Wenn derzeit Schnäppchen auf dem deutschen Aktienmarkt zu finden sind, dann vor allem in der zweiten Reihe. The Market stellt fünf aussichtsreiche Kandidaten aus dem deutschen Nebenwerteindex vor, deren Bewertung attraktiv erscheint.
Aktien von kleineren Unternehmen zeichnen sich für gewöhnlich durch ein höheres Risiko aus, ergo bringen sie – zumindest in der Theorie – mehr Rendite ein. Was lange Zeit auch für die Valoren aus dem MDax galt, trifft aktuell keineswegs auf die deutschen Nebenwerte zu. Das könnte sich nun aber wieder ändern.
Die Gesetzmässigkeit von Risiko und Rendite war beim kleinen Bruder des Dax seit seinem Start 1996 solange intakt bis sich zwei Ereignisse einstellten.
- Erstens: Mitte September 2021 stockte die Deutsche Börse den Leitindex Dax um zehn auf 40 Titel auf. Im Gegenzug schrumpfte der MDax auf 50 Indexmitglieder und verlor seine zehn grössten Zugpferde, darunter etwa Airbus und Siemens Healthineers.
- Zweitens: Kleinere Unternehmen, die sich häufig noch in einer Wachstumsphase befinden, in höherem Mass auf die Fremdfinanzierung angewiesen sind, leiden besonders stark unter den seit Juli 2022 wieder gestiegenen Zinsen.
Eine Zeitenwende für den MDax?
Nun scheint sich das Blatt zu wenden, mit niedrigeren Zinsen sowie dem geplanten Infrastrukturpaket und den Verteidigungsausgaben der Bundesregierung. Unternehmen aus dem MDax haben in diesem Kontext besonders Aufholpotenzial gegenüber den Standardwerten, weil sie mit einem Anteil von etwa 24% mehr Umsatz im Inland erzielen als die Dax-Konzerne (rund 19%). Sie sind dazu ein ganzes Stück preiswerter. So werden die MDax-Titel zum Beispiel im Schnitt etwa nur mit dem 0,6-fachen ihres Jahresumsatzes gehandelt. Beim Dax liegt das Kurs-Umsatz-Verhältnis mit 1,1 fast doppelt so hoch. Hauptrisiko für die erhoffte deutsche Wirtschaftserholung bleibt die US-Zollpolitik.
Während der Leitindex diese Woche ein Allzeithoch (23‘696 Punkte) erreichte, fehlen dem MDax noch rund 6500 Punkte zum Spitzenwert von 36‘276 Zählern vom 2. September 2021, kurz bevor ihm die zehn Zugpferde genommen wurden.
Welche der 50 MDax-Titel derzeit günstig bewertet sind, kann zum Teil das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) beantworten. Es setzt den Substanzwert der Vermögensgegenstände in Relation zum Börsenwert und liegt im Schnitt bei 1,6. Aktuell notieren 13 Aktien aus dem Index sogar unter ihrem Buchwert.
Ausserdem achten wir bei der Auswahl aus dem MDax noch auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), vergleichen die Werte mit der eigenen Historie und dem Branchendurchschnitt und werfen einen Blick auf die Dividendenrendite. Natürlich sind die preiswerten Titel nicht ohne Risiken, die Fallhöhe ist jedoch geringer als bei teuren Werten.
Fünf spannende Kandidaten hat The Market herausgefiltert.
Gabelstaplerhersteller wie Jungheinrich gelten als eine Art Frühzykliker. Wenn sich eine Konjunkturerholung anbahnt, sind sie die ersten, die davon profitieren. Darin liegt umgekehrt auch das Risiko.
Das Familienunternehmen erzielt mehr als 20% seines Umsatzes in der Heimat. Der Stimulus der Bundesregierung dürfte Jungheinrich deshalb besonders zugutekommen, wenn er in der Wirtschaft Früchte trägt. Im Gegensatz zum Wettbewerber Kion hat Jungheinrich die grösseren und krisensicheren Kunden. Sie kommen aus der Nahrungsmittelbranche und dem Handel.
Das MDax-Unternehmen ist gut ins laufende Geschäftsjahr gestartet, konnte bei Aufträgen, Umsatz und Ergebnis leichte Zuwächse vermelden und die Analystenschätzungen übertreffen. Für 2025 nimmt sich Jungheinrich unverändert einen Erlös von 5,4 Mrd. bis 6 Mrd. € vor (2024: 5,4 Mrd. €). Dagegen wirkt das Ziel der neuen «Strategie 2030+» mit einem Umsatz von 10 Mrd. € und einer Ebit-Marge von 10% im Jahr 2030 ambitioniert. Der Umsatz müsste zwischen fast 11% und gut 13% pro Jahr steigen, damit Jungheinrich die Vorgabe in fünf Jahren erreicht.
