Montag, November 25

Künstliche Intelligenz will uns im Internet zum Geldausgeben verführen. Doch viele der präsentierten Produkte können wir nicht gebrauchen. Andere halten nicht, was sie versprechen. Ein Beitrag aus der Rubrik «Hauptsache, gesund».

Wenn es ums Weihnachtsgeschäft geht, sollten die künstlichen Intelligenzen (KI) der grossen Tech-Firmen eigentlich auf Hochtouren laufen. Ganz so genial scheinen die Algorithmen allerdings noch nicht zu sein. Meine Erfahrungen legen jedenfalls nahe, dass es noch Luft nach oben gibt: Seit ich im Internet eine Espressomaschine gekauft habe, werde ich mit Werbung für solche Küchengeräte bombardiert. Sorry, Google, aber mehr als ein Kaffeeautomat hat in unserer Küche keinen Platz!

Ähnlich folgenreich war die Bitte einer Freundin, den Nutzen und die Risiken eines bestimmten Anti-Aging-Produkts in Erfahrung zu bringen. So erhalte ich inzwischen ständig Werbebotschaften für Pillen, die angeblich jung halten oder vor Altersgebrechen schützen. Wenn alles stimmen würde, was darin so vollmundig behauptet wird, hätte das nahe gelegene Seniorenheim längst seine Pforten geschlossen.

Da sich das bis anhin nicht abzeichnet, landen Texte mit solchen Heilsversprechen unbesehen in meinem digitalen Papierkorb. Einer davon hat es unlängst aber geschafft, meine Neugier zu wecken. Denn der Titel «Eine Reise in die Welt von BPC-157 und DHHB: zwei klinische Wunder» versprach, wenn nicht ewige Jugend, so doch zumindest gute Unterhaltung.

Erschienen in einem Journal für ganzheitliche Medizin, war darin von zwei angeblich wundersamen Heilmitteln aus der Magnolie die Rede: BPC-157 und DHHB. Entsprechend blumig kam auch der Text daher: «Tief im Inneren des menschlichen Körpers entfaltet BPC-157 seine zauberhafte Regenerationskraft», hiess es da.

Der Leser erfuhr zudem, dass eine «einzigartige Abfolge von 15 Aminosäuren» diesem Peptid die Fähigkeit verleihe, eine «Symphonie von regenerativen Prozessen zu dirigieren». Auch beim Peptid DHHB schwärmte der Autor von einer «bezaubernden Wirkung». So dirigiere DHHB eine «Symphonie entzündungshemmender Aktivitäten und unterdrücke so die Stürme von Schwellungen und Schmerzen». Sein Nutzen beruhe demnach auf der Eigenschaft, freie Radikale zu neutralisieren und «die Zellen aus den Fängen von oxidativem Stress zu befreien».

Am Ende der salbungsvollen Prosa angekommen, fiel mein Blick auf eine recht lange Literaturliste, die offenkundig Seriosität vermitteln sollte. Nur die wenigsten Leser dürften sich allerdings die Mühe machen, den Inhalt der erwähnten Studien genauer zu überprüfen. Wer sich dazu aufrafft, findet wenig Magisches, dafür aber viel Prosaisches. So gibt es eine Gruppe von Wissenschaftern, die seit gut zwanzig Jahren das therapeutische Potenzial von BPC-157 erforscht – bis anhin aber nur bei Nagern mit künstlich erzeugten Erkrankungen.

Anders als im Werbetext suggeriert, kommt der menschliche Körper darin nicht vor. Dasselbe gilt auch für die anderen Studien, die im Literaturverzeichnis als Beleg für die heilsamen Kräfte von BPC-157 und DHHB aufgeführt werden. Viele menschliche Erkrankungen lassen sich bei Kleinsäugern aber nicht oder nur bedingt abbilden. Das illustrieren beispielhaft die zahllosen Versuche, ein Medikament gegen die Alzheimerdemenz zu entwickeln. Bei Tieren mit alzheimerartiger Krankheit vielversprechend, erwiesen sich bis anhin alle Substanzen beim Menschen als mehr oder weniger enttäuschend.

In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.

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