Mitten in die Diskussion um ein AfD-Verbot entscheidet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass eine verfassungsfeindliche Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann.
Die rechtsextreme NPD, die sich heute «Die Heimat» nennt, wird von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag entschieden. Auch die steuerliche Begünstigung für die Partei fällt weg. Die Partei sei eindeutig verfassungswidrig, die «Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus» bestehe fort, urteilte das Gericht.
Wegen Bedeutungslosigkeit hatte «Die Heimat» seit 2021 gar kein Geld mehr vom Staat bekommen – die staatliche Parteienfinanzierung richtet sich in Deutschland nach der Zahl der erhaltenen Wählerstimmen. Davon erhielt die rechtsextreme «Heimat» bei der letzten Bundestagswahl zu wenig.
Eine andere Partei stieg hingegen auf: die AfD. Sie erhielt 12,6 Prozent der Wählerstimmen. Das aktuelle Karlsruher Urteil wurde auch deshalb mit hohem Interesse erwartet, weil sich die Politik Erkenntnisse zu ihren Möglichkeiten im Umgang mit der AfD erhofft.
Die Politik ist zufrieden mit dem Urteil
Ein AfD-Parteiverbot wurde von verschiedenen Seiten bereits gefordert; neuen Auftrieb bekam die Debatte jüngst nach Berichten über ein angebliches Geheimtreffen von Rechtsextremisten in einer Seevilla in Potsdam Ende November, bei dem es um Remigration und Deportationen gegangen sei. Dabei waren einige AfD-Politiker zugegen.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser betonte, von der Entscheidung des Gerichts gehe ein klares Signal aus: «Unser demokratischer Staat finanziert keine Verfassungsfeinde.» Die verfassungsrechtlichen Hürden für künftige Verfahren blieben zwar hoch, sagte Faeser laut Mitteilung. Doch «haben wir jetzt ein weiteres Instrument zum Schutz unserer Demokratie».
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, begrüsste die Entscheidung ebenfalls. Auf X, ehemals Twitter, schrieb sie: «Gut so! Wir werden das Urteil des BVerfG nun auswerten und prüfen, ob dieses Modell auch auf andere verfassungsfeindliche und rechtsextreme Parteien anzuwenden ist.» Der grüne Abgeordnete Konstantin von Notz nannte das Urteil ein «wichtiges Zeichen für die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie». Die Folgen des Urteils müssten jetzt zügig und sorgsam geprüft werden. Ähnlich äusserte sich der christlichsoziale bayrische Ministerpräsident Markus Söder: «Das könnte auch eine Blaupause für die AfD sein», twitterte er. Die AfD werde immer radikaler und extremer. Das müsse genau beobachtet werden.
Ist die AfD zu gross für ein Verbot?
Ein Parteiverbot ist nicht leicht, denn es ist undemokratisch. Einer Partei das Geld zu entziehen, ist auch nicht einfacher, denn im Zuge dessen muss trotzdem geprüft werden, ob die Partei verfassungsfeindlich ist. Ein schwieriger Grenzgang.
Wenn eine Partei sich verhält wie eine Partei – sie stellt sich zur Wahl, veranstaltet Parteitage, bringt ihre Botschaften unters Volk –, so macht sie damit Gebrauch von den Rechten, die ihr in Deutschland qua Grundgesetz zustehen. Tut sie dies mit dem Ziel, die Ordnung zu beseitigen, die ihr das ermöglicht, so darf man sie daran hindern, auch mit einem Verbot. Das ist das Konzept der «wehrhaften Demokratie».
Die NPD zu verbieten, ist trotz zwei Versuchen nicht gelungen. Sie war damals schon zu ausgezehrt; es erschien nicht möglich, dass sie ihre Ziele überhaupt erreichen könnte (Potenzialität). Daran scheiterte der Verbotsantrag. Sie profitierte zunächst weiterhin von der staatlichen Parteienfinanzierung sowie von Steuerbegünstigungen für Parteien.
Der Unterschied zwischen Ausgehen und Ausgerichtetsein
Das zweite Verbotsverfahren endete mit dem Hinweis des Gerichts an die Politik, man dürfe ihr aber das Geld wegnehmen. Dafür brauche es eine Grundgesetzänderung. Bundestag und Bundesrat änderten in der Folge das Grundgesetz und hielten darin die Möglichkeit fest, dass auch nicht verbotenen verfassungsfeindlichen Parteien die Finanzierung gestrichen werden kann. 2019 stellten Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung dann gemeinsam den Antrag, die NPD von der staatlichen Finanzierung auszuschliessen. Dies wurde vom höchsten deutschen Gericht jetzt gebilligt. Für den Entzug des Geldes komme es auf die Potenzialität nicht an.
Bei der AfD kann von Bedeutungslosigkeit keine Rede sein. Sie eilte in letzter Zeit von einem Umfragehoch zum nächsten. Wollte man sie verbieten, so hiesse das zugleich, Millionen von Wählern zu brüskieren und ihre Stimmen ungültig zu machen. Ist eine Partei bereits gross und geniesst Rückhalt in einem nennenswert grossen Teil des Wahlvolks, begegnet ein Verbot ganz anderen Problemen – Stichwort Delegitimierung.
Das Bundesverfassungsgericht erläutert in seinem jüngsten Urteil das Erfordernis des «Daraufausgerichtetseins». Das Grundgesetz hat hier eine feinsinnige Unterscheidung eingebaut. Der Artikel 21 Absatz 2, der das Parteiverbot regelt, setzt fest, dass Parteien verfassungswidrig seien, die «darauf ausgehen», die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. In Absatz 3 geht es um den Ausschluss von der Finanzierung, und hier lautet die Formulierung, die Partei müsse «darauf ausgerichtet sein», die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen.
Bald kommt ein Urteil zur Einstufung als Verdachtsfall
Das Gericht erläutert nun den Unterschied: Die Voraussetzungen des «Daraufausgehens» und jene des «Daraufausgerichtetseins» seien nicht identisch. «Ein ‹Darauf Ausgerichtetsein› setzt ein qualifiziertes und planvolles Handeln zur Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus, ohne dass es – wie beim ‹Darauf Ausgehen› – auf das Erfordernis der Potentialität ankommt», heisst es im vierten Leitsatz.
Mit anderen Worten: Das Geld kann auch unbedeutenden Parteien entzogen werden, aber für ein Verbot einer Partei ist eine reale Gefahr für die verfassungsmässige Ordnung nötig. Diese nachzuweisen, wäre im Verbotsverfahren notwendig.
Einen Baustein könnte dazu ein weiteres anstehendes Urteil liefern. Ende Februar verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die AfD wehrt sich in nunmehr zweiter Instanz gegen ihre Einstufung als Verdachtsfall. In der Vorinstanz hatte das Verwaltungsgericht Köln im März 2022 dem Verfassungsschutz recht gegeben. Die Richter stellten fest, dass es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche, gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen der AfD gebe. Dagegen legte die Partei Berufung ein. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.