Dienstag, März 4

Amerikanische Investoren zeigen Interesse an der Gasleitung. Laut unbestätigten Meldungen hat sogar die Regierung Trump ihre Hand im Spiel – mit Blick auf einen grossen «Deal» mit Russland.

Als bei einem spektakulären Sabotageakt im September 2022 die Erdgaspipeline Nord Stream 1 und einer von zwei Strängen des Schwesterprojekts Nord Stream 2 explodierten, betrachteten die meisten Beobachter dies als Schlusspunkt in der Saga um die umstrittenen Rohrleitungen. Moskaus Überfall auf die Ukraine hatte vor Augen geführt, dass sich Europa vom billigen russischen Erdgas unabhängig machen musste – und die Explosionen in der Ostsee schufen entsprechende Fakten.

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Doch völlig tot ist Nord Stream 2 noch immer nicht, wie sich jetzt zeigt: Zwei Medienberichte deuten darauf hin, dass das Projekt neue Unterstützung geniesst, auch von überraschender Seite. Laut der Zeitung «Bild am Sonntag» reiste ein enger Gefolgsmann des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, sein Botschafter für Sonderaufgaben Richard Grenell, mehrmals zu Geheimgesprächen in die Schweiz. Am Sitz der Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 im Kanton Zug soll er die Möglichkeit einer russisch-amerikanischen Vereinbarung ausgelotet haben.

Deren Grundidee bestehe darin, über den noch intakten Strang der Pipeline russisches Erdgas nach Deutschland zu liefern und dabei amerikanische Betreiber dazwischenzuschalten. Der Bericht wird von Grenell dementiert und ist mit grosser Vorsicht zu behandeln. Manches daran wirkt höchst unplausibel.

Einst war Trump vehement gegen Nord Stream

So war es ausgerechnet Trump, der in seiner ersten Amtszeit gegen das Pipelineprojekt gewettert hatte und Deutschland vorwarf, sich energiepolitisch von Russland abhängig zu machen. 2019 setzte er sogar Sanktionen gegen beteiligte Firmen in Kraft. Eine verbreitete Interpretation lautete damals, dass Trump nicht nur aus geopolitischer Sorge über Russland handelte, sondern auch im Interesse amerikanischer Anbieter von Flüssiggas, die auf den europäischen Markt vordringen wollten.

Zudem ist nicht erkennbar, wie eine amerikanisch-russische Erdgasvereinbarung über die Köpfe der deutschen Regierung hinweg und gegen die Opposition der EU verwirklicht werden könnte. Der Idee stehen zudem amerikanische und europäische Sanktionen gegen Russland im Wege. Aber auch die «Financial Times» berichtet über den Versuch, Nord Stream 2 wiederzubeleben.

Im Zentrum der Geheimverhandlungen sieht die britische Zeitung einen Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, den deutschen Geschäftsmann Matthias Warnig. Der frühere Stasi-Offizier war bis 2023 im Dienste des russischen Staatskonzerns Gazprom Geschäftsführer der in Zug domizilierten Betreibergesellschaft von Nord Stream 2. Die «Financial Times» stützt sich bei ihrem Bericht über die Verhandlungen auf Informationen anonymer Regierungsvertreter in Washington und Brüssel. Der neue Plan gäbe den USA präzedenzlosen Einfluss auf die Energieversorgung Europas, gibt die Zeitung zu bedenken.

Kaufwilliger Investor aus den USA

Angesichts der riesigen Hindernisse ist derzeit unklar, ob es sich um ein blosses Luftschloss von Leuten handelt, die von einem «grossen Deal» zwischen Amerika und Russland träumen, oder ob es um ein Lockmittel geht, das den Kreml verhandlungswillig machen soll. Sicher ist immerhin, dass vonseiten amerikanischer Investoren durchaus Interesse an der lahmgelegten Pipeline besteht.

Der amerikanische Unternehmer Stephen Lynch, der über jahrzehntelange Geschäftserfahrung mit Russland verfügt und ein wichtiger Geldgeber der Trump-Wahlkampagne war, hat im vergangenen November offen sein Interesse an einem Kauf von Nord Stream 2 bekundet. Wie er damals gegenüber dem «Wall Street Journal» sagte, sieht er darin eine einzigartige Chance, «Kontrolle über die europäische Energieversorgung für den Rest der fossilen Ära» zu erlangen. Wegen der geltenden Sanktionsgesetze musste Lynch 2024 eine Ausnahmebewilligung beantragen, um in Verhandlungen mit den Besitzern treten zu können.

Gegenüber der Zeitung «Tagesspiegel» sagte der deutsche Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter, er habe aus unterschiedlichen Quellen von solchen Vorstössen gehört – und sprach von einem desaströsen Vorhaben. Zugleich kritisierte der CDU-Politiker Stimmen im eigenen Land, die für ein Ende der Russland-Sanktionen einträten. Eine Reaktivierung von Nord Stream 2 könne niemals Teil eines Friedens sein, sagte er.

Zuger Gericht gewährt eine Verlängerung

Die stillen Bemühungen um eine Wiederbelebung der Pipeline spiegeln sich auch in einem Urteil des Kantonsgerichts Zug vom 9. Januar. Das Gericht erlaubte damit eine Verlängerung der Nachlassstundung für die in Steinhausen ansässige insolvente Betreibergesellschaft. Interessant sind die Erwägungen, die es dabei berücksichtigte: So hatte die Nord Stream 2 AG argumentiert, sie stehe in intensivem Kontakt mit Finanzinvestoren. Ob es sich dabei um Lynch handelt, ist unklar, da die entsprechende Passage im Urteil geschwärzt ist.

Zudem wird auf den Regierungswechsel in Washington verwiesen, der eine «massgebliche Auswirkung auf die Situation» der Aktiengesellschaft haben könne. Dabei könnte es sich vorerst um Wunschdenken der Pipeline-Besitzer handeln. Aber in der neuen geopolitischen Gleichung, die Trump mit seiner russlandfreundlichen Politik begonnen hat, ist plötzlich auch Nord Stream 2 eines der vielen überraschenden Elemente.

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