Dienstag, März 4

Die Swiss sei berechtigt gewesen, nicht geimpfte Mitarbeiter im Sinne der Gleichbehandlung und zum Schutz der Passagiere zu entlassen. So begründet das Bezirksgericht Bülach die Abweisung von Klagen.

Während der Pandemie, im Herbst 2021, hatte die Fluggesellschaft Swiss als erste Airline in Europa für ihr fliegendes Personal eine Impfpflicht eingeführt. Flight-Attendants, Pilotinnen und Piloten, die sich nicht gegen Sars-CoV-2 impfen liessen, wurde mit der Kündigung gedroht.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Von rund 4900 Angestellten widersetzten sich etwa 3 Prozent der Anordnung. Trotz akutem Personalmangel wurden schliesslich rund 150 ungeimpfte Mitarbeitende entlassen. Mehrere von ihnen reichten Klage dagegen beim Bezirksgericht Bülach ein.

Mehr als ein halbes Jahr nach den Urteilssprüchen hat das Bezirksgericht nun zwei Urteilsbegründungen veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die Kündigungen der Flight-Attendants und Piloten weder unzulässig noch missbräuchlich gewesen seien.

Sie seien auch nicht in Verletzung übergeordneter, schützenswerter Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter erfolgt. Da Nichtgeimpfte nicht auf allen Destinationen einsetzbar waren, hätte die Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften den Betriebsfrieden gestört.

Gerichtskosten und Parteientschädigung an die Swiss

Die Gerichtsverhandlungen fanden am Bezirksgericht Bülach schon vergangenen Frühling statt: Gegen die Swiss geklagt hatte unter anderen eine Flugbegleiterin, die seit 1988 diesen Beruf ausübte, das Swissair-Grounding miterlebt hatte und ab 2002 bei der Swiss angestellt war. Ihr wurde am 24. Mai 2022 gekündigt, nachdem sie wiederholt der Aufforderung, einen Nachweis für eine Impfung gegen Sars-CoV-2 zu erbringen, nicht nachgekommen war.

Sie hatte vor Bezirksgericht Bülach gefordert, die Swiss sei zu verpflichten, ihr eine Entschädigung von 6 Monatslöhnen, insgesamt rund 38 000 Franken, zu bezahlen. Eventualiter sei das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Ihre Klage wurde abgewiesen. Sie muss die Gerichtskosten von 5900 Franken bezahlen und wurde zudem verpflichtet, der Swiss eine Parteientschädigung von 5000 Franken zu entrichten.

Ein Pilot, der sich nicht impfen lassen wollte, hatte die Swiss im 12. Dienstjahr verlassen müssen und beantragte vor Bezirksgericht eine Entschädigung von 18 Monatslöhnen, insgesamt rund 212 000 Franken. Auch seine Klage wurde abgewiesen. Laut seinem Urteil muss er 13 100 Franken Gerichtskosten und 15 000 Franken Parteientschädigung für die Anwälte der Swiss bezahlen.

An den Gerichtsverhandlungen vor Bezirksgericht Bülach hatte die Swiss unter anderem argumentiert, die Einsatzplanung wäre zu komplex geworden, wenn sie auf die Ungeimpften hätte Rücksicht nehmen müssen.

Eine Anwältin von zwei Flight-Attendants sah das völlig anders. Der einzige Grund für die Kündigungen sei gewesen, «dass die Swiss ihre autoritären Machtvorstellungen durchsetzen und ein Exempel statuieren wollte», hatte sie behauptet.

Es sei um «ein reines Machtspiel» gegangen. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die Swiss als Arbeitgeberin nicht berechtigt gewesen sei, ein Corona-Impfobligatorium für ihr fliegendes Personal einzuführen, durchzusetzen und bei Widerhandlung die Kündigung auszusprechen.

Eine sehr komplexe Einsatzplanung

Die Bülacher Richter schreiben in ihrem Entscheid: Je schwerer das betriebliche Interesse wiege, desto eher müsse sich der Arbeitnehmer einen Eingriff «in die kraft seiner Persönlichkeit geschützte Sphäre» gefallen lassen. Die Swiss habe sich an die besonderen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Ausland mit den jeweiligen Impfvorschriften während der Pandemie halten müssen.

Eine solche Einsatzplanung sei in der Pandemiesituation sehr komplex geworden. Ende August 2021 sei der Flugbetrieb mit der geringen Zahl des verfügbaren geimpften Personals ernstlich gefährdet gewesen.

Im Flugbetrieb mit den engen Platzverhältnissen sei zudem von einem höheren Ansteckungsrisiko auszugehen. Nebst der betrieblichen Notwendigkeit und der Schutzbedürftigkeit des Personals sei auch die Schutzbedürftigkeit der Passagiere als hoch zu gewichten gewesen.

Es gelte auch der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitarbeitenden. Der Arbeitgeber dürfe nicht einzelne Arbeitnehmer willkürlich benachteiligen. Ungeimpfte Crew-Mitglieder hätten nur noch auf bestimmten Destinationen eingesetzt werden können, wogegen geimpfte Crew-Mitglieder für Destinationen mit ausgeprägten Schutzmassnahmen bestimmt gewesen wären.

Das hätte rasch zu Diskussionen und Spannungen beim Personal geführt. Der Betriebsfrieden wäre gestört worden, halten die Bülacher Richter fest. Deshalb habe die Einführung des Impfobligatoriums auch für die Gewährleistung des Betriebsfriedens gesorgt.

Swiss suchte Gespräch mit ungeimpfter Flugbegleiterin

Die klagende Flight-Attendant habe andere Optionen wie eine Versetzung in den Bodendienst abgelehnt. Sie habe das Corona-Impfobligatorium konsequent verweigert, auch nachdem die Swiss mit ihr das Gespräch gesucht habe. Die Swiss sei deshalb befugt gewesen, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen.

Es liege auch keine missbräuchliche Kündigung vor. Die Swiss «hatte plausible, nachvollziehbare Gründe vorab betrieblich-operationeller, aber auch fürsorgerischer Natur zugunsten des Personals und der Passagiere, ein Impfobligatorium einzuführen», heisst es im Urteil.

Für die Kündigung hätten «achtenswerte und sachlich ausgewiesene Gründe» vorgelegen. Die angeordnete Massnahme sei zumutbar gewesen und sei auch nicht weiter als betrieblich notwendig gegangen.

Alternative, mildere Massnahmen seien entweder nicht zur Verfügung gestanden oder hätten sich angesichts der unsicheren Lage als nicht ausreichend erwiesen.

Urteile AN230001 und AN230004 vom 5. 7. 2024, noch nicht rechtskräftig.

Exit mobile version