Dienstag, November 19

Wo soll der Bund weniger ausgeben? Eine aktuelle Umfrage führt zu erstaunlichen Resultaten. Oben auf der Sparliste stehen die Entwicklungshilfe, die Medien und die Armee. Eine Mehrheit will auch höhere Steuern.

Ob in der Gemeinde, im Kanton oder beim Bund: Kaum etwas fällt den Damen und Herren in den Parlamenten schwerer als das Sparen. In den meisten Fällen geht es nicht einmal um echte Kürzungen, sondern nur um die Reduktion des Ausgabenwachstums, aber auch damit bekunden sie Mühe.

Doch das politische Personal darf sich trösten: Der Bevölkerung geht es genau gleich. Diesen Schluss erlaubt der «Barometer Finanzpolitik», den das Forschungsinstitut Sotomo am Dienstag publiziert hat. Er befasst sich mit der Finanzdebatte auf Bundesebene. Auf Basis einer Befragung von gut 3000 Teilnehmenden kommt die Studie zu vielen erwartbaren und einigen überraschenden Resultaten.

Vor allem aber zeigt sich eines: Auch die Bevölkerung hat grösste Mühe, wenn es um das Sparen und Verzichten geht. In der Umfrage standen 14 Aufgabenbereiche des Bundes zur Auswahl – von AHV und Armee über Bildung und Landwirtschaft bis Tourismus- und Wohnbauförderung. Trotz der breiten Auswahl hat sich in keinem einzigen Bereich eine Mehrheit der Teilnehmenden für Kürzungen ausgesprochen.

Ganz oben auf der Liste steht die Entwicklungshilfe, 41 Prozent der Teilnehmer wollen hier sparen. Dies ist denn auch eine der wenigen Übereinstimmungen mit den Absichten der Politik: SVP, FDP und Mitte planen in der bevorstehenden Budgetdebatte im Dezember konkrete Kürzungen bei der Entwicklungshilfe.

Doch schon beim nächsten Punkt auf der Spar-Hitparade folgt der erste Widerspruch zwischen Umfrage und Politik: 36 Prozent der Befragten wollen die staatliche Medienförderung reduzieren, während man im Bundeshaus das Gegenteil plant. Der Nationalrat hat sich im September für einen Ausbau der Presseförderung um 45 Millionen Franken im Jahr ausgesprochen.

Konfliktpotenzial bei Medien und Armee

Eine weitere Diskrepanz, bei der es um viel grössere Beträge geht, folgt auf dem dritten Platz: 35 Prozent der Befragten wollen bei der Armee sparen. Die bürgerliche Mehrheit des Parlaments plant auch hier das genaue Gegenteil. Die jährlichen Ausgaben für die Landesverteidigung sollen laut Finanzkommission des Nationalrats in den nächsten vier Jahren von 5,7 auf 8,4 Milliarden Franken steigen. Der steile Anstieg ist einer der Hauptgründe für die finanziellen Engpässe im Bundeshaushalt.

Angesichts der internationalen Sicherheitslage mag es erstaunen, dass laut der Umfrage ein Drittel der Bevölkerung die Armee nicht nur nicht ausbauen, sondern sogar reduzieren will. Dies könnte auch denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die eine zweckgebundene Erhöhung der Mehrwertsteuer für die Armee ins Auge fassen, was obligatorisch eine Volksabstimmung erfordern würde. Ein erster Vorentscheid über eine solche Steuererhöhung soll im Dezember im Ständerat fallen.

Zurück zum grossen Ganzen: Während die Bevölkerung also grosse Mühe hat, mehrheitsfähige Sparmassnahmen zu benennen, weiss sie umso genauer, wo nicht gekürzt werden soll. Auch darin kann man eine Parallele zum Parlamentsbetrieb sehen.

In drei Bereichen haben sich die Befragten mehrheitlich gegen Einsparungen ausgesprochen: bei den grossen Sozialwerken des Bundes, AHV und IV, bei Bildung und Forschung sowie beim öffentlichen Verkehr. Knapp unterhalb der 50-Prozent-Schwelle liegen zudem die Verbilligungen der Krankenkassenprämien, bei denen Einsparungen demnach ebenfalls relativ unpopulär wären. Auffällig ist, dass im Vergleich mit Bahn und Bus der Strassenverkehr erst weit hinten auftaucht. Nur 24 Prozent fanden, hier solle der Bund keinesfalls sparen.

Grüne: zuerst das Klima, dann die AHV

Vielsagend sind die Auswertungen nach Parteipräferenz, weil sie Rückschlüsse auf die Prioritäten der Wähler der verschiedenen Parteien zulassen. Auffälligstes Ergebnis: Für die SVP-Basis ist die AHV wichtiger als die Armee. Kürzungen bei der AHV lehnen 64 Prozent der SVP-Sympathisanten ab, bei der Armee sind es 47 Prozent. Generell geniesst die AHV von links bis rechts grosse Unterstützung. Aber auch hier gibt es Nuancen: Bei den Grünen und den Grünliberalen hat die AHV weniger Priorität als Klimaschutz und ÖV sowie Bildung und Forschung.

Diese Resultate lassen ein beträchtliches Konfliktpotenzial zwischen Volk und Politik erwarten. Mit Differenzen ist bei der Medienförderung und der Armee zu rechnen, weil die Politik hier mehr ausgeben will, in der Bevölkerung jedoch Kürzungen beliebter wären. Umgekehrt sind die Vorzeichen bei Bildung und Forschung, beim ÖV und bei den Prämienverbilligungen. Hier plant der Bundesrat Kürzungen, die zwar nicht zwingend zu Leistungsreduktionen führen, die aber zumindest Verzögerungen und höhere Preise (etwa für die Bahn oder die Uni) nach sich ziehen dürften.

Zu diesen punktuellen Widersprüchen kommen solche grundlegender Natur hinzu. Der Bundesrat will die Sanierung zum überwiegenden Teil über Ausgabenkürzungen erreichen, höhere Einnahmen sind in seinem Paket nur am Rande vorgesehen. Dies ist, wenn man der neuen Umfrage Glauben schenkt, nicht im Sinne einer Mehrheit der Bevölkerung: 54 Prozent möchten die Defizite mindestens zur Hälfte durch Mehreinnahmen decken, durch höhere Steuern oder andere Abgaben. Für eine solche Aufteilung spricht sich nicht nur die Basis von SP und Grünen aus, sondern auch die von GLP und Mitte.

Kann diese Volksabstimmung gelingen?

Fragt sich nur, welche Steuer der Bund konkret erhöhen soll. Die grösste Unterstützung geniesst laut der Umfrage die erst vage definierte Idee, Finanztransaktionen stärker zu besteuern, was vermeintlich schmerzfrei viel Geld einbringen soll (was der Bundesrat jedoch bestreitet). Hingegen ist die Begeisterung dort, wo man es selbst spüren würde, deutlich kleiner.

Das Vorhaben des Bundesrats, die Steuererleichterungen beim Bezug von Vorsorgekapitalien zu streichen, fällt in der Umfrage durch. Die Zustimmung beträgt nur 9 Prozent. Noch unpopulärer ist eine Erhöhung der Einkommenssteuer. Stattdessen möchte man lieber bei Vermögens-, Grundstückgewinn-, Unternehmens- oder Erbschaftssteuer ansetzen.

Im Gegensatz zum Mitte-links-Lager wollen die Anhänger von FDP und SVP die Probleme ganz oder vorwiegend mit Einsparungen lösen. Allerdings wissen auch die FDP-Wähler nicht so recht, wo sie kürzen wollen: Abgesehen von der Entwicklungshilfe, bei der 53 Prozent von ihnen Einsparungen wünschen, gibt es keinen Bereich, in dem eine Mehrheit kürzen würde. Die SVP-Wähler äussern sich entschlossener, hier gibt es drei Bereiche mit mehrheitlichem Sparwunsch (Entwicklungshilfe, Medienförderung, Kultur).

Fazit: So heftig die Finanzdebatte im Parlament auch ausfallen wird, der schwierigste Schritt dürfte erst am Schluss anstehen – mit der vermutlich unausweichlichen Volksabstimmung über das Entlastungspaket.

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