Erst ein grippaler Infekt, dann eine Lungenentzündung: Der Hausarzt Felix Huber sieht derzeit immer wieder solche Fälle. Er schildert Eindrücke aus der Praxis und erklärt, wann Erkrankte zum Arzt gehen sollten.

Herr Huber, Sie sind Präsident von Medix, das ist ein Ärztenetzwerk mit über 900 Hausärzten in der Schweiz. Wir sind mitten in der Erkältungssaison. Was erleben Sie und Ihre Kollegen derzeit?

Unsere Sprechstunden quellen derzeit über, weil so viele Menschen mit Atemwegsinfekten kommen. Die Patienten klagen über Husten, eine blockierte Nase, Reizungen der Nebenhöhlen, Ohrenschmerzen, Fieber und Kopfschmerzen. Das sind die typischen Symptome der vielen unterschiedlichen grippalen Infekte, die es gibt. Mehr als die Hälfte der Konsultationen betreffen derzeit grippale Infekte. Normalerweise sind es zur gleichen Zeit des Jahres rund 30 Prozent, wobei wir keine genauen Statistiken führen.

Was genau haben die Leute momentan?

Ob sie Covid, eine Grippe oder einen der vielen möglichen Atemwegsinfekte haben, klären wir im Normalfall nicht ab. Das kann man aus epidemiologischen Gründen tun, aber für uns in der Hausarztpraxis ist das nicht sinnvoll, weil es keine therapeutischen Konsequenzen hat. Die Symptome sind ja oft ähnlich.

Sind denn die Symptome der verschiedenen Infekte in diesem Jahr generell stärker, und halten sie länger an als sonst?

Wir sehen tatsächlich gehäuft ungewöhnlich lange Verläufe. Wir haben wirklich viele Patienten, die zwei Wochen nach Beginn der Symptome kommen und berichten, sie hätten immer noch Fieber, quälenden Husten und Ohrenschmerzen.

Woran liegt das?

Das wissen wir nicht. Wahrscheinlich kursieren besonders aggressive Virusvarianten.

Und die Symptome sind so gravierend, dass die Menschen medizinische Hilfe benötigen?

Nicht bei allen. Manche brauchen einfach ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis und blockieren damit natürlich die Sprechstunde. Das kann man nicht verhindern.

Und die anderen?

Viele Leute kommen, weil sie beunruhigt sind. Unsere Aufgabe ist es, täglich diejenigen zu entdecken, die zusätzlich zum viralen Infekt eine Lungenentzündung haben. Sie wird durch bakterielle Erreger verursacht. Wir sehen tatsächlich jeden Tag mehrere solche Patienten, die wir dann mit Antibiotika behandeln müssen.

Ist das typisch für die Saison?

In diesem Jahr ist die Häufung meiner Beobachtung nach besonders stark, für gewöhnlich sind das eher Ausnahmefälle. Und es gibt noch eine zweite Auffälligkeit: Derzeit beobachten wir vermehrt sogenannte atypische Pneumonien, also Lungenentzündungen.

Was bedeutet das?

Lungenentzündungen werden üblicherweise durch Pneumokokken verursacht. Jetzt aber gibt es oft Patienten, die einen sogenannten atypischen Keim haben, am häufigsten sind das Mykoplasmen. Sie muss man mit einem anderen Antibiotikum behandeln.

Wie erkennen Sie, um welche Art von Lungenentzündung es sich handelt?

Die Symptome sind gleich. Aber wir machen in der Praxis zur Diagnosesicherung ein Röntgenbild der Lungen. Da gibt es gewisse Kriterien, die auf den Erreger rückschliessen lassen. Die atypischen Lungenentzündungen gab es in der Vergangenheit eher selten, vielleicht bei 10 bis 20 Prozent der Pneumoniefälle. Jetzt sind es bis zu 50 Prozent. Wir haben jeden Tag solche Fälle. Wir wissen aber nicht, warum das derzeit so ist.

Wie kommt es überhaupt zu einer Lungenentzündung? Und kann man selbst etwas tun, um das zu vermeiden?

Eine Pneumonie ist fast immer eine Aufpfropfinfektion auf einen viralen Infekt. Das heisst: Zu Beginn hat die Person ein übliches Virus, das die Atemwege befällt. Das Immunsystem ist geschwächt, und dadurch kann sich ein bakterieller Erreger vermehren. So entsteht die Lungenentzündung. Wenn das passiert, hat man einfach Pech. Durch besondere Schonung kann man das nicht verhindern. Es passiert, oder es passiert nicht.

Woran erkennt man, dass man eventuell eine Lungenentzündung hat und unbedingt zum Arzt gehen sollte?

Ich empfehle, bei Symptomen wie sehr quälendem Husten, Atemnot und hohem Fieber, das mehrere Tage lang anhält, zum Hausarzt zu gehen.

Was kann man vorbeugend tun, um ganz gesund zu bleiben?

Am besten trägt man in geschlossenen Räumen mit vielen Menschen, zum Beispiel im Zug, eine Mund-Nasen-Maske. So kennen wir es aus der Corona-Pandemie, und das ist immer noch sinnvoll, um Ansteckungen mit unterschiedlichen Viren zu vermeiden. Das kann man auch tun, wenn man selbst hustet – nämlich, um andere zu schützen.

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