Mittwoch, Oktober 2

Unter dem Motto «Koste es, was es wolle» hat die Regierung in Wien in den letzten Jahren einen Schuldenberg angehäuft. Nach der Wahl werden schmerzhafte Einschnitte folgen müssen. Doch keine Partei wagt, das auszusprechen.

Kuchen statt ein Sparpaket – im Land der Sachertorte klingt das verlockend. Nicht umsonst heissen die Versprechen sozialer Wohltaten, mit denen die Parteien jeweils auf Stimmenfang gehen, in Österreich «Wahlzuckerl». Dass fast alle Ökonomen stattdessen Einsparungen verlangen, ist so kurz vor der Parlamentswahl unbequem. Denn Sparen bedeutet, den Gürtel enger zu schnallen, und das möchte man der Bevölkerung keinesfalls zumuten.

Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP stellt deshalb in Aussicht, das Wirtschaftswachstum kräftig anzukurbeln, so dass einfach der Kuchen grösser wird, den es zu verteilen gibt. Den Subventionsdschungel durchforsten will seine konservative Partei laut ihrem Wahlprogramm schon auch, aber Sparen soll man das offenbar nicht nennen. Vielmehr wirbt der Regierungschef für ein «Zero-Based-Budgeting», also die Neuverhandlung aller Ausgabenposten bei der Budgeterstellung. 3,5 Milliarden Euro soll das einbringen.

Beide Vorschläge klingen vernünftig, und man fragt sich, warum die seit 37 Jahren mitregierende Partei sich nicht längst an die Umsetzung gemacht hat. Es ist aber völlig unrealistisch, zu glauben, dass sie ausreichen.

Ein Wachstum, wie es dem Kanzler vorschwebt, ist illusorisch

Erstens ist die Haushaltslage inzwischen nicht angespannt, sondern desolat. Der österreichische Staat hat das Geld in den vergangenen Jahren mit beiden Händen ausgegeben. «Koste es, was es wolle» – nach diesem Motto von Nehammers Vorgänger Sebastian Kurz eilte für jedes Problem die Politik herbei und zahlte Corona-Hilfen, Energiekostenzuschüsse, Klima- oder Handwerkerboni. Ob die Gelder zielgerichtet waren, spielte keine Rolle.

Die Folge ist, dass in der Amtszeit der konservativ-grünen Regierung die Schuldenquote von gut 70 auf knapp 80 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Für dieses Jahr erwartet der Fiskalrat ein Budgetdefizit von 3,4 Prozent. Österreich, das sich in der EU gerne zu den haushaltspolitisch besonders restriktiven «Sparsamen Vier» zählt, verfehlt die Maastricht-Kriterien also deutlich. Brüssel verlangt deshalb für das kommende Jahr Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro.

Um das Defizit auch nur annähernd auszugleichen, brauche es ein Wirtschaftswachstum «chinesischen Ausmasses», sagt Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, eines unabhängigen Expertengremiums, das die Einhaltung der Haushaltsregeln überwacht. Allerdings erholt sich Österreich, zweitens, langsamer als andere Länder von der Krise und stagniert nach wie vor. Ein Wachstum, wie es dem Kanzler vorschwebt, ist vorläufig illusorisch – zumal die Konjunktur des wichtigsten Handelspartners Deutschland noch längerfristig schwächeln dürfte.

Drittens versprach die ÖVP immer wieder, bei den Förderungen anzusetzen. Kurz sah im Wahlkampf 2017 ein Sparpotenzial von 5 Milliarden Euro jährlich in diesem Bereich. Passiert ist das Gegenteil. Seit diesem Zeitpunkt ist das Subventionsvolumen um 35 Prozent gestiegen – und dies bereits bereinigt um die Krisenmassnahmen.

Alle Parteien werfen mit «Zuckerln» um sich

Die ÖVP wird mit grösster Wahrscheinlichkeit auch nach der Wahl Ende Monat Teil der künftigen Regierung sein. Es wäre allerdings unfair, nur ihre Pläne als unrealistisch einzustufen. Fast alle Parteien werfen mit «Zuckerln» um sich. Die SPÖ will diese mit Vermögens- und Erbschaftssteuern finanzieren, rechnet aber mit viel zu hohen Einnahmen. Die voraussichtliche Wahlsiegerin FPÖ lehnt dagegen neue Steuern ab. Sie will stattdessen Ausländern die Sozialhilfe streichen und aus der europäischen Luftverteidigungsinitiative Sky-Shield austreten. Ersteres bringt indes kaum Einsparungen, Letzteres wäre sicherheitspolitisch fahrlässig.

Der Fiskalratspräsident Badelt bezeichnete die Versprechungen kürzlich allesamt als «unseriös und nicht realistisch». Die Ernüchterung wird nach der Wahl folgen. Die leeren Kassen werden eine künftige Regierung zu schmerzhaften Einschnitten zwingen. Dazu müssen auch politisch heikle Massnahmen gehören wie etwa die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen oder eine Pensionsreform, die rasch das sehr niedrige faktische Rentenalter erhöht. Das auszusprechen ist unangenehm, wäre aber ehrlich.

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