Sonntag, Oktober 6

Egal ob im Zug oder am Strand: Überall schallt der eigene Sound in die Welt – was ist aus dem diskreten Charme von Kopfhörern geworden? Muss ich mich damit abfinden, dass alle ihre Geräte halb- bis sehr laut hören? – Hans S., Zürich

Lieber Hans, ich bin optimistisch, was die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft angeht: Gerechtigkeitsempfinden, Feinfühligkeit, Rücksicht, Toleranz – doch dies kommt mit einem Preisschild. Denn das eigene Empfinden wird ebenfalls stärker und dringlicher wahrgenommen, als dies vor einigen Jahren noch der Fall war. Durch die Ausweitung der jeweiligen Ich-Zonen kollidieren wir zunehmend mit Menschen, die ihre Befindlichkeiten ganz ähnlich ausagieren, und es kommt im öffentlichen Raum wegen kleinsten Kleinigkeiten zu Reibungen.

Das zeigt sich auch in der Lärmzone, die man für sich in Anspruch nimmt: Während wir früher noch darüber diskutiert haben, ob man überhaupt in der Öffentlichkeit telefonieren darf, werden jetzt ganze Gespräche, Musikvorlieben und Tiktok-Videos im Grossraumabteil geteilt. Und auch die Sache anzusprechen – «Könnten Sie vielleicht Kopfhörer aufsetzen?» –, ist nicht jedermanns Sache. Vermutlich braucht es mehr Aufklärung, mehr Regulierung, mehr Appelle, dass weniger manchmal mehr ist. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen, bis dahin empfehle ich eine Runde Ohropax für den eigenen Seelenfrieden.

Ihre Fragen senden Sie bitte an: hatdasstil@nzz.ch

Exit mobile version