Mittwoch, Januar 15

Beim Beschuldigten handelt es sich um den ehemaligen Leiter der ukrainischen Behörde, die für die Verwertung von beschlagnahmten Grundstücken und Waren zuständig ist.

Erneut leistet die Schweiz der Ukraine Rechtshilfe. Im Unterschied zu anderen Fällen geht es aber nicht um einen Oligarchen, nach dessen Konten auf hiesigen Banken gefahndet wird. Sondern es handelt sich um Gelder einer kriminellen Organisation, die angeblich vom ehemaligen Leiter jener ukrainischen Behörde aufgebaut wurde, die für die Verwertung von beschlagnahmten Gütern und Grundstücken zuständig ist.

Das Bundesstrafgericht musste sich mit dem Fall befassen, weil der im ukrainischen Strafverfahren Beschuldigte Beschwerde gegen die Schweizer Rechtshilfe erhoben hatte. Er wehrte sich gegen die Herausgabe von Unterlagen zu einem Bankkonto in Zürich und gegen die Bestätigung der Sperre von rund drei Millionen Euro. Wie aus dem anonymisierten Urteil hervorgeht, handelt es sich um den ukrainischen Rechtsanwalt Andri Dowbenko, der die Institution Arma (Asset Recovery and Management Agency) leitete. Diese ist zusammen mit einer weiteren Behörde für die Verwaltung und Verwertung von Gütern und Grundstücken zuständig, die von der ukrainischen Strafjustiz beschlagnahmt wurden.

Drei Millionen Euro auf Konto in Zürich eingefroren

Dowbenko geriet im Sommer 2022 ins Visier der ukrainischen Antikorruptionsbehörde (Nabu). Sie wirft ihm vor, zusammen mit Beamten eine kriminelle Organisation aufgebaut zu haben, die beschlagnahmte Güter und Grundstücke verwertet habe, die nicht für den Verkauf bestimmt gewesen seien, beziehungsweise diese zu deutlich zu tiefen Preisen verkauft zu haben. Vom kriminellen Erlös in Höhe von rund elf Millionen Franken seien rund drei Millionen Euro auf das Konto einer Bank in Zürich geflossen. Im ukrainischen Rechtshilfegesuch vom März 2023 werden der Verkauf von Grundstücken sowie von Sand, Getreide, Dünger und Pflanzenöl aufgelistet.

Die mit dem Vollzug der Rechtshilfe beauftragte Bundesanwaltschaft ordnete Ende 2023 die Aufrechterhaltung der vorsorglichen Sperre des Bankkontos sowie die Herausgabe der Bankunterlagen an die Ukraine an. Vergeblich argumentierte Dowbenko vor Bundesstrafgericht, es fehle an der Rechtshilfevoraussetzung der doppelten Strafbarkeit der vorgeworfenen Delikte. Nach Schweizer Recht könne es sich beim vorgeworfenen Tatbestand um Veruntreuung, Urkundenfälschung und Amtsmissbrauch handeln, erklärten die Richter in Bellinzona.

Sie liessen auch den Einwand nicht gelten, dass Dowbenko in der Ukraine aus politischen Gründen verfolgt werde. Der Beschuldigte lebe in London und solle dort ein Asylgesuch eingereicht haben. Falls die Ukraine ein Auslieferungsgesuch stellen sollte, liege es an den britischen Behörden, die Respektierung der international anerkannten Verfahrensgarantien und der Menschenrechte zu beurteilen. Eine Verweigerung der Rechtshilfe aus politischen Gründen komme für die Schweiz deshalb nicht infrage. Vergeblich rekurrierte Dowbenko inzwischen gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts. Das Bundesgericht erklärte die Beschwerde als unzulässig, wie der Anwalt des Ukrainers auf Anfrage bekanntgab.

Bescheidene Erfolge im Kampf gegen die Korruption

Der Fall Dowbenko ist auch ein Beispiel für die Kontroverse um die Bekämpfung der nach wie vor grassierenden Korruption in der Ukraine. Im jüngsten Index der Organisation Transparency International über die Wahrnehmung der Korruption figuriert die Ukraine auf Position 104 von 180 beurteilten Ländern. Das entspricht einer Verbesserung um drei Ränge gegenüber dem Vorjahr. Fortschritte attestiert ein im Juni dieses Jahres publizierter Bericht von TI Ukraine und dem Basel Institute on Governance, der von den Bundesbehörden unterstützt wurde.

Im Fall der hier zur Diskussion stehenden Asset-Recovery-Behörde Arma werden die Verbesserungen allerdings als bescheiden eingestuft. So ist in den ukrainischen Medien eine Kontroverse über die im Sommer 2023 ernannte neue Leiterin der Arma im Gang. Dowbenko gibt sich auf seiner in Grossbritannien betriebenen Website unterdessen weiterhin als Saubermann, der seit dem Angriff Russlands die ukrainische Armee mit militärischer und humanitärer Hilfe unterstütze.

Urteil RR.2024.6 des Bundesstrafgerichts vom 20. 6. 24.

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