Eckpfeiler des Strategieupdates sollen eine globale Expansion und Akquisitionen in Nordamerika und der Region Asien-Pazifik sowie im Bereich der Automatisierung sein. Mit dem Wettbewerber EP Equipment aus China ist man bereits eine strategische Partnerschaft im Mid-Tech-Segment eingegangen.
Die mittelfristige Wachstumsstory ist intakt, dazu gehören eine globale Rückverlagerung von Produktion und Lieferketten, Wachstum im E-Commerce-Geschäft und der Automatisierungstrend. Dieser Einschätzung von The Market pflichten die Analysten von Metzler bei. Sie sind der Auffassung, «dass die erstklassige Generierung des freien Cashflows von Jungheinrich mit einer Rendite von mehr als 10% vom Markt unterschätzt wird.» Die Aktien sind mit einem KGV auf Basis des für die nächsten zwölf Monate geschätzten Gewinns von 11 günstig. Jungheinrich hat zudem seit Börsengang 1990 ununterbrochen eine Dividende ausgeschüttet.
Die Branche der Vermögensverwalter ist seit Jahren in der Konsolidierung. Die Margen sinken, vor allem durch den Siegeszug der kostengünstigen Indexfonds (ETF). Das zwingt Fondsgesellschaften wie die Deutsche-Bank-Tochter DWS, Kosten einzusparen und zu wachsen, um von Skaleneffekten zu profitieren. Dazu hängt die Entwicklung des Geschäfts eng mit der der Finanzmärkte zusammen.
Ähnlich wie der Mutterkonzern hat sich auch die Fondstochter ehrgeizige Ziele für 2025 gesetzt. Der Gewinn je Aktie soll auf 4.50 € klettern, also um gut 38%. Die bei Bloomberg erfassten Analysten trauen der DWS im Mittel 4.24 € zu. 2026 und 2027 soll der Gewinn nach dem Willen von CEO Stefan Hoops um jährlich 10% wachsen.
Als Kosten-Ertragsverhältnis strebt der Asset Manager einen ausgewiesenen Wert von unter 61,5% an. Im ersten Quartal 2025 lag er bei 62,2%. Der Wert gibt an, wie viel die DWS für jeden verdienten Euro ausgeben muss, also zuletzt 62 Cent.
Etwa 65% des Gewinns will die Deutsche-Bank-Tochter an ihre Anteilseigner ausschütten, den Grossteil davon an die Mutter (Anteil: 79,5%). The Market empfahl die Aktien im November vergangenen Jahres nicht zuletzt aufgrund der attraktiven Dividendenrendite. Aktuell beträgt sie 4,3%. Die Dividendenrendite war stets üppig.
Das Geschäft läuft vor allem mit den ETF, wie auch die Zahlen zum abgelaufenen Quartal belegen, dass als bislang zweitbestes Quartalsergebnis in die Unternehmensgeschichte eingeht. So stiegen die Erträge gegenüber dem Vorjahresquartal um 15% auf 753 Mio. € und das Konzernergebnis um 37% auf 199 Mio. €. Das verwaltete Vermögen hält sich stabil bei rund 1010 Mrd. €. Bemerkenswert hoch waren die Nettomittelzuflüsse von 19,9 Mrd. €. Abflüsse gab es bei aktiv verwalteten Fonds.
Im April musste die DWS im Zusammenhang mit Greenwashing-Vorwürfen erneut 25 Mio. € Strafe zahlen, konnte das Thema damit aber endgültig abschliessen, heisst es. Nun rückt hoffentlich das Wachstum in den Fokus, auch durch Übernahmen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg sagte CEO Hoops, es sei jetzt an der Zeit, einen Konkurrenten zu übernehmen. Er liebäugelt mit einer Expansion in Asien.
Die Analysten von JPMorgan trauen der DWS bei ETF den Gewinn weiterer Marktanteile zu. Die Aktien sind mit einem KGV von 12 bewertet.
Dem Flughafenbetreiber Fraport hängt noch die Corona-Pandemie nach – vor allem am heimischen Airport. Für 2025 erwarten die Frankfurter in der Mainmetropole bis zu 64 Mio. Fluggäste, ein Plus von fast 4%. Zuversichtlich stimmt, dass im April sogar fast 5% mehr Fluggäste kamen.
