Sonntag, September 29

Nun geht auch die Cheftechnologin: Überraschend reicht Mira Murati ihren Rücktritt beim Chat-GPT-Entwickler ein. Ihr Abgang erfolgt just zu einem Zeitpunkt, an dem die Firma sich neu profitorientiert aufstellt.

Die Turbulenzen beim Chat-GPT-Erfinder Open AI erreichen einen neuen Höhepunkt: Nach einer Reihe von Abgängen prominenter Mitarbeiter machte am Mittwoch auch die Technologiechefin Mira Murati ihre Kündigung publik. Zunächst in einer E-Mail an die Belegschaft und später auf der Plattform X schrieb sie: «Ich gehe, weil ich Zeit und Raum schaffen will, um meine eigenen Wege zu gehen.» Sie dankte Open AI und den Mitarbeitern für die gemeinsamen sechseinhalb Jahre.

Ihre Nachricht liess nicht den Eindruck aufkommen, dass es Streit mit dem CEO Sam Altman gegeben habe. In einer Antwort auf X dankte ihr Altman. «Man kann gar nicht genug betonen, was Mira für Open AI geleistet hat.»

Muratis Abgang ist ein herber Schlag für Open AI. Die 35-Jährige zählt zu den Top-KI-Wissenschaftern weltweit und galt als Nummer zwei bei Open AI. Ihre Kündigung reiht sich in eine Serie hochkarätiger Abgänge bei dem Startup ein: Im Mai ging etwa der Chef-Forscher Ilya Sutskever, der eine Rolle bei Altmans Rauswurf gespielt hatte. Er hat inzwischen ein neues Startup, das hochintelligente KI-Software entwickeln will. Mehrere Mitgründer von Open AI, unter ihnen auch der Forscher John Schulman, gingen zum Konkurrenten Anthropic.

Murati wurde im vergangenen November kurzzeitig zur Chefin des Startups ernannt, nachdem der Verwaltungsrat überraschend den CEO Altman herausgedrängt hatte. Die genauen Gründe für den Schritt sind nach wie vor nicht bekannt. Wenige Tage später kehrte Altman jedoch nach Protesten von Mitarbeitern und des Grossinvestors Microsoft zurück. Murati stellte sich zunächst hinter Altman. Seitdem haben sämtliche Kritiker von Altman den Verwaltungsrat von Open AI verlassen.

Wenige Stunden nach Murati reichten zudem der Forschungschef Bob McGrew und der für Forschung zuständige Topmanager Barret Zoph ihre Kündigungen ein. Ein Zusammenhang zwischen der Umgestaltung und den Manager-Abgängen wurde zunächst nicht hergestellt.

Vom ursprünglich dreizehn Personen umfassenden Gründungsteam, das Open AI 2015 aus dem Boden stampfte, bleiben nun noch drei. Einer dieser drei, der Präsident Greg Brockman, hat bis Ende Jahr ein Sabbatical eingelegt.

Open AI baut sich zur klassischen Techfirma um

Zudem wurde am Mittwoch bekannt, dass das Startup seinen bisherigen Status als Non-Profit-Firma aufgeben und klassisch profitorientiert werden will, wie mehrere amerikanische Medien berichten. Das wäre bemerkenswert, weil Open AI 2015 als Non-Profit-Organisation gegründet worden war mit dem Ziel, die Menschheit mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz voranzubringen, ohne dabei von finanziellen Zwängen getrieben sein zu müssen.

2019 hatte der damals neue CEO Sam Altman dem Startup dann eine neue Firmenstruktur verliehen: Ergänzend zum Nonprofit-Arm wurde eine «‹Capped› for profit»-Organisation geschaffen. Dieser Firmenbereich sollte vor allem Geld einnehmen – allerdings wurde die Möglichkeit für Rendite beim Hundertfachen des Investments gekappt. Wer also 1 Million Dollar in Open AI investierte, dürfte maximal 100 Millionen Dollar zurückbekommen.

Im Zuge des Umbaus könnte Altman nun einen Anteil von 7 Prozent an dem KI-Unternehmen bekommen, schrieb die Nachrichtenplattform Bloomberg. Altman hält bis anhin keine Anteile an Open AI.

Wie das «Wall Street Journal» berichtet, will Open AI künftig eine «public-benefit-corporation» werden mit dem Ziel, Gutes für die Gesellschaft zu schaffen und auf nachhaltige Weise zu wirtschaften. Weiterhin soll es aber einen Nichtprofit-Arm geben, der auch Anteile an der profitorientierten Firma hält. Der Umbau dürfte nicht mehr dieses Jahr vonstattengehen, berichtete die «New York Times».

Umbau soll Firma für Investoren attraktiver machen

Der entscheidende Unterschied zur bisherigen Firmenform ist, dass neu Investoren unbeschränkt Gewinne machen könnten, wenn sie in Open AI investieren. Das ist insofern relevant, als dass Open AI zurzeit auf Investorensuche ist: Bemerkenswerte 6,5 Milliarden Dollar will das KI-Startup einsammeln – bei einer Bewertung von 150 Milliarden Dollar. Es wäre die grösste Summe, die je von Wagniskapitalgebern auf einmal investiert wurde.

Das ist nötig, weil Open AI zurzeit deutlich mehr ausgibt, als es einnimmt: 3 Milliarden Dollar Einnahmen stünden jährlichen Ausgaben von 7 Milliarden Dollar gegenüber, schrieb die «New York Times». Das erklärt sich damit, dass KI-Berechnungen sehr viel Rechenkapazität verschlingen – und Chat-GPT ist der beliebteste KI-Chatbot.

Mehrere Firmen wie Nvidia, Apple und Microsoft wollen im Zuge dessen nun in Open AI investieren. Die Wagniskapitalfirma Thrive hat bereits 1 Milliarde Dollar zugesagt. Die Umwandlung in ein Unternehmen, das sowohl auf das öffentliche Wohl als auch auf Profit ausgerichtet ist, könnte Open AI attraktiver für Investoren machen.

Mit Agenturmaterial.

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