Zeit der späten Früchte wie Sanddorn oder Schlehe. Die Natur nimmt jetzt nochmals einen Anlauf, bevor sie mit dem Frost in den Winterschlaf fällt. Es bleibt also noch Zeit, um Brennnesselsamen mit ihrem unschlagbaren Eisengehalt zu ernten und fortan ins Frühstücksmüesli oder den Brotteig zu streuen. Oder um sich eine Handvoll Vogelmiere mit ihrem nussig-milden Aroma für Würze im Salat, im Pesto oder im Kräuterquark einzupacken.

Steil geht es den Berg hinauf, über moosverwachsene Wurzeln und am Meisterwurz vorbei. «Wenn es ‹Wurz› im Namen drin hat, dann ist es eine besondere Pflanze mit besonders viel Kraft», klärt der Almkräuterer auf. Meisterwurz ist das «Ginseng der Alpen» – quasi der Meister aller Heilwurzeln. Die knorrige Wurzel wärmt von innen, senkt Fieber, wirkt antibakteriell und regt den Gallensaft an. Derweil schmeckt die weisse Dolde würzig, ein bisschen wie Sellerie oder Karotte – und besonders köstlich in einem Bierteig ausgebacken. Wildkräuter, so schliesst man schnell, sind gleichermassen wohltuend für den Körper und wohlriechend für den Gaumen.

Die Waldgrenze ist erreicht. Hier, fast 1800 Meter über Meer, steht Heims Kräuterstall. Ein umfunktionierter alter Heustall, in dem geerntete Flockenblumen zum Trocknen ausgelegt sind. Ein Heilkraut mehr, das turbulente Mägen beruhigt und die Verdauung ankurbelt. Zeit für den Abschied. Gestärkt vom warmen Licht, von der guten Luft und der wohltuenden Wirkung der Kräuter, tippelt die Wander-Truppe durch diesen Biosphären-Kraftplatz zurück ins Tal. Glücklich, wer sich ein Sträusschen vom alpinen Thymian eingepackt hat: Er verströmt auch Stunden später noch sein pikant-liebliches Aroma – und in kaltem Wasser gezogen und wieder erwärmt, ergibt er einen willkommenen Tee gegen den ersten Schnupfen der Saison.

Der Besuch wurde vom Hotel und von Zillertal Tourismus unterstützt.

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