Positive Wachstumsimpulse erwartet CEO Stefan Schulte 2025 durch die fertiggestellten Erweiterungen der Flughäfen in Lima und Antalya. 2026 geht dann das dritte Terminal in Frankfurt in Betrieb. Bis dahin sollten den Airlines, die mit Lieferverzögerungen neuer Jets und ausserplanmässigen Wartungen zu kämpfen haben, auch deutlich mehr neue Maschinen zur Verfügung stehen.
Die Investitionen sind es, die die Fraport-Aktien so lange so unattraktiv erschienen liessen. Nun sinken die Investitionsaufwendungen wieder, der freie Cashflow sollte 2025 nahe null und spätestens 2026 wieder positiv sein. Auch eine Dividende wird dann wieder möglich.
The Market empfahl Fraport erstmalig im Oktober vergangenen Jahres als Turnaround-Kandidat zum Kauf. Die Titel sind auch auf unserer Favoritenliste für 2025. Nach dem Ende des Investitionszyklus liegt der Fokus von Fraport auf dem Schuldenabbau. Der Verschuldungsgrad (Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital) beträgt 264%. Werte jenseits von 200% gelten als gefährlich.
Analysten sind sich mehrheitlich einig: Fraport hat durch die Investitionen nicht nur seine Kapazitäten (+30%) erweitert, sondern sollte bald wieder eine zweistellige Free-Cashflow-Marge erzielen können. Die Aktien werden derzeit mit dem 13-fachen des für die nächsten zwölf Monate geschätzten Gewinns gehandelt.
Werbeeinnahmen sind existenziell für Medienunternehmen – und ihre Höhe von der Konjunkturlage abhängig. Dazu kosten einige Produktionen und Streamingangebote viel Geld. Auch können lang laufende, erfolgreiche TV-Unterhaltungsformate ausser Mode kommen.
Die RTL Group ist an 60 TV-Sendern, sieben Streamingdiensten und 37 Radiostationen beteiligt. Bertelsmann ist Mehrheitsaktionär (76 %).
RTL erzielt nahezu genau die Hälfte der Erlöse mit Werbung. 2024 lag der Umsatz bei 6,25 Mrd. €, 403 Mio. stammten davon aus dem Streamingangebot RTL+ und M6+. Für das laufende Jahr strebt RTL 6,45 Mrd. € Umsatz an. Als Ziel bis Ende 2026 hat sich der Medienkonzern 9 Mio. zahlende Abonnenten für RTL+ und M6+ gesetzt, im ersten Quartal 2025 waren es 7,1 Mio.
Positiv zu bewerten ist, dass der Anlaufverlust der Streamingdienste 2025 um gut 40% auf rund 80 Mio. sinken soll. «Wir sind auf dem besten Weg, 2026 im Streaming-Geschäft profitabel zu werden», sagte CEO Thomas Rabe bei der Ergebnispräsentation zum ersten Quartal.
Der Umsatz sank allerdings um 2% auf 1,3 Mrd. €. Bei der Filmproduktionstochter Fremantle gab es sogar ein Minus von 5,6%. «Sollten die Werbeeinnahmen in den kommenden Monaten hinter den Erwartungen zurückbleiben, würden wir entsprechend Kosten senken», sagt der RTL-Chef, der an der Jahresprognose festhält. «Wir sind zuversichtlich», so Rabe, «dass sich das von der neuen Bundesregierung angekündigte Investitionsprogramm mittelfristig positiv auf das Bruttoinlandsprodukt, den privaten Konsum und die Werbeausgaben auswirken wird.» Die Werbeerlöse mit klassischem linearem Fernsehen sanken in den ersten drei Monaten um 4%, was der Anstieg der digitalen Werbeumsätze um 29% allerdings ausglich.
Aktionärsfreundlich ist die Dividendenpolitik von RTL. Das MDax-Unternehmen schüttet mindestens 80% seines bereinigten Jahresnettoergebnisses aus. Das beschert Anteilseignern eine Dividendenrendite von 7,7%. RTL erwartet im laufenden Quartal ferner die regulatorischen Genehmigungen und den Abschluss des Verkaufs von RTL Nederland an DPG Media für schätzungsweise 800 Mio. €. Hier könnte eine zusätzliche Sonderdividende winken.
