Dienstag, April 1

ROV SuBastian / Schmidt Ocean Institute

Wissenschafter können ein bisher unerforschtes Gebiet im antarktischen Eismeer untersuchen. Sie staunen über das entdeckte Ökosystem. Eine bildhafte Reise durch die Tiefsee.

In der Antarktis ist ein Stück eines Gletschers ins Meer abgebrochen. Der Eisberg hat eine Fläche, die fast so gross ist wie der Bodensee. Was durch den Klimawandel beschleunigt wird, ist für die Wissenschaft ein Glücksmoment. Denn unter dem Eis ist eine bunte Artenvielfalt zum Vorschein gekommen – so reich an Leben, dass sie Forscher und Wissenschafterinnen verblüfft.

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Organismen, die in der Tiefsee leben, sind darauf angewiesen, dass Nährstoffe von der Oberfläche durch tiefere Wasserschichten hindurch zu ihnen sinken. Ist die Oberfläche mit einer über hundert Meter dicken Eisschicht bedeckt, ist das nur begrenzt möglich. Die Forschung fragt sich deshalb, wie entwickelt das Leben unter dem Gletschereis in der Antarktis ist.

Dazu untersuchen Forschungsteams die Ökosysteme unter Gletschern häufig mit Kameras, die sie durch gebohrte Löcher im Eis in das darunterliegende Wasser führen. Bricht jedoch ein Eisberg ab, sind plötzlich weite Gebiete für Tauchroboter zugänglich – und können erforscht werden.

Für die Crew des Schmidt Ocean Institute, einer Stiftung mit Sitz in Palo Alto in Kalifornien, ergab sich so eine Chance. Sie registrierte den Abbruch des Eisbergs vom George-VI-Eisschelf am 13. Januar. Er war nicht weit vom Forschungsschiff entfernt.

Eigentlich fuhren die Forschenden durch diesen Teil des Antarktischen Ozeans, um zu untersuchen, wie das Zusammenspiel von Eis und Meer die Ökosysteme beeinflusst. Doch sie änderten ihre Pläne und steuerten auf das Gebiet in der Bellinghausen-See zu.

Zwei Wochen nachdem der Eisberg abgebrochen war, schickten sie einen Tauchroboter während acht Tagen bis zu 1300 Meter in die Tiefe. Was sie fanden, waren vasenförmige Schwämme, metergrosse bunte Quallen, Eisfische, Meeresspinnen, Oktopusse.

Manche dieser Arten kommen nur im antarktischen Meer vor. Einige sind laut den Forschern auch ganz neu. Die Co-Leiterin der Expedition Patricia Esquete wird in einer Pressemitteilung des Schmidt Ocean Institute zitiert: «Wir hätten nicht gedacht, dass wir so ein schönes, blühendes Ökosystem vorfinden würden.»

Treibende Schwämme und Anemonen

Auf dem Meeresboden in 230 Metern Tiefe, umgeben von Seeanemonen, entdeckten die Forscher einen grossen Schwamm. Dieser zeugt vom Alter des Tiefsee-Ökosystems: Schwämme wachsen langsam, manche nur bis zu zwei Zentimeter pro Jahr. Das abgebildete Exemplar könnte also mehrere Jahrzehnte alt sein.

Gleitende Phantomquallen

Im Dunkel der Tiefsee schwimmt eine Phantomqualle vorbei. Diese Medusenart ist besonders gross und wurde seit ihrer erstmaligen Beschreibung im Jahr 1910 weniger als 150 Mal gesichtet. Ihre Arme können über zehn Meter lang werden, die gelbbraune Glocke bis zu einem Meter messen.

Kletternde Schlangen-Seesterne

Unter dem abgebrochenen Eisberg am Rand des Südpolarmeers leben viele Spezies zusammen. Auf dem Meeresgrund klettern hier Schlangen-Seesterne an einem Tiefseeschwamm empor.

Leuchtende Tiefsee-Korallen

Weiter unten, auf 1200 Metern Tiefe, fanden die Forscher und Forscherinnen einen Stiel von Tiefsee-Korallen. Ihre Arme verzweigen sich und bilden dabei feine, geometrische Verästelungen. Sie sitzen auf festem Untergrund und können in Kolonien vorkommen.

Blitzende Helmquallen

Eine Helmqualle streckt ihre biolumineszenten Tentakel von sich. Die biologische Lichterzeugung brauchen die Quallen unter anderem, um Beute anzulocken.

Forschende Wissenschafter
und Biologinnen

Die Meeresbiologin Patricia Esquete inspiziert eine handflächengrosse Assel, bei der es sich um eine neue Art handeln könnte. Bis sie alle neuen Entdeckungen beschrieben hätten, könnten die Wissenschafter Jahre brauchen, heisst es in der Medienmitteilung.

Schlängelnder Polyp

Auf der Suche nach Nahrung treiben die Tentakel eines allein stehenden Polypen in der Meeresströmung. Die Spezies ist verwandt mit Korallen und Anemonen, lebt aber nicht in Kolonien.

Ruhende Oktopusse

Auf 1150 Metern Tiefe hat sich ein Oktopus mit seinen Tentakeln in einer Kuhle zusammengerollt. Das Gebiet unter dem abgebrochenen Eisberg ist durchzogen von Unterwasserschluchten. Das sind tief eingeschnittene Furchen oder ganze Täler auf dem Meeresboden, die durch Meeres- und Sedimentströme entstehen.

Schwärmendes Krill

Ein Krillschwarm schwimmt, umgeben von Schwebstoffen, durch die Dunkelheit. Die Krebstiere ernähren sich von pflanzlichem Plankton und sind selber Nahrung für viele andere Meerestiere in der Antarktis.

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