Donnerstag, Oktober 3

In den USA spielt derzeit die Musik. Das gilt nicht nur für die Konjunktur, sondern auch für die Meinungsbildung an der Börse. Doch Anlegerinnen und Anleger sollten die Einschätzungen von US-Analysten mit Vorsicht geniessen.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

11% verloren die Aktien von Straumann am Dienstag nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen. So manche Schweizer Anlegerin dürfte sich wie ich ob dem harschen Urteil der Börse die Augen gerieben haben. Umso mehr, als dass Schweizer Bankanalysten noch am Morgen verhalten, aber grundsätzlich positiv auf das durchmischte Zahlenset reagierten. Die Ursache für den Kurseinbruch ist denn auch eher auf der anderen Seite des Atlantiks zu finden.

Der einzige Markt, der derzeit gut laufe, sei die USA, sagt zCapital-CEO und Fondsmanager Hilmar Langensand in unserem Roundtable-Gespräch. Das gilt zum einen vom Geschäft her: Schweizer Unternehmen, mit einem grossen US-Exposure profitieren von der anhaltend starken Konjunktur im Allgemeinen und im Speziellen von Infrastrukturprogrammen der Regierung.

Entsprechend gut hielten sich auch in den vergangenen – eher schwierigen – Wochen die Aktien von Sika und Holcim.

Auch im Gesundheitsbereich dominiert das US-Geschäft das Narrativ an der hiesigen Börse. Bei der Ankündigung der Übernahme des Werks der Roche-Tochter Genentech im amerikanischen Vacaville durch Lonza im März applaudierten die Marktteilnehmenden. Die Kapazitätsausweitung in den USA ist entscheidend für die operative Entwicklung des Pharmaauftragfertigers. Auch Galderma, die erst Ende März 2024 ihr Börsendebüt gab, kommt gegenwärtig sehr gut an: Die Dermatologiespezialistin erwirtschaftete 2023 rund 45% des Umsatzes in den USA.

Meinungen der US-Analysten treiben Aktienkurse

«America rules» gilt zum anderen auch bei der Meinungsbildung auf Basis von Kauf- und Verkaufsempfehlungen. Obschon man meinen könnte, dass Schweizer Banken näher am hiesigen Geschehen sind, sorgt oft das Urteil von US-Analystinnen und US-Analysten für grosse Kursbewegungen, sowohl positiv wie auch negativ.

So profitierte Galderma gestern Donnerstag von gleich mehreren positiven Analystenberichten aus den USA: Bank of America, Jefferies, Goldman und Citi empfehlen die Titel zum Kauf. In einem Monat sind sie vom Ausgabepreis bei 53 Fr. auf gegen 70 Fr. gestiegen; ungeachtet der Tatsache, dass das Konsortium um die Investmentgesellschaft EQT noch immer einen Grossteil der Aktien hält und nach Ablauf der Sperrfrist Ende September einige davon auf den Markt kommen könnten.

Die Titel von Julius Bär wurden gestern ebenfalls von einer US-Kaufempfehlung getrieben: Citi-Analyst Nicholas Herman sieht deutliches Aufwärtspotenzial. Die Aktien der Privatbank seien angesichts der niedrigen Bewertung und dem erwarteten Zufluss von Neugeldern die attraktivsten aus dem Schweizer Bankensektor.

Im Fall von Straumann dürfte das negative US-Urteil gleich doppelt gewirkt haben, war es doch insbesondere das Geschäft in den USA, das im ersten Quartal enttäuschte. Das organische Wachstum in der Region Nordamerika betrug lediglich 3,7%, deutlich weniger als die Analystengemeinde im Schnitt erwartet hatte.

Entsprechend negativ fielen die dortigen Kommentare aus. Vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfelds lasse die bereits anspruchsvolle Bewertung der Aktien wenig Raum für Aufwärtspotenzial, schrieb Citi-Analystin Veronika Dubajova, und bestätigte ihre Verkaufsempfehlung. Im gestrigen Handel verloren die Straumann-Titel erneut deutlich.

Achtung vor Analystenurteilen

Während Anlegerinnen durchaus davon profitieren können, wenn sie gegenwärtig auf Aktien mit grossem Umsatzanteil im US-Markt setzen, rufen für mich die jüngsten Analystenurteile vor allem eines in Erinnerung: Die Empfehlungen der Banken und Broker sollten wir ganz allgemein mit Vorsicht geniessen.

Anfang 2021 war es mit Bank of America prompt ein US-Analyst, der Zur Rose – heute DocMorris – als «eine der attraktivsten Online-Aktienstorys in Europa» pries. Die Aktien schossen in kurzer Zeit auf über 500 Fr. hoch. Doch vom US-Feenstaub ist wenig übrig geblieben: Das Unternehmen hat die Pleite zwar bisher immer abwenden können, die Titel verloren aber zwischenzeitlich mehr als 95% an Wert.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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