Freitag, Oktober 4

Nach der Sommerpause startet der Bundestag mit der Haushaltswoche. Für die Opposition ist dies Gelegenheit, das Zahlenwerk auseinanderzunehmen. Der Oppositionsführer Friedrich Merz spricht von unseriöser Politik.

Der Etatstreit geht in eine neue Runde – doch dieses Mal ist der Deutsche Bundestag am Zug. Die Parlamentarier kehren am Montag aus der Sommerpause zurück. Traditionell stehen die Beratungen über den Bundeshaushalt in der ersten Sitzungswoche auf dem Plan. In diesem Jahr haben sie eine besondere Brisanz. Denn das Gezänk der Ampelkoalitionäre über den Etatentwurf hätte die Regierung fast zu Fall gebracht.

Jetzt präsentiert die Bundesregierung einen mühsam zusammengezimmerten Kompromiss, dessen juristische Standhaftigkeit von der Opposition angezweifelt wird. Das Problem ist eine Finanzierungslücke von rund 12 Milliarden Euro.

Der Etatentwurf wird am Dienstag in den deutschen Bundestag eingebracht. Er sieht Ausgaben von mehr als 488 Milliarden Euro vor. Davon sollen rund 51,3 Milliarden Euro über neue Schulden finanziert werden. Im Haushaltsentwurf ist eine «globale Minderausgabe» von rund 12 Milliarden Euro enthalten. Hier regiert das Prinzip Hoffnung. Die Regierung geht davon aus, dass nicht alle verplanten Mittel verbraucht werden und damit die Finanzierungslücke gestopft werden kann.

Laut Bundesfinanzministerium handelt es sich bei den 12 Milliarden Euro um die grösste Deckungslücke in einem Regierungsentwurf in den vergangenen zwanzig Jahren. Es obliegt jetzt der Kreativität der Parlamentarier, Sparmöglichkeiten im Etat zu suchen. Abgestimmt wird über den Bundeshaushalt erst Ende November.

Lindner will sparen, sagt aber nicht, wo

«Das ist einfach nicht mehr seriös», urteilt der CDU-Chef Friedrich Merz über den Etatentwurf. «Mir kommt das so vor wie jemand, der mit seiner Familie ins Restaurant geht, weiss, dass er die Rechnung nicht bezahlen kann, und hofft, dass der Wirt im Laufe des Abends die Preise senkt. Diese Hoffnung dürfte bei diesem Umfang der globalen Minderausgabe nicht aufgehen», sagte Merz der DPA.

Das Kabinett hatte den Haushaltsentwurf Anfang Juli beschlossen, wollte aber vor der Übermittlung an den Bundestag die damals noch 17 Milliarden Euro grosse Finanzlücke verkleinern. Während der parlamentarischen Sommerpause ging der Streit weiter – mit einer neuen Eskalationsstufe.

Finanzminister Christian Lindner liess Rechtsgutachten in Auftrag geben und kam danach zu dem Schluss, dass es erhebliche verfassungsrechtliche Risiken gebe. Die Gutachter bemängelten die Kunstgriffe, der Autobahngesellschaft und der Bahn Geld zu beschaffen. Scholz massregelte aus den Ferien. Das Koalitionsklima hatte für alle sichtbar einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Das Loch im Etat müsse kleiner werden, betonte jetzt auch Finanzminister Lindner in der ARD. Man plane bei der globalen Minderausgabe mit zwei Prozent des Haushaltsvolumens, «weil nie alle Projekte und Vorhaben realisiert werden», sagte der Liberale. Zu möglichen konkreten Einsparungen äusserte er sich nicht. Nach der Rechnung von Lindner dürfte das Finanzloch also nur 9,6 Milliarden Euro gross sein. Im Umkehrschluss heisst das, 2,4 Milliarden Euro müssen noch eingespart werden.

Luftbuchungen im Haushalt des Arbeitsministeriums

Die Fronten sind erwartungsgemäss verhärtet. Kürzungen bei den Sozialausgaben lehnen die regierenden Sozialdemokraten vehement ab. Grösster Einzelposten im Haushalt in Höhe von 179,3 Milliarden Euro ist der des Arbeitsministeriums. Der Etat von Minister Hubertus Heil macht mehr als ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts aus. Zu Buche schlagen die zusätzlichen Zahlungen in die Rentenkasse und die hohen Kosten für die deutsche Grundsicherung, das Bürgergeld.

Doch auch hier rechnet das Ministerium mit Hoffnungswerten: Laut Entwurf sind 25 Milliarden Euro für das Bürgergeld vorgesehen. Trotz Wirtschaftskrise und einem jüngst gedämpften Arbeitsmarkt geht das Ministerium von Einsparungen in Höhe von 4,7 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr aus.

Der Minister setzt dabei unter anderem auf härtere Sanktionen, mit denen mehr Menschen in Jobs gebracht werden sollen. In diesem Jahr ist die Zahl der Bürgergeldempfänger allerdings nochmals angestiegen. Nichts deutet derzeit auf einen signifikanten Rückgang hin. Auch bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung wird gekürzt, was aufgrund der Lage am Wohnungsmarkt unrealistisch erscheint.

«Die Haushaltseinigung wurde über zusätzliche Schulden, Haushaltstricks und rechtlich zweifelhafte Manöver erkauft», sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Christian Haase. Er sieht verfassungsrechtliche Bedenken vor allem bei der geplanten Eigenkapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn und einem Darlehen des Bundes an den Staatskonzern. Denn die Umwandlung der Zuschüsse in Eigenkapitalspritzen zählt nicht zur Schuldenbremse, die somit pro forma eingehalten wird.

Überhaupt die Schuldenbremse. Durch Tricksereien wird die in der Verfassung verankerte Obergrenze für die Staatsverschuldung nicht gerissen. Während Lindner sein Ziel von «tragfähigen Staatsfinanzen» nicht aufgeben will, sehen Sozialdemokraten und Grüne eine neue Gelegenheit, über ein Aussetzen oder das Schleifen der Schuldenbremse zu debattieren.

Der grüne Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler rief die Union auf, sich Verhandlungen über eine Reform nicht zu verweigern. «Angesichts der vielen Zeitwenden, die sich gerade vollziehen, sind jetzt Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur sowie in innere und äussere Sicherheit nötig», sagte Kindler.

Für eine Reform der Schuldenbremse ist eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages nötig, also geht ohne die Stimmen der Opposition nichts. Auch wenn bislang nichts auf ein Entgegenkommen von Oppositionsführer Merz in dieser Frage hindeutet: Die Haushaltsberatungen wird die Opposition für eine Generalabrechnung mit der Regierung nutzen. Der Etatentwurf für das kommende Jahr bietet dafür reichlich Stoff.

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