Umweltschutzorganisationen hatten im Vorfeld kritisiert, dass die reiche Schweiz den Zielen besonders hinterherhinke. Das Bundesamt für Umwelt sieht das anders.

Die Schweiz ist Podestplätze gewohnt. Sie gehört zu den Top 3, wenn es um Lebensqualität geht, in vielen einschlägigen Ranglisten. Bei den teuersten Ländern steht sie sogar auf Platz eins. Doch in der Erhaltung der Biodiversität fällt sie zurück.

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Vom 25. bis 27. Februar haben sich in Rom Abgeordnete von 200 Staaten zur Biodiversitätskonferenz (COP16) getroffen. Die Konferenz hatte ursprünglich im vergangenen Herbst im kolumbianischen Cali stattgefunden, war jedoch ohne Abschlusserklärung geblieben: Gegen Ende waren so viele Delegierte bereits abgereist, dass die Übrigen die Beschlussfähigkeit verloren.

Vier Monate nach dem Misserfolg in Kolumbien haben sich die Staaten nun auf einen Finanzierungsplan für die nächsten Jahre zum Schutz von Natur und Artenvielfalt geeinigt – kurz bevor um Mitternacht die neue Frist ausgelaufen wäre.

Im Saal gab es daraufhin viel Applaus. Die Hoffnung auf eine Einigung war klein gewesen. Denn auch schon in Kolumbien hatten sich zahlreiche Staaten nicht an ihre Fristen gehalten – so auch die Schweiz.

Nur wenige Staaten haben Pläne zur Umsetzung von «30 by 30»

Im Grundsatz hatten sich Industrie- und Entwicklungsländer schon vor vier Jahren auf einen «Weltnaturvertrag» mit Zielen verständigt. Die beteiligten Industrieländer sollen jedes Jahr 20 Milliarden Dollar zum Schutz der Artenvielfalt bereitstellen. 2030 sollen es dann 30 Milliarden sein. Bis jetzt war jedoch nicht konkret geklärt, wie die Finanzierung geregelt werden soll.

Eines der Ziele ist «30 by 30», dabei setzten sich 196 Staaten vor gut zwei Jahren an der COP 15 in Montreal ein klares Ziel: Bis 2030 sollen sie 30 Prozent ihrer Fläche unter Schutz stellen.

In Cali hätten sie ihre Pläne präsentieren müssen. Doch nur 46 Staaten haben, Stand heute, einen Plan eingereicht. Dafür haben 125 Staaten einige Ziele in ihren bereits bestehenden Plänen aktualisiert, das zeigen Daten der Convention on Biological Diversity.

Die Schweiz gehört zu den 46 Staaten, die bereits einen neuen Plan veröffentlicht haben. Sie hatte zuvor aber die Frist verpasst. Im November 2024 stellte der Bund dann den zweiten Teil des Aktionsplans vor.

Der erste Plan war bereits 2017 erschienen und umfasste 26 konkrete Massnahmen, darunter die Sicherstellung einer ökologischen Infrastruktur, die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen und die Sensibilisierung der Gesellschaft für den Biodiversitätsverlust.

Der zweite Aktionsplan konzentriert sich auf den Schutz der Insekten, die Anpassung der Biodiversität an den Klimawandel und die Förderung der Artenvielfalt in Siedlungen. Doch im Vorfeld der Biodiversitätskonferenz wiesen Nichtregierungsorganisationen auf Mängel hin.

Im WWF-Vergleich schneidet der Schweizer Aktionsplan schlecht ab

Die Naturschutzorganisation WWF hat im Vorfeld der COP 16 eine Vergleichsstudie zu den nationalen Aktionsplänen gegen die Biodiversitätskrise veröffentlicht. Darin schneidet die Schweiz besonders schlecht ab: Sie belegt den letzten von 22 Plätzen.

Friedrich Wulf ist Projektleiter bei Pronatura und an der WWF-Studie beteiligt. Wie er sagt, ist die Auswahl der 22 Staaten ein «work in Progress». Ziel sei es, nach und nach alle Staaten, die einen neuen Plan eingereicht hätten, miteinander zu vergleichen. Die bisherige Auswahl sei jedoch willkürlich.

Die Studie vergleiche die von den Staaten eingereichten Pläne, nicht die Realpolitik der Länder, sagt Wulf. Die Pläne sollten aber dennoch einen umfassenden Überblick über die für die Biodiversität relevante Politik geben. Jeweils im Hinblick auf Biodiversität wurden die Pläne anhand von fünf Kriterien verglichen: Ambition zur Umsetzung, gesamtgesellschaftliche Beteiligung wie auch Politikkohärenz, Umsetzungsmechanismen, Monitoring und Menschenrechte.

Wulf erklärt, dass bei den Menschenrechten nur verglichen worden sei, ob Ziele zu Gleichstellung, Menschenrechten und Ähnlichem in den Plänen berücksichtigt worden seien – nicht, wie im Land die Menschenrechtslage sei.

Die Schweiz liegt unter dem Durchschnitt – selbst im Vergleich zu Staaten mit weniger finanziellen Mitteln wie Surinam oder Kolumbien, die die Liste anführen. Die Schweiz schneidet laut der Studie in drei Bereichen besonders schlecht ab: beim Bestreben, den Biodiversitätsverlust zu stoppen (25 Prozent), bei den Mitteln zur Umsetzung (17 Prozent) und bei der Fortschrittsüberprüfung (10 Prozent).

Der Bund zahlt 600 Millionen Franken pro Jahr für Biodiversität

Der WWF kritisiert in der Mitteilung, dass der Plan des Bundes zu wenig praxisnah sei und sich eher auf Monitoring und Studien konzentriere. Wie der WWF schreibt, wird die Schweiz mit diesem Aktionsplan weder die globalen noch die nationalen Ziele für die Biodiversität erreichen. Die Ziele seien zudem weder klar noch messbar. Auch die Finanzierung reicht dem WWF nicht aus.

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) widerspricht. Der Aktionsplan sei nur ein Teil der umfassenden Biodiversitätspolitik des Bundes, schreibt ein Sprecher auf Anfrage der NZZ.

Der Bund investiere jährlich 600 Millionen Franken in die Artenvielfalt. Der zweite, im November veröffentlichte Aktionsplan schliesse mit 4 Millionen Franken pro Jahr Lücken und verbessere die Zusammenarbeit mit den Kantonen. Das Bafu weise die Kritik des WWF deshalb zurück.

Mit Agenturmaterial.

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