Sonntag, September 8

Mit einem angeblichen Gemälde von Leonardo da Vinci hat der russische Oligarch Dmitri Rybolowlew 2017 einen Rekordgewinn erzielt. Doch er fühlt sich betrogen – und klagt das Auktionshaus Sotheby’s an.

Oligarchen-Seelen sind empfindlich, wenn es um Geld geht. So macht es jedenfalls den Anschein im Fall von Dmitri Rybolowlew. Der russische Geschäftsmann mit zypriotischem Pass fühlt sich betrogen. Und prozessiert am laufenden Band. Nicht einmal der Weltenretter, um den es bei der ewigen Streiterei vor Gericht geht, kann den offenbar Gedemütigten von dem Gefühl der Schmach erretten, angeblich um Millionen geprellt worden zu sein.

Dabei hat es doch der «Salvator Mundi» – ein Bild, das von der Hand Leonardo da Vincis stammen soll – ehrlich versucht: Er hat Rybolowlew, seinem einstigen Besitzer, einen sagenhaften Verkaufsgewinn beschert. Der Preis war 2017 eine Sensation: 450 Millionen Dollar erzielte das Bild damals, nachdem es Rybolowlew beim Auktionshaus Christie’s zur Versteigerung gegeben hatte. Seitdem gilt es als das teuerste je versteigerte Kunstwerk der Welt.

Das genügte aber offensichtlich nicht. Jetzt klagt Dmitri Rybolowlew erneut. Dabei hatte der russische Milliardär, reich geworden im Geschäft mit Düngermitteln, bereits mehrmals den Genfer Kunsthändler Yves Bouvier, seinen damaligen Kunsthändler, verklagt. Diesem hatte er das Bild 2013 für 127,5 Millionen Dollar abgekauft. Er warf dem Genfer vor, ihm das Kunstwerk viel zu teuer verkauft zu haben. Und nun klagt der russische Kunstsammler gegen das internationale Auktionshaus Sotheby’s, Yves Bouvier dabei geholfen zu haben, ihn zu betrügen.

Rybolowlew ging davon aus, dass Bouvier zwei Prozent Provision nehme. Bouvier hatte seinerseits 83 Millionen Dollar bezahlt, als er das Werk von einem Grüppchen von Altmeisterkennern übernommen hatte, die es zu dem gemacht haben, was es schliesslich sein sollte: ein echter Leonardo. Aber schön der Reihe nach.

Das Gemälde mit dem Antlitz Jesu soll um 1500 entstanden sein. Seine Provenienz weist erhebliche Lücken auf. 1958 wurde es für 45 britische Pfund versteigert. Niemand kam auf die Idee, das Bild dem grössten Künstler des Abendlandes zuzuschreiben. Bis es dann nach fast fünfzig Jahren erneut aus der Vergessenheit auftauchte. 2005 wurden bei einem Nachlassverkauf in den USA ein paar Altmeisterexperten auf das Bild aufmerksam. Sie taten sich wie so oft bei solchen Transaktionen zusammen und erstanden das Bild für 1175 Dollar.

Vorwurf der Preistreiberei

Nach gründlicher Reinigung und Restaurierung wurde das Gemälde ein paar Leonardo-Experten zur Begutachtung vorgelegt. Dies in der Hoffnung, es vielleicht schon bald für einen Traumpreis verkaufen zu können.

Das sollte funktionieren. So wurde mit dem erwähnten Genfer Kunsthändler schliesslich ein Käufer gefunden, der bereit war, 83 Millionen Dollar hinzublättern. Mittelsmann war das Auktionshaus Sotheby’s, gegen das Rybolowlew nun Klage erhoben hat, nachdem er gegen Bouvier erfolglos geblieben war.

Nach Prozessen in Genf, Monaco, Singapur und Hongkong gegen Rybolowlews ehemaligen Kunsthändler, gegen diesen alle Fälle eingestellt wurden, werfen nun dessen Anwälte dem Auktionshaus Sotheby’s vor, Bouviers von Rybolowlew behauptetes Doppelspiel der Preistreiberei unterstützt zu haben: Das Bild sei viel zu hoch eingeschätzt worden, das Auktionshaus habe von Bouviers Gewinnabsichten Kenntnis gehabt. In dem kürzlich am New Yorker Bezirksgericht eröffneten Prozess geht es um weitere Kunstwerke.

Darunter figuriert ein Kopf von Amedeo Modigliani, den Bouvier 2013 für rund 80 Millionen Dollar an Rybolowlew weitergegeben haben soll, nachdem er ihn zuvor für die Hälfte erstanden haben soll. Auch hier soll Sotheby’s bei der Taxierung eine Rolle gespielt haben. Das Auktionshaus bestreitet die Behauptungen.

Zweifel an Echtheit

Wie lange der Prozess dauern wird, ist unklar. Auch ist offen, ob er am Ende etwas Licht in die oft dubiosen Machenschaften des Kunstmarkts bringen wird. Denn unklar ist allein schon, ob es sich bei dem «Salvator Mundi» überhaupt um einen echten Leonardo handelt. Auch wenn das in diesem Gerichtsfall nichts zur Sache tun wird.

An der grossen Leonardo-Ausstellung im Pariser Louvre von 2019 war der «Salvator Mundi» jedenfalls nicht zu sehen. Das Bild fand zwar seinen Weg nach Paris, aber nicht in die Ausstellungsräume, sondern zu den Experten des Museums, die es untersuchten, ohne ihre Einschätzung jemals bekanntzugeben. Denn kurz nachdem die Sensation um den Rekordpreis von 450 Millionen Dollar abgeflaut war, kamen Zweifel an der Echtheit des Bildes auf.

Vor der Pariser Leonardo-Schau hätte der «Salvator Mundi» eigentlich bereits im Louvre Abu Dhabi ausgestellt werden sollen. Dort sollte er die grosse Attraktion darstellen. Bald bestanden aber auch Zweifel an der Echtheit des Bildes bei jenen, die das Werk für 450 Millionen Dollar erworben hatten. Zuerst hiess es, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman habe das Gemälde ersteigert. Käufer war aber die Kulturbehörde von Abu Dhabi.

Diese bewilligte den astronomisch hohen Betrag wohl nicht zuletzt aus Prestigegründen: damit nämlich das Wüstenmuseum mit dem vom Louvre in Paris teuer gemieteten Namen auch etwas von Weltrang vorzuweisen habe. So dürfte letztlich die Kulturbehörde von Abu Dhabi die eigentliche Betrogene sein in diesem Fall um ein wahrscheinlich relativ unbedeutendes Werkstattbild, aus dem verschiedene Protagonisten aus der Kunstwelt wohl flugs ein «echtes» Werk von Leonardo da Vinci gemacht haben.

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