Sonntag, November 24

Dem erfolgsverwöhnten Bauchemiekonzern mangelt es derzeit an positiven externen Faktoren, die ein steigendes Kursniveau rechtfertigen würden. Mittelfristig bleibt Sika indes ein solider Wachstumswert.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Der Bauchemiekonzern Sika hadert mit dem ruppigen Umfeld. Die Baukonjunktur schwächelt, vor allem in Europa und in China. Die höheren Finanzierungskosten und die steigende Teuerung fordern ihren Tribut, dem sich auch die besten Firmen nicht gänzlich entziehen können.

Vom Optimismus im Juli, als die guten Zahlen zum ersten Semester publiziert wurden, war am heutigen Kapitalmarkttag nicht mehr viel zu spüren. Durchhalteparolen und der Wille, weiterhin besser als der Gesamtmarkt abzuschneiden, standen im Mittelpunkt. Kein Wunder, denn von der Baukonjunktur kommt derzeit wenig Rückenwind.

Kein Rückenwind

Angesichts dieser Ausgangslage mag das Festhalten an den im vergangenen Jahr bis 2028 formulierten Ziele bereits als Erfolg gewertet werden. Trotzdem muss konstatiert werden, dass Sika auch das laufende Jahr deutlich unter dem historisch bei 6% liegenden organischen Wachstum abschliessen wird. Auch absolut wird sich die seit 2021 beobachtbare Wachstumsverlangsamung fortsetzen.

Gegenüber dem Gesamtmarkt dürfte Sika weiterhin besser abschliessen und Marktanteile gewinnen. Einfach wird das aber nicht sein, denn das Unternehmen befindet sich Mitten im Prozess, die Grossakquisition (MBCC) zu verdauen. Konzernchef Thomas Hasler spricht nach wie vor von einer «phantastischen» Transaktion, deren Synergien zunehmend grösser würden. Nach Einsparungen von 53 Mio. Fr. im ersten Halbjahr sei das Ziel, dieses Jahr 100 Mio. bis 120 Mio. Fr. zu erreichen, machbar, sagte Finanzchef Adrian Widmer.

Doch die Margenverwässerung durch MBCC wird erst 2026 zu Ende sein. Als das Unternehmen übernommen wurde lag die Ebitda-Marge bei 15%, während die restliche Sika 18,7% erreichte.

Es wird noch einige Zeit vergehen, bis die ausserordentlich hohe Generierung von freiem Cashflow wieder erreicht wird – wenn überhaupt. 2021 erklomm die operative freie Cashflowmarge herausragende 16,2%. Ein Jahr danach mit MBCC war sie nur noch etwa halb so hoch. Mittelfristig soll sie wieder über 10% zu liegen kommen.

MBCC wird also für Sika noch einige Zeit ein Bremsklotz sein.

Im Rahmen der von 2023 bis 2028 formulierten Ziele stellt Sika eine deutliche Margenverbesserung in Aussicht. Bis 2028 soll die Ebitda-Marge 20 bis 23% erreichen. Der Markt ging bisher davon aus, dass dies eine kontinuierliche Steigerung bedeutet, die 2028 bei 23% enden soll. Laut den heutigen Aussagen muss man nun davon ausgehen, dass dies das Sika-Management eher als eine Bandbreite versteht, die bis dann möglich sei.

Einige Analysten gingen davon aus, dass schon im laufenden Jahr eine Marge von 20% drinliegt (2023: 18,2%). Das wäre eine schöne Überraschung. Die heutigen Kursabgaben von mehr als 3% zeigen mir, dass diese Hoffnung nachgelassen hat. Damit notieren die Sika-Valoren wieder unter dem Stand von Anfang Jahr und haben sich klar schwächer als der Gesamtmarkt entwickelt.

Bestätigt wurde, dass der Umsatz 2024 um 6 bis 9% über dem Vorjahr und der Gewinn auf Stufe Ebitda überproportional ausfallen werde. Akquisitionen werden weiterhin ein wichtiger Bestandteil von Sikas Geschäftsmodell sein. An Gelegenheiten in diesem nach wie vor stark fragmentierten Markt fehlt es nicht. Die dreissig grössten Unternehmen decken lediglich etwa 55% des Gesamtmarkts ab.

Der für Sika interessante Markt wird bei rund 110 Mrd. $ angesiedelt. Mit nur 11% ist das Unternehmen der klar grösste Anbieter im Bereich Bauchemie. Besonders eilig, grössere Akquisitionen zu tätigen, spürt man nicht. Angesichts der stattlichen Verschuldung – die Quote (Nettoschulden im Verhältnis zum Ebitda) hat sich von 4,1 auf 2,6 (per Ende 2023) ermässigt – ist das vernünftig. Im laufenden Jahr wurden vier Firmen übernommen, eher kleinere, was finanziell gut verkraftbar ist. Der Konzernchef liess zudem keine Zweifel aufkommen, dass Sika nie Firmenkäufe machen würde, nur um Wachstumsziele zu erfüllen.

Strukturelle Trends sprechen für Sika

Was mich zuversichtlich stimmt und die Aktien von Sika für ein langfristig ausgelegtes Wertschriftenportfolio nach wie vor geeignet macht, sind die verschiedenen Makrotrends, die auf Jahre hinaus für eine strukturell gesunde Nachfrage sorgen. Eine zunehmende Weltbevölkerung verlangt nach mehr Infrastruktur. Gleichzeitig muss die bestehende ersetzt oder modernisiert werden.

Gleichzeitig will das Unternehmen auch in Sachen Nachhaltigkeit und bei der Wiederverwertung führend bleiben. Als konkretes Beispiel wurde faserverstärkter Beton genannt. In rund 15% der Fälle könnten damit die Armierungseisen ersetzt werden. Das verlängere nicht nur die Lebensdauer von Betonbauten, weil es keine Korrosionsschäden durch rostendes Eisen gibt, sondern senke auch den CO2-Gehalt. Es dauerte jedoch rund zehn Jahre, bis aus dem Konzept ein Produkt wurde, das die Gruppe weltweit anbieten konnte.

In eine ähnliche Richtung will Sika gehen, um die Lebensdauer von Bauten zu verlängern. Während früher für ein Tunnel fünfzig Jahre die Regel waren, gäbe es mittlerweile technische Möglichkeiten, die Lebensdauer auf hundert und mehr Jahre zu verlängern, erklärte der Konzernchef.

Auch Gebäude könnten älter werden. Wenn die Lebensdauer um zwanzig Jahre verlängert wird, könnten damit nicht nur 30% des CO2-Ausstosses, sondern auch die Kosten um rund 25% gesenkt werden, hiess es.

Nicht mehr überteuert

Ich mach mir keine Sorgen, dass Sika auch künftig in vielen Bereichen die technisch fortschrittlichsten Produkte auf den Markt bringen kann. Zusammen mit dem wachsenden Verteilnetz, das über die Vertriebskanäle ein breiteres Sortiment anbieten kann, wird das Wachstum für die Gruppe generieren.

Die bescheidene Kursentwicklung seit der MBCC-Übernahme hat die einst überbordende Bewertung der Sika-Aktien wieder auf ein vernünftiges Niveau gebracht. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 33 ist aber alles andere als gering. Doch viel günstiger wird Sika kaum werden, zu attraktiv ist das Geschäftsmodell des Unternehmens ebenso ihr Leistungsausweis.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Giorgio Müller

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