Samstag, Januar 18

Am 9. Februar finden in Kosovo Parlamentswahlen statt. Die von Belgrad kontrollierte Partei der kosovarischen Serben wird gleich doppelt unter Druck gesetzt – von Pristina und von der eigenen Gemeinschaft. Verliert Belgrad seinen Einfluss?

Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti könnte sich eigentlich zurücklehnen: Für die Parlamentswahlen am 9. Februar rechnen Experten mit einem weiteren Wahlsieg seiner Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung). Doch Kurti bleibt unbeirrt auf Konfrontationskurs gegen die serbischen Institutionen und Parteien im Land.

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Am Mittwoch ging die kosovarische Polizei in zehn Gemeinden gegen serbische Verwaltungsstellen vor, darunter Postbüros und Steuerämter. Kosovos Innenminister Xhelal Svecla verkündete das Ende der «Ära serbischer Kommunen und paralleler krimineller Einrichtungen in der Republik Kosovo». Die USA und die EU kritisieren die Aktion, die mitten im Wahlkampf durchgeführt wurde.

Kurti und seine Partei haben sich auf einen weiteren Gegner eingeschossen: die Serbische Liste (SL), die stärkste Partei der Serben in Kosovo. Sie hat seit zehn Jahren das Sagen in den mehrheitlich serbischen Gebieten des Landes, pflegt enge Beziehungen zu Serbiens Präsident Aleksandar Vucic und dessen Fortschrittspartei (SNS). Sie gilt als verlängerter Arm Belgrads in Kosovo.

Ende 2024 versuchten Abgeordnete von Vetevendosje, die SL von den Wahlen auszuschliessen. Eine Berufungsinstanz entschied jedoch zugunsten der SL – sie darf bei den Wahlen antreten.

Dennoch können die SL-Politiker noch nicht aufatmen. In jüngster Zeit werden sie auch aus den Reihen kosovarischer Serben, ihrer Stammwähler, immer schärfer kritisiert. Droht Belgrad nach seinen Institutionen auch den Einfluss auf die Serben in Kosovo zu verlieren?

Überleben der Serben in Kosovo als oberstes Ziel

In dem kleinen Land hat sich eine kosovo-serbische Konkurrenz zur SL formiert. Mehrere junge serbische Politiker und Aktivisten gründeten nach den letzten Parlamentswahlen eigene Parteien. Am 9. Februar treten nun insgesamt sechs kosovo-serbische Parteien an, doppelt so viele wie 2021.

Sie alle haben das gleiche Hauptanliegen: die Existenzsicherung der serbischen Minderheit in Kosovo. Wie in anderen Balkanstaaten wandert die Bevölkerung Kosovos ab, auch die serbische. Der Druck aus Pristina verstärkt diese Tendenz. Ihre Anzahl beträgt laut Schätzungen zwischen 53 000 und 95 000 Personen – das sind drei bis fünf Prozent der Bevölkerung Kosovos.

Die neuen kosovo-serbischen Parteien machen die SL für die Abwanderung mitverantwortlich. Vor allem zwei Entscheide prangern sie an: den Rückzug serbischer Beamter aus den gemeinsamen Institutionen Kosovos 2022 und den Boykott der Lokalwahlen 2023.

Boykott und Rückzug der Serbischen Liste waren Eigentore

2021 hatte Albin Kurti begonnen, die Autorität des Staates in den nördlichen Gebieten Kosovos durchzusetzen. Serbische Nummernschilder wurden verboten, serbische Institutionen geschlossen.

Die kosovarischen Serben protestierten gegen diese Massnahmen, auch auf Aufforderung der Serbischen Liste. Serbische Beamte traten kollektiv aus den kosovarischen Institutionen zurück, darunter Polizisten, Richter und Staatsanwälte. Im Frühling 2023 boykottierten die Serben die Lokalwahlen in vier nördlichen Gemeinden.

Die Proteste verfehlten ihr Ziel. Albin Kurti verstärkte die Souveränität Pristinas im Norden noch weiter. Kosovo-albanische Politiker wurden dank fehlender serbischer Konkurrenz mit nur wenigen Stimmen in die Gemeindeämter im Norden gewählt. Offene Stellen, etwa in der Polizei, wurden überwiegend mit Kosovo-Albanern besetzt. Anfang 2024 wurde der serbische Dinar verboten und der Euro als Währung eingeführt.

Die Serben in Nordkosovo beklagen diesen Kontrollverlust. Das ist nicht ganz unbegründet: Die kosovarischen Behörden begannen vor zwei Jahren, serbische Grundstücke zu enteignen. Auf den Parzellen errichteten sie Stützpunkte für die kosovarische Spezialpolizei, die im Norden für Sicherheit sorgen soll. Die als «einseitig» bezeichneten Schritte werden auch von der Europäischen Union kritisiert.

Eine junge Generation wehrt sich gegen Belgrad und Pristina

Die «Srpska Demokratija» (Serbische Demokratie, SD) ist eine der Parteien, die die SL kritisiert. Sie war 2023 aus einer Bürgerrechtsbewegung hervorgegangen. Ihre Kandidaten für die Parlamentswahlen sind jung, sie waren während des Krieges (1998/99) Jugendliche, Kinder oder noch nicht einmal geboren.

Präsident der SD ist Aleksander Arsenijevic, ein prominenter Aktivist aus Nord-Mitrovica. Er wurde mehrfach verhaftet, weil er gegen kosovarische Politiker protestierte, die den Norden der mehrheitlich serbischen Stadt besuchten. Seine Partei bezeichnet er im Gespräch als «Opposition zur SL, aber auch zu Pristina, zu Belgrad, zur internationalen Gemeinschaft und allen, die den Interessen der Serben Kosovos schaden».

Aussagen aus dem Wahlprogramm der SD lassen aufhorchen: «Kosovo gehört den Serben ebenso wie den Albanern und anderen Gemeinschaften.» Oder: «Wir werden die Beziehungen zu Belgrad auf technischer und nicht auf politischer Ebene aufrechterhalten.» Entsteht hier eine Bewegung, die nicht mehr darauf beharrt, dass Kosovo zu Serbien gehört und deren Mitglieder dauerhaft und als Bürger Kosovos dort leben möchten?

Ja, sagt Bronwyn Jones: «Arsenijevic und die SD repräsentieren einen dritten Weg, zwischen absoluter Loyalität zu Belgrad und Auswanderung.» Die Amerikanerin Jones lebt und arbeitet seit mehreren Jahren in Kosovo und leitet eine Nichtregierungsorganisation, die sich mit den Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen auseinandersetzt.

Ob es der SD und den anderen kosovo-serbischen Parteien gelingen wird, das Machtmonopol der SL zu brechen, und ob sie dereinst nicht auch einen nationalistischen oder separatistischen Kurs einschlagen, ist offen. Die Regierung in Belgrad ist weiterhin die grösste Arbeit- und Geldgeberin der Serben in Kosovo. «Wer nicht in internationalen Organisationen, NGO oder dem kleinen Privatsektor tätig ist, bezieht sein Gehalt aus Serbien», sagt Jones. «Alle, die in dieser Abhängigkeit sind, werden die Serbische Liste wählen, sonst verlieren sie ihre finanzielle Grundlage.»

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