Auch eine Fusion der französischen Sender TF1 (Bouygues) und M6 (RTL-Anteil: 48 %) scheint wieder etwas greifbarer. In einem Interview mit der Financial Times bekräftige Rabe, an der Idee festzuhalten und räumte dem Zusammenschluss grössere Chancen ein als noch 2022; seinerzeit machten ihm die Kartellbehörden einen Strich durch die Rechnung. Es würde «ein echter französischer TV- und Streaming-Champion entstehen, der mit den US-Plattformen konkurrieren könnte.» Rabe rechnet mit einem Zeitfenster von zwei bis drei Jahren. Möglich erscheint dies durch eine Andeutung der Wettbewerbsbehörden der Europäischen Kommission, bei Konsolidierungen künftig einen milderen Ansatz verfolgen zu wollen.
Die Aktien von RTL sind besonders im Vergleich zur eigenen Historie und zur Branche sehr günstig. Das KGV liegt bei 11.
Die Autobranche leidet neben strukturellen Problemen unter einer Kaufzurückhaltung und kämpft mit der Unsicherheit, die US-Präsident Donald Trump durch seine Einfuhrzölle ausgelöst hat. Davon ist der Lkw- und Bushersteller Traton nicht verschont geblieben. Wenngleich Lkw derzeit keinen direkten Zöllen unterliegen und nur durch Abgaben für Stahl, Aluminium und zugelieferten Teile betroffen sind.
Die Analysten der Deutschen Bank gehen davon aus, dass diese Zölle für Vorprodukte die Lkw-Preise um 2 bis 3% erhöhen könnte, «was wir jedoch als verkraftbar erachten». JPMorgan spricht von «branchenweiten Preiserhöhungen von 4 bis 7 % in den USA», um den steigenden Kosten entgegenzuwirken.
83% des Umsatzes erzielte die VW-Tochter im abgelaufenen Geschäftsjahr mit Lkw (Busse: 9%; Vans: 8%). Traton ist die Nummer zwei hinter Daimler Truck und vor Volvo, Paccar sowie Iveco. Ein Viertel seines Geschäfts macht der Lkw-Bauer in den USA.
Als erste Reaktion auf Trumps Zölle hat die VW-Tochter in ihrem Werk in Mexiko die zweite Schicht gestrichen und Mitarbeiter entlassen. Schwach fielen auch die Zahlen zum ersten Quartal aus. So sanken sowohl Absatz (73‘100 Fahrzeuge) als auch Umsatz (10,6 Mrd. €) um 10%. Der operative Gewinn sackte gar um 41,6% auf 646 Mio. € ab. Die in der Branche vielbeachtete Umsatzrendite fiel damit um 3,3 Prozentpunkte auf 6,1%.
Allerdings es gab auch einen Lichtblick: Der Auftragseingang legte im ersten Quartal um 12% auf 74’307 Fahrzeuge zu. Das Verhältnis von Auftragseingang zu Absatz betrug damit erstmals seit neun Quartalen wieder 1,0 und lässt auf einen wachsenden Markt hoffen. In Europa nahmen die Bestellungen sogar um 56% auf 38’873 Fahrzeuge zu.
Traton setzt auf die zweite Jahreshälfte und hält an der Jahresprognose fest. Zumindest in Europa spielt der VW-Tochter das hohe Durchschnittsalter für schwere Lkw in die Hände. Es liegt bei 14 Jahren und sollte für die Nachfrage nach Ersatzfahrzeugen ankurbeln.
Intern rumort es beim Projekt Traton Modular System (TMS), das wohl in Teilbereichen mehr als ein Jahr in Verzug ist, schreibt das Manager Magazin. TMS soll die Entwicklerteams der verschiedenen Marken bis 2028 vereinen, die dann gemeinsam einen Lkw-Bausatz der nächsten Generation entwerfen sollen. Doch es gibt Kompetenzgerangel. Die finanziellen Auswirkungen eines solchen Zwists und Verzugs könnten erheblich sein. Im jüngsten Corporate-Governance-Ranking der Fondsgesellschaft Union Investment nimmt Traton nicht ohne Grund den letzten Platz im MDax ein.
Das Unternehmen hat seine Nettoverschuldung bis Ende 2024 auf 4,9 Mrd. € reduziert. Mit einem anvisierten freien Cashflow zwischen 2,2 Mrd. und 2,7 Mrd. € in diesem Jahr dürfte sie weiter sinken. Die Traton-Aktien, von denen VW 87,5% hält, sind mit einem KBV von 0,8 und einem KGV von 6 sehr günstig bewertet.
Die Analysten der Deutschen Bank gehen davon aus, dass das zweite Quartal für Traton bereits besser ausfallen sollte, verweisen angesichts der anhaltenden makroökonomischen Unsicherheit aber auch auf das Risiko einer Senkung der Jahresprognose.
Der Autor hält Aktien von DWS und Fraport.