Mittwoch, März 12

Die israelische Regierung sendet widersprüchliche Signale aus: Sie dreht den Menschen im Gazastreifen den Strom ab, zeigt sich gegenüber den Islamisten aber gesprächsbereit. Unterdessen verfolgen die USA ihre eigene Agenda.

Keine Hilfslieferungen, keine Elektrizität und künftig womöglich kein Wasser mehr: Israel zieht die Daumenschrauben an. Seit Sonntag fliesst kein Strom mehr aus dem jüdischen Staat in den Gazastreifen. Unmittelbare Auswirkungen hat das unter anderem auf die Versorgung der palästinensischen Bevölkerung mit Trinkwasser: Die letzte funktionierende israelische Stromleitung versorgte bisher eine Entsalzungsanlage in Gaza. Die israelische Regierung will zudem nicht ausschliessen, künftig auch Wasserlieferungen in den grösstenteils zerstörten Küstenstreifen zu blockieren.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Gleichzeitig demonstriert Israel plötzlich wieder Gesprächsbereitschaft: Am Montag machte sich eine israelische Delegation auf den Weg nach Katar, um dort mit den Vermittlern über eine Fortsetzung der Waffenruhe und mögliche weitere Geiselfreilassungen zu verhandeln. Am 1. März war die erste Phase der Waffenruhe ausgelaufen – bis anhin bleibt unklar, ob sich die Hamas und Israel auf eine zweite Phase und damit ein Ende des Kriegs einigen können.

Derzeit herrscht in Gaza ein seltsamer Schwebezustand. Mit wenigen Ausnahmen schweigen die Waffen, doch die Hamas lässt keine Geiseln mehr frei. Beide Seiten drohen einander: entweder mit der Wiederaufnahme der Kämpfe oder der Ermordung der Geiseln. Doch weder die Hamas noch Israel wollen die Verantwortung für einen endgültigen Kollaps der Waffenruhe auf sich nehmen. Gleichzeitig setzen unerwartete Manöver von Donald Trump und seinem Team Israels Regierung unter Druck.

Wirre Aussagen über direkte Gespräche mit der Hamas

Mitte vergangener Woche wurde durch Medienberichte bekannt, dass die USA in der Person von Adam Boehler, dem Gesandten des Weissen Hauses für Geisel-Angelegenheiten, erstmals direkt mit der Hamas verhandeln. Einerseits, um den letzten noch lebenden amerikanischen Staatsbürger aus den Fängen der palästinensischen Terrororganisation zu befreien. Andererseits, um ein Ende des Kriegs herbeizuführen, wie das Weisse Haus mitteilte.

Nachdem der Tabubruch der USA der Presse gesteckt worden war, setzte Adam Boehler am Wochenende zu einem Interview-Marathon in amerikanischen und israelischen Medien an, um sich zu erklären. Dabei verwirrte er besonders in Israel mit einigen Aussagen. So sagte Boehler, die Vertreter der Terrororganisation, die er mehrmals in Doha getroffen hatte, seien «nette Leute». Am Montag nahm er diese Aussage zurück und schrieb, die Terroristen seien «per Definition schlechte Menschen».

Laut israelischen Medienberichten schäumten die israelischen Verhandler vor Wut, als sie von den direkten Gesprächen zwischen den USA und der Hamas erfuhren. Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich nannte die Verhandlungen Boehlers mit der Organisation am Montag einen «völligen Fehler».

Boehler hingegen glaubt offenbar, dass eine Übereinkunft mit der Hamas im Bereich des Möglichen liegt. Für einen fünf- bis zehnjährigen Waffenstillstand seien die Islamisten bereit, ihre Waffen niederzulegen und keine Rolle mehr in der Regierung des Gazastreifens zu spielen. Die Terrororganisation hat dies bisher nicht bestätigt. In Israel sorgen die Aussagen des Diplomaten für einiges Aufsehen, zumal die Netanyahu-Regierung stets betont, Hand in Hand mit dem Weissen Haus zu arbeiten. Doch Boehler stellte klar, dass die USA eigene Interessen verfolgten und kein «Agent Israels» seien.

Hat Trump die Geduld verloren?

Boehlers Gespräche könnten ein Hinweis darauf sein, dass Donald Trump die Geduld mit Israel verliert. Während Benjamin Netanyahus Strategie darin besteht, die Verhandlungen zu verzögern und gleichzeitig den Druck auf die Hamas zu erhöhen, will der amerikanische Präsident offenbar schnellere Resultate sehen. Sollte es den USA gelingen, Geiseln über einen parallelen Gesprächskanal zu befreien, dürfte der innenpolitische Druck auf die israelische Regierung immens steigen, ebenfalls weitere Verschleppte nach Hause zu bringen.

Am Montagabend versuchte der amerikanische Aussenminister Marco Rubio die Wogen zu glätten. Die direkten Gespräche von Boehler seien eine einmalige Situation gewesen und hätten bisher noch keine Früchte getragen. Die wichtigsten Gespräche blieben die zwischen Israel und den Vermittlern.

Die israelische Delegation in Katar könnte sich trotzdem womöglich bald schon in einer ähnlichen Situation wie die Ukraine befinden: Entweder sie beeinflusst die Bedingungen eines Waffenstillstands – oder die USA diktieren sie ihr. Am Dienstagabend soll auch Steve Witkoff, der Nahostgesandte des Weissen Hauses, in Doha eintreffen. Er hatte schon im Januar massiven Druck auf Israel ausgeübt, einer Waffenruhe zuzustimmen.

Exit mobile version