Freitag, Oktober 18

Scott Miller trifft die Schweiz an einem wunden Punkt.

Für seine Verhältnisse gab sich Scott Miller, der Botschafter der USA in Bern, diplomatisch. «Wir hoffen, dass die Schweiz dazu beitragen wird, das Schlupfloch zu schliessen, das es Tochtergesellschaften ermöglicht, Sanktionen zu umgehen», liess er sich am Donnerstag in den Zeitungen der TX-Gruppe zitieren. Es sei wichtig, Russland die Finanzmittel zu entziehen, die es zur Fortsetzung seines brutalen Krieges benötige. «Keines unserer Unternehmen sollte sich mitschuldig machen.» Er sei von der Schweiz «enttäuscht», sagte er dann doch noch.

Miller äusserte sich zum Entscheid des Bundesrats, eine Bestimmung der EU-Sanktionen gegen Russland nicht zu übernehmen. Die Europäische Union will damit sicherstellen, dass Unternehmen nicht über Tochtergesellschaften in Drittstaaten die Sanktionsmassnahmen untergraben. Der Bundesrat argumentiert, die Schweiz habe schon heute die Mittel, Umgehungen über Tochtergesellschaften zu verfolgen.

Amerikanische Delegation besucht Bern

Millers Wortmeldung erinnert daran, dass die Diskussion über die Umsetzung der Sanktionen und russische Gelder nicht gelaufen ist. In den vergangenen Monaten war es um das Thema ruhig geworden. So ruhig, dass letzte Woche kaum jemand den Besuch einer Delegation des amerikanischen Aussen- und Finanzdepartements beachtete. Diese traf sich in Bern unter anderem mit Vertretern der Staatssekretariate für Wirtschaft und für internationale Finanzfragen.

Die Delegation habe sich nach den Schweizer Bemühungen erkundigt, die Durchsetzung der Geldwäschereibestimmungen zu verstärken, teilte die amerikanische Botschaft in Bern im Anschluss mit. Es geht darum, ein Register für wirtschaftliche Eigentümer zu schaffen. Die Vertreter Washingtons betonten auch, wie wichtig es sei, dass die Schweiz als globales Finanzzentrum Schlupflöcher schliesse, die für illegale Aktivitäten ausgenutzt werden könnten.

Beobachter mahnen seit längerem, der Schweiz fehle es an Weitsicht. Der pensionierte Diplomat Paul Widmer – alles andere als ein Linker – hatte sich letztes Jahr in der NZZ kritisch zum Verhalten Berns geäussert. «Das Parlament war nicht gerade in Höchstform, als es beim Geldwäschereigesetz die Anwälte und Treuhänder ausnahm – und jetzt sind wir international unter Druck wegen dubioser Geldtransfers.» Beim Rohstoffgeschäft sah Widmer ein noch grösseres Reputationsrisiko. Wenn eigens Firmen gegründet würden, um Umgehungsgeschäfte zu ermöglichen, laufe etwas schief, sagte er. Das müsse schnellstmöglich unterbunden werden.

Schweiz hat Mühe mit ausländischem Druck

Dass Millers Wortmeldungen auf eine grosse Resonanz stossen, hat aber auch mit helvetischen Eigenheiten zu tun. Die Schweiz schwankt in der Aussenpolitik zwischen Selbstüberschätzung und Minderwertigkeitskomplex. Sie kann schlecht mit ausländischem Druck umgehen. Das zeigt sich regelmässig in der Europapolitik. Bei Verlautbarungen von EU-Vertretern drehen in der Schweiz manche reflexartig im roten Bereich. Zuletzt war dies zu beobachten, als der EU-Kommissar Maros Sefcovic einer einseitigen Schweizer Schutzklausel bei der Zuwanderung öffentlich eine Absage erteilte.

Miller war im vergangenen Jahr mit der Schweiz aber auch ungewohnt hart ins Gericht gegangen. Das Verbot, Waffen aus Schweizer Produktion an die Ukraine weiterzugeben, helfe Russland, sagte er in einem Interview mit der NZZ. Und drängte den Bund, sich an der Task-Force zu russischen Oligarchen der G-7-Staaten und Australiens zu beteiligen. Die Schweiz könnte weitere russische Vermögenswerte in Milliardenhöhe blockieren, machte er klar. «Man kann nicht ein international führender Finanzplatz sein, ohne von allen Seiten Druck ausgesetzt zu sein.»

Miller war im Jahr 2021 von Präsident Joe Biden ernannt worden. Er war zuvor nicht als Diplomat tätig gewesen, sondern hatte unter anderem für die Grossbank UBS in den USA gearbeitet. Miller ist seit bald drei Jahren auf dem Botschafterposten in der Schweiz. Bei einer Wahl von Kamala Harris im November könnte er noch eine Weile in Bern bleiben – zumindest gemäss dem in der Diplomatie üblichen Zyklus.

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