Samstag, November 23

In der Nacht auf Mittwoch kam es in Spanien zu gewaltigen Unwettern. Die Region um Valencia traf es besonders hart. Dutzende Personen werden vermisst.

Die Wassermassen kamen plötzlich. In der Nacht auf Mittwoch hat Spanien ein gewaltiges Unwetter erfasst. Innerhalb weniger Stunden wurden Felder überschwemmt, Autobahnen überflutet, Häuser zerstört. Mindestens 95 Personen kamen ums Leben, Dutzende werden noch vermisst.

Besonders schwer traf es die Mittelmeerregion Valencia. Dort kamen 92 Personen ums Leben, wie die Behörden am Mittwochabend mitteilten. Zwei weitere Leichen wurden in der benachbarten Region Kastilien-La Mancha geborgen, eine weitere in der Region Málaga.

Es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch weiter steigt. Allein in Paiporta, einem Dorf in der Nähe von Valencia, könnte es Dutzende Tote geben, sagte die Bürgermeisterin. Auch die ans Mittelmeer grenzenden Regionen Andalusien und Murcia traf es hart. Neben heftigem Regen gab es Hagel und starke Windböen. In der Region Cádiz in Südspanien galt auch am Mittwochabend noch «extrem hohes» Unwetterrisiko.

Laut den Wetterdiensten handelt es sich um das schlimmste Unwetter seit Jahrzehnten. Ausgelöst wurde es durch das Wetterphänomen «gota fría», zu Deutsch «kalter Tropfen». Das Phänomen tritt in der spanischen Mittelmeerregion im September und Oktober häufig auf. Es entsteht, wenn kalte Luft auf Luft über dem noch warmen Mittelmeer trifft. Die Folge sind heftige Regenfälle.

Menschen suchen Schutz auf Dächern

Vielerorts traten Flüsse über die Ufer, Strassen, Häuser und Felder wurden überschwemmt. Die Wassermassen rissen Bäume, Brücken, Autos, sogar Lastwagen mit. Autobahnen und Landstrassen mussten gesperrt werden. In Videos in den sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Menschen auf Dächern von Autos, Häusern und Tankstellen Schutz suchten. Die Rettungsarbeiten dauern an. Hunderte Feuerwehrleute und Angehörige des Zivilschutzes sind im Einsatz.

An zahlreichen Schulen und Universitäten fiel am Mittwoch der Unterricht aus. In der Region Valencia konnten Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu Hause bleiben, wenn sie wegen des Unwetters nicht zu ihrer Arbeitsstelle kamen. Auch der Containerhafen von Valencia stellte den Betrieb vorübergehend ein. In der Region um Valencia waren am Mittwoch laut Angaben von Stromversorgern 150 000 Menschen ohne Strom.

Es sei der schlimmste Tag seines Lebens gewesen, sagte Ricardo Gabaldón, der Bürgermeister der Stadt Utiel in der Region Valencia, dem Fernsehsender RTVE. Er sagte: «Wir sassen in der Falle wie Ratten. Autos und Müllcontainer strömten die Strassen hinunter. Das Wasser stieg bis zu drei Meter hoch.»

Auch im Flug- und Bahnverkehr kam es zu Beeinträchtigungen. Bereits am Dienstag entgleiste ein Hochgeschwindigkeitszug auf dem Weg von Málaga nach Madrid wegen eines Steinrutsches. Laut der spanischen Bahngesellschaft Renfe gab es dabei keine Verletzten. Der Bauernverband berichtet derweil, dass das Unwetter erhebliche Schäden in der Landwirtschaft verursacht habe. Die Region um Valencia ist Spaniens wichtigstes Anbaugebiet für Orangen und Zitronen.

Rettungskräfte räumen in Letur, westlich von Alicante, die Trümmer weg.

Mateo Villalba Sanchez / Getty

Die Rettungsdienste forderten am Mittwoch die Bewohnerinnen und Bewohner in den betroffenen Regionen auf, auf jegliche Art von Fahrten auf Strassen zu verzichten. Die Regierung in Madrid richtete einen Krisenstab ein, um die Rettungsmassnahmen zu koordinieren. Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte in einer Erklärung, dass alle erforderlichen Mittel eingesetzt würden, um den Opfern zu helfen. Die Bevölkerung solle wachsam bleiben, die Gefahr sei noch nicht gebannt. «Wir werden euch nicht im Stich lassen», sagte er und fügte an: «Ganz Spanien weint mit euch.» Auch die Europäische Union kündigte an, Hilfe zu schicken.

Videos zeigen Rettungsaktionen

In den sozialen Netzwerken geteilte Videos zeigen, wie Menschen in den Fluten gefangen sind und sich an Bäumen festhalten, damit sie nicht weggeschwemmt werden. In anderen Aufnahmen sind Feuerwehrleute zu sehen, die von Helikoptern aus mit Leinen versuchen, die Menschen aus den Fluten zu retten. Weitere Aufnahmen zeigen Feuerwehrleute, die bei heftigem Regen Personen aus ihren Autos befreien.

In der Region Valencia kämpften Rettungskräfte damit, alle betroffenen Gebiete zu erreichen. Der Regionalpräsident von Valencia, Carlos Mazón, sagte: «Wenn die Rettungsdienste nicht ankommen, liegt das nicht an fehlenden Mitteln oder mangelnder Bereitschaft, sondern an fehlendem Zugang.» Es sei «absolut unmöglich», bestimmte Gebiete zu erreichen. Oft ist der Zugang laut der regionalen Feuerwehr wegen überschwemmter oder anderweitig blockierter Strassen nur per Helikopter möglich. Unterstützt werden die Rettungsdienste durch eine Einheit der Armee, die auf Rettungseinsätze spezialisiert ist.

Über Mallorca und die anderen Baleareninseln im Mittelmeer war das Unwetter mit Starkregen bereits am Montag gezogen. Inzwischen hat sich die Situation dort beruhigt. Am Donnerstag soll sich laut dem Wetterdienst Aemet die meteorologische Lage in ganz Spanien entspannen.

Bei dem Unwetter handelt es sich laut Wetterdiensten um die schlimmste Hochwasserkatastrophe in Spanien seit 1996. Damals starben bei einer Sturzflut in der Nähe von Biescas in den Pyrenäen 87 Personen. 180 weitere Personen wurden dabei verletzt.

Mit Agenturmaterial

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