Donnerstag, November 21

Pete Conrad / Nasa / Imago

Etwa tausend menschengemachte Objekte sind seit den ersten Missionen in den 1950er Jahren auf dem Mond zurückgeblieben. Die einen wollen das Material rezyklieren, für andere ist es schützenswertes Kulturgut.

Noch in diesem Jahrzehnt sollen wieder Menschen auf dem Mond stehen: Die USA planen eine Mission für September 2026, bei den Chinesen soll es 2030 so weit sein. Einmal auf dem Erdtrabanten gelandet, werden die Astronautinnen und Astronauten den Relikten früherer Missionen begegnen. Um die tausend Dinge hat der Mensch auf dem Mond zurückgelassen. Diese befinden sich an folgenden Stellen:

Apollo 11

Keine Hinterlassenschaft ist ikonischer als die Spuren, die Neil Armstrongs Stiefel am 21. Juli 1969 in den hellen Mondstaub gedrückt haben. «That’s one small step for man, one giant leap for mankind», sagte er voller Pathos, als er in den frühen Morgenstunden mitteleuropäischer Zeit aus der Landefähre Eagle stieg, um als erster Mensch einen fremden Himmelskörper zu betreten. Bis heute befinden sich die Fussabdrücke unberührt auf dem Mond, weil es dort weder Wind noch Erosion gibt, die sie verwischen konnten – und gleich daneben stehen noch immer die Beine der Eagle.

Auch anderswo liegen noch so manche kleine und grosse Gegenstände herum. Da hat es Trümmer von Raumsonden, Mondautos und noch immer funktionierende Roboter, Überreste von Experimenten mit winzigen Tieren, aber auch Kuriositäten wie Golfbälle oder Dollarnoten. Sogar eine Urne mit menschlicher Asche. Mehr als 200 Tonnen Material sollen es gesamthaft sein. Wie kamen all diese Dinge da hinauf? Und was geschieht mit ihnen, wenn der Mensch zurück auf dem Mond ist?

Pragmatiker wie Harrison Schmitt – der bisher letzte Astronaut, der den Mond betreten hat – sehen die Überbleibsel vergangener Missionen als handfeste Chance, um Ressourcen zu sparen: Man müsse alles davon wiederverwenden, sagte er einmal. Neues Material für künftige Projekte auf den Mond zu schaffen, sei so teuer.

Ganz anders sehen das dagegen Leute wie Michelle Hanlon. Die Professorin für Weltraumrecht von der University of Mississippi setzt sich mit ihrer Non-Profit-Organisation «For All Moonkind» für den Schutz des menschlichen Kulturguts im All ein. «Manche Dinge auf dem Mond sind für die Menschheit so bedeutsam, dass es sie zu bewahren gilt», sagt sie.

Gemäss dem Outer Space Treaty, einem Abkommen aus den 1960er Jahren, haben sämtliche Staatsangehörigen der heute aktiven Raumfahrtnationen freien Zugang zum Mond. Der Vertrag fordert einzig, man müsse sich mit anderen abstimmen, wenn man schädliche Störungen verursachen könnte. «Doch was bedeutet das?», fragt Hanlon. «Aus rechtlicher Sicht weiss das niemand.» Die Landestelle der Apollo-11-Mission sei durch das Abkommen jedenfalls nicht geschützt. Jedes Mondfahrzeug könnte über Neil Armstrongs Fussabdrücke fahren und sie zerstören.

Luna 9

Ein erster Erfolg ist «For All Moonkind» bereits gelungen. Die Organisation bereitete einen Gesetzesentwurf vor, der im Dezember 2020 von beiden Kammern des US-Kongresses angenommen wurde. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, die mit der Nasa arbeiten, sich an den Schutz der amerikanischen Landestellen auf dem Mond zu halten. Das wird auch von allen Unterzeichnern der Artemis Accords verlangt, des Regelwerks zwischen den USA und anderen Nationen zum aktuellen Mondprogramm der Amerikaner. Neben 47 anderen Ländern hat auch die Schweiz das Abkommen diesen Frühling unterschrieben.

«Das neue Gesetz ist aber nur ein kleiner Schritt», sagt Hanlon. Es schütze nur, was von den amerikanischen Missionen übrig geblieben sei. Mindestens so bedeutsam seien aber Luna 2 oder Luna 9 von den Sowjets. Luna 2 war das erste menschliche Objekt, das jemals einen Himmelskörper im All erreicht hat. Allerdings auf ziemlich brachiale Weise: Mit einer Geschwindigkeit von etwa 12 000 Kilometern pro Stunde schlug die Sonde am 13. September 1959 auf dem Mond ein. Viel dürfte deshalb nicht mehr von ihr übrig geblieben sein.

Anders bei Luna 9. Sie war die erste Fähre, die eine weiche Landung auf dem Mond hinlegte. Nachdem die Landekapsel am 3. Februar 1966 den Boden erreicht hatte, öffneten sich vier Segmente, fast wie die Blütenblätter einer Blume, um die 99 Kilogramm schwere Apparatur zu stabilisieren.

Als einige Stunden später die Sonne günstig stand, schoss eine rotierende Kamera neun Bilder der Mondoberfläche, um sie zur Erde zurückzuschicken. Noch heute liegt die Kapsel auf einer Tiefebene des Mondes namens Meer der Stürme. «Es braucht ein weitaus besseres Abkommen als das bisherige, um auch solche Objekte zu schützen», sagt Hanlon.

Apollo 14

Damit ein Schutzvertrag wirklich etwas bringt, müssten alle grossen Weltraumnationen zu den Unterzeichnern gehören, auch Russland und China. Hanlon ist davon überzeugt, dass dies möglich ist. Seit mehreren Jahren setze sich ihre Organisation für ihr Anliegen auch bei den Vereinten Nationen ein. «Bisher hat uns noch kein einziges Land gesagt, das dies eine dumme Idee sei. Alle haben ein Interesse daran», sagt sie. Schliesslich habe auch jede einzelne Nation die Unesco-Welterbekonvention ratifiziert, die Kultur- und Naturstätten auf der Erde schütze.

Laut Hanlon wird es aber schwierig sein, sich darauf zu einigen, was alles geschützt werden soll. Was ist etwa mit der Bibel oder mit dem Bündel 2-Dollar-Noten, die die Astronauten der Apollo-14-Mission im Februar 1971 auf dem Mond gelassen haben? Die Noten wollten sie später auf der Erde als Mond-Souvenirs teuer verkaufen – doch sie gingen bei der Rückkehr vergessen.

Und was ist mit den beiden Golfbällen, die der Astronaut und Hobbygolfer Alan Shepard während derselben Mission über die Krater des Mondes hinweggeschossen hat? Shepard hatte einen modifizierten Golfschläger mitgebracht, den er an eine Schaufel für Gesteinsproben schrauben konnte. Nachdem er alle wissenschaftlichen Experimente auf der Mondoberfläche beendet hatte, schlug er damit die Bälle «meilenweit» in die Dunkelheit hinaus, wie er selber kommentierte. In Wahrheit waren es, so zeigten spätere Analysen, nicht einmal 40 Meter.

Noch immer liegen die Bälle dort – und haben laut Experten für Sammlerobjekte einen Wert von mindestens 10 Millionen Dollar das Stück. Geht es nach Hanlon, werden sie nie für eine Auktion zur Erde zurückkehren. Ob das auch andere so sehen, muss sich noch zeigen.

Lunar Prospector

Klar sei überdies, dass nicht alles Menschliche, was auf dem Mond lande, dort überhaupt erwünscht sei, sagt die Rechtsprofessorin. «Wir brauchen auch eine Diskussion darüber, wie wir eine Vermüllung des Mondes vermeiden.» Nach derzeitigem Recht könne jeder auf dem Himmelskörper hinterlassen, was er wolle.

So sollte im Januar 2024 eine private Mission 60 Mikro-Urnen mit der Asche von Verstorbenen auf den Mond bringen. Damals protestierte das indigene Volk der Navajo vehement, weil dies aus ihrer Sicht eine Entweihung dieses heiligen Ortes bedeute. Das Vorhaben scheiterte: Wegen eines Treibstofflecks stürzte die Raumsonde zurück Richtung Erde und verglühte in der Atmosphäre.

Es wäre nicht die erste Mondbestattung gewesen. Schon jetzt liegt die Asche des Geologen und Astronomen Eugene Shoemaker in einer Kapsel aus Polykarbonat im Mondstaub. Die Nasa liess 1999 die Sonde Lunar Prospector absichtlich auf den Mond stürzen. Sie enthielt auch die sterblichen Überreste des berühmten Wissenschafters, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Bereits damals gab es Proteste der Navajo.

Beresheet

Andere Objekte auf dem Mond wiederum sind für die Wissenschaft von Bedeutung. Dazu gehören die Überreste eines gescheiterten Experiments mit Bärtierchen. Die weniger als einen Millimeter kleinen Lebewesen mit acht Beinen sind als erstaunliche Überlebenskünstler bekannt. Sie können jahrelang in einem todesähnlichen Zustand verharren, ohne Wasser und Nahrung. Selbst tiefsten Temperaturen oder einem Vakuum halten sie stand. Die Bärtierchen sollten im April 2019 mit dem israelischen Raumfahrzeug Beresheet auf dem Mond landen. Doch die Mission ging schief, die Sonde stürzte auf die Mondoberfläche. Forscher sind brennend daran interessiert, ob manche der Bärtierchen noch leben.

Auch schon früher hat der Mensch Organismen zum Mond befördert. Bei ihren Apollo-Missionen brachten die Amerikaner – nicht wirklich beabsichtigt – fremdes Leben mit sich. Von den Toilettengängen der Astronauten im Weltraum blieben mehrere Dutzend Kotbeutel auf dem Mond zurück, worin sich verschiedenste Bakterienarten tummelten. Gemäss den Plänen von Nasa-Wissenschaftern sollen Roboter dereinst Proben daraus entnehmen, anhand deren sich die Überlebensfähigkeit der Mikroorganismen auf dem Mond untersuchen lässt.

Chang’e 4

Auch menschliches Leben soll bald wieder auf dem Mond zu finden sein. Die USA und China planen bewohnte Basisstationen am Südpol des Erdtrabanten. Die Chinesen arbeiten dafür mit Partnern wie Russland, Südafrika und Ägypten zusammen.

Bisher lief das chinesische Mondprogramm reibungslos. In diesem Sommer brachte eine Mission die ersten Gesteinsproben von der Rückseite des Mondes auf die Erde. Und es waren ebenfalls die Chinesen, die dort überhaupt erstmals eine Sonde weich landeten: Am 3. Januar 2019 setzte Chang’e 4 auf der Mondrückseite auf.

Mit im Gepäck hatte sie einen sechsrädrigen Rover namens Jadehase 2. Dieser verliess die Landefähre noch am selben Tag über eine Rampe, um Bilder von der Mondoberfläche zu schiessen und mit einem Radar den Boden zu untersuchen. Eigentlich war eine dreimonatige Erkundungstour geplant, doch Jadehase 2 ist noch heute funktionstüchtig. Allerdings bewegt sich der Roboter nicht mehr so viel wie früher: Bis Herbst 2022 legte er auf dem Mond 1300 Meter zurück, danach kamen nur noch 300 Meter dazu.

Der Mensch hat auf dem Mond Erstaunliches geleistet: Chinesische Sonden haben seine Rückseite erreicht, die Sowjets schossen die ersten menschlichen Objekte auf den Erdtrabanten, die Amerikaner betraten ihn sogar. Doch Kriege und politische Streitigkeiten spalten die drei grossen Weltraummächte derzeit. Die USA planen ihre nächsten Mondmissionen deshalb mit anderen Partnern.

Michelle Hanlon glaubt, dass sich diese Nationen trotzdem die Hand reichen werden, wenn bald wieder Astronautinnen und Astronauten über den Mond wandern. «Im Weltraum herrschen so extreme Bedingungen, dass sich die Menschen dort oben ganz selbstverständlich helfen», sagt sie. Für ein Abkommen zum Schutz der Objekte auf dem Mond, so ist sie überzeugt, stellen die Konflikte auf der Erde kein Hindernis dar.

USA-Flaggen: Die erste amerikanische Flagge wurde von Neil Armstrong und Buzz Aldrin während der Apollo-11-Mission 1969 auf dem Mond gehisst. Fünf weitere folgten im Rahmen späterer Apollo-Missionen und blieben auf der Mondoberfläche zurück.

Nasa / Corbis / Getty

Mitarbeit: Franco Gervasi (Programmierung), Martin Berz (Bildredaktion)
Quelle: Wikipedia (Liste künstlicher Objekte auf dem Mond, Stand: November 2024)

Dieser Artikel erschien erstmals am 17. November 2024 in der NZZ. Bei der vorliegenden Version handelt es sich um eine aktualisierte Fassung